Saarbruecker Zeitung

Auch Kühe müssen mal zum Friseur

Öl fürs Euter, Spray fürs Fell und Toupets für den Schwanz: Kuh-Fitter richten Rinder für große Auftritte her. Für manche Züchter geht es dabei um eine Menge Geld.

- VON FREDERICK MERSI

Der 23-jährige Tobias Guggemos betreibt auf seinem Bauernhof neben der Landwirtsc­haft „Kuhfitting“. Dabei werden Kühe am ganzen Körper geschoren und für Kuhschauen und Auktionen gestylt.

(dpa) Die Schönheits­kur seiner Models beginnt für Tobias Guggemos immer am hinteren Körperteil. Als der 23-Jährige die Schermasch­ine anwirft, lässt seine etwa 600 Kilogramm schwere Kundin namens Granit das ruhig über sich ergehen. „Sie ist es gewohnt“, sagt Guggemos. Er hält große Stücke auf die Brown-Swiss-Kuh. Mit vier Jahren hat sie schon 8500 Liter Milch gegeben – und bei der Bundesjung­züchtersch­au in der Kategorie

„schönstes Euter“den zweiten Platz geholt. Für Guggemos ein besonderer Erfolg: Er macht Rinder als Kuh-Fitter für große Auftritte schön.

Wie oft er das in den vergangene­n sieben Jahren getan hat, weiß Guggemos nicht genau. „200 bis 300 Tiere werden es schon sein“, sagt er und lacht. „Irgendwann hört man auf zu zählen.“Aber er weiß, worauf es ankommt: eine gerade Oberlinie am Rücken als Zeichen für Langlebigk­eit, die Betonung von breiten, abfallende­n Beckenknoc­hen, die fürs Kalben wichtig sind, und gut sichtbare Adern, die viel Milch verspreche­n. „Das Auge spielt immer mit“, sagt Guggemos. Deswegen reibt er Euter mit Babyöl ein, kaschiert Unebenheit­en am Rücken durch gerade Felllinien oder bringt ein Echthaar-Toupet am Schwanz an. „Manche finden auch Muster im Fell total toll, aber das mache ich nur spaßeshalb­er“, sagt er.

Bis zu zweieinhal­b Stunden kann es dauern, bis seine Kundinnen für Zuchtschau­en bereit sind. Für dieses Hobby muss im Zweifelsfa­ll auch mal die Arbeit auf dem Hof der Eltern in Rückholz im Landkreis Ostallgäu in Bayern hintenanst­ehen. Schöne Kühe können Züchtern beim Verkauf der Kälber, Embryonen oder des Tieres selbst viel Geld bringen. „Für eine durchschni­ttliche Kuh bekommt man bis zu 2000 Euro“, schätzt Guggemos, Vorsitzend­er der Allgäuer Jungzüchte­r. „Ein echter Champion kann aber 5000 bis 10 000 Euro wert sein.“

Hauptberuf­liche Kuh-Fitter gibt es in Deutschlan­d nach Angaben des Bundesverb­ands Rind und Schwein (BRS) nicht. Man schätze, dass hierzuland­e etwa 25 Fitter im Nebenberuf aktiv seien. Darüber hinaus gebe es einige Nachwuchsk­räfte. „Davon leben kann man nur in den USA und vielleicht in der Schweiz“, sagt Guggemos. Ihn fasziniere, was man aus den Tieren heraushole­n könne. „Sie

„Dafür braucht man Leidenscha­ft und einen

gewissen Ehrgeiz.“

Tobias Guggemos

Landwirt und Kuh-Fitter

werden dadurch elegant wie Models“, sagt er. „Dafür braucht man Leidenscha­ft und einen gewissen Ehrgeiz.“Eine gerade Oberlinie zu schneiden, zu bürsten, zu föhnen und mit Spray zu fixieren, erfordert Konzentrat­ion und Geduld. Gleiches gilt für die „Nassrasur“des Fells am Euter auf ein Zehntel-Millimeter.

Beim tierischen Schönheits­wettbewerb gibt es aber auch Grenzen. „Das fängt da an, wo es um den Tierschutz geht“, sagt Christoph Busch. Gegen den Grundgedan­ken, die Vorteile

einer Kuh durch schönes Herrichten hervorzuhe­ben, sei dagegen nichts einzuwende­n, findet Busch. Er selbst habe in seiner Freizeit schon als Kuh-Fitter gearbeitet. „Das kann beim Verkaufspr­eis einen Unterschie­d von bis zu 100 Euro machen“, sagt er. Inzwischen gebe es aber auch Veranstalt­er, die diese Art der Vorbereitu­ng bei ihren Schauen teilweise oder gar nicht mehr zulassen: „Da geht es um Chancengle­ichheit für Landwirte, die kein Geld dafür ausgeben wollen.“

Nach mehr als einer Stunde ist Granit mit Ausnahme des Kopfes fertig frisiert: kurzes Fell, gerade Oberlinie und gut sichtbare Adern. Friseur Guggemos ist zufrieden, die Kuh aber unruhig. „Sie muss jetzt in den Melkstand“, sagt er. Für den Landwirt selbst geht es danach mit Arbeit auf dem Hof weiter. Ob er auch Menschen die Haare schneiden könnte? Das habe er sich trotz geschlosse­ner Friseursal­ons in Zeiten von Corona nicht getraut, sagt Guggemos und lacht.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Zeit für eine Schönheits­kur: Landwirt Tobias Guggemos bearbeitet das Fell seiner vierjährig­en, 600 Kilogramm schweren Swiss-Brown-Kuh Granit.

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