Tobias Hans drängt auf mehr Betreuung in den Kitas
Bayerns Regierungschef stand bisher für strikte Corona-Beschränkungen. Kurz vor dem neuen Bund-Länder-Gipfel legt er eine Lockerungs-Offensive vor – und will wieder einmal Vorbild sein. Das gefällt nicht jedem.
(dpa) Einen Tag vor Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Länderchefs hat der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) andere Schwerpunkte bei den Lockerungen in der Corona-Krise gefordert: „Bevor wir wieder fast alle Wirtschaftsbereiche – wenn auch unter Auflagen – öffnen, sollten wir uns zuallererst um die Kinderbetreuung für die Familien der dort Beschäftigten kümmern“, sagte Hans am Dienstag dem Spiegel.
Applaus für den bayerischen Regenten kam am Dienstag von Oskar Lafontaine. Zumindest indirekt lobte der saarländische Linken-Fraktionschef, politisch nicht gerade nah an Bayern-Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dessen Lockerungsoffensive mit Blick auf die Gastronomie. Die Bayern wüssten nun, dass sie ab 18. Mai schrittweise wieder in Biergärten und Wirtshäuser dürfen. Die Saarländer „brauchen jetzt ebenso Klarheit“, befand Lafontaine. Das Saarland brauche einen Plan wie Bayern, die Landesregierung müsse „konkrete Daten“nennen.
Zuvor hatte Söder für Bayern nach wochenlangen Verboten und strikten Beschränkungen deutliche Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen
angekündigt. Schrittweise und unter Auflagen, aber umfassend. Ab Montag dürfen im Freistaat wieder alle Geschäfte öffnen, noch vor Pfingsten auch Gaststätten und Hotels. Zudem beschloss das Kabinett in München einen Stufenplan für Schulen und Kitas. Schon diesen Mittwoch fallen die Ausgangsbeschränkungen. Gelockert wird auch das strikte Besuchsverbot in Krankenhäusern und Pflegeheimen.
Die Vorlage aus Bayern kam kurz vor den Bund-Länder-Beratungen an diesem Mittwoch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Dabei sollen weitere Lockerungen abgestimmt werden, für Kitas, Lokale oder die Fußball-Bundesliga. Doch die Länder setzen schon lange eigene Fakten. Von Vorpreschen wollte Söder indes nicht reden. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für ein vorsichtiges Öffnen. Die Erfolge sind eindeutig“, sagte der CSU-Chef, der zuletzt noch als strikter Vertreter des Corona-Shutdowns in Erscheinung trat. „Wir machen es nicht überstürzt, in Stufen, mit hohen Sicherheitsauflagen, und später als andere.“Bayern ist von allen Bundesländern am schwersten von der Pandemie betroffen. Zuletzt war die Zahl der Erkrankten aber stark gesunken. Nun sei es Zeit, aus der Krise herauszukommen. Der bayerische „Pfad der Vernunft“könne auch für andere eine Blaupause sein, ergänzte Söder mit Blick auf die Beratungen. „Das, was wir machen, ist ja ein Modell.“
Vorgesprescht sind auch andere bereits. Baden-Württemberg erlaubt bald Sportarten im Freien, die Küstenländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen machen Hotels vor Pfingsten wieder auf, Hamburg zeigt sich bereit für „größere Schritte“als zuletzt. Rheinland-Pfalz lockert das Besuchsverbot in Altenheimen. Gleich mehrere Länder legten zudem Pläne für den Neustart der Schulen vor. Das alles erhöhte nochmal gehörig den Druck vor dem Kanzler-Gipfel.
Die Kritik an Öffnungs-„Orgien“wuchs ebenso. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plädierte dafür, regional ganz genau hinzuschauen – und bei einem erneuten Ausbruch die Regeln in den Ländern auch sehr schnell wieder zu verschärfen. Kanzlerin Merkel will sich nach
„Das, was wir machen. ist ja ein Modell.“
Markus Söder CSU-Chef
Bild-Informationen sogar für eine klare Obergrenze der Neu-Infektionen einsetzen, ab der regional wieder die bisherigen harten Maßnahmen gelten sollen. Demnach sollen 50 Neu-Infektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche in einem Landkreis gelten.
Auch nach Söders Alleingang gab es Kritik. Neben den Länderchefs von Baden-Württemberg, Berlin und Schleswig-Holstein rügte Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) ein uneinheitliches Vorgehen. Er hoffe, dass die Konferenz mehr Ordnung bringe. Dietmar Bartsch, Chef der Linken-Bundestagsfraktion, warf der Bundesregierung vor, das Heft aus der Hand zu geben. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte: „Wir brauchen keinen Schönheitswettbewerb unter Ministerpräsidenten“.
Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) – der eingangs der Corona-Krise schon früh dem strikten Vorbild Söders gefolgt war – warnte vor den Gesprächen generell vor übereilten Lockerungen. „Bevor wir wieder fast alle Wirtschaftsbereiche – wenn auch unter Auflagen – öffnen, sollten wir uns zuallererst um die Kinderbetreuung für die Familien der dort Beschäftigten kümmern“, sagte Hans dem Spiegel. Bei den letzten Gesprächen sei vereinbart worden, „grundsätzlich gemeinsam vorzugehen“und sich in einem „regional flexiblen Rahmen“abzustimmen. Gestern Abend sickerte dann durch, dass die Wirtschaftsminister der Länder offenbar unter Auflagen in einem Korridor vom 9. bis 22. Mai eine bundesweite kontrollierte Öffnung des Gastgewerbes anstreben.