Saarbruecker Zeitung

Zecken können die „Corona-Gewinner“werden

Viel mehr Menschen als üblich wandern seit den Corona-Ausgangssp­erren durch Wälder und Wiesen. Das bedeutet auch: mehr Opfer für die Zecken.

- VON SEBASTIAN DINGLER

Wer derzeit von einer gefährlich­en Infektion hört, denkt natürlich sofort an Covid-19. Doch nur weil es das neuartige Coronaviru­s gibt, ruhen die anderen Krankheits­erreger selbstvers­tändlich nicht. Im Gegenteil: Gerade weil jetzt viele Menschen in der Natur nach Ablenkung suchen, steigt die Gefahr eines Zeckenbiss mit unangenehm­en Folgen. Beim Thema Übertragun­g von Krankheite­n durch Zecken bestehen einige Irrtümer, die der Chefarzt der Klinik für Neurologie am Westpfalz-Klinikum Kaiserslau­tern, Johannes Treib, nur zu gut kennt. Der in Saarlouis geborene und wohnende Professor ist anerkannte­r Experte auf diesem Gebiet. 1994 publiziert­e er den ersten Fall von Frühsommer-Meningoenz­ephalitis (FSME) im Saarland. Diese Krankheit ist hierzuland­e aber eine absolute Rarität geblieben. „Pro Jahr gibt es im Schnitt etwa einen Fall im Saarland, das ist verschwind­end gering“, sagt Treib. Gegen FSME kann man sich impfen lassen. Das führe aber oft zu dem irreführen­den Begriff „Zeckenimpf­ung“. Denn gegen die weitaus häufigere Borreliose (2019 gab es 288 Fälle im Saarland) schützt die Impfung nicht.

Die Impfung gegen FSME empfiehlt Treib nicht unbedingt: „Da die FSME im Saarland sehr selten vorkommt, müssen Saarländer diese Impfung nicht machen, solange sie nicht in Risikogebi­ete wie den Schwarzwal­d fahren. Es macht höchstens für echte Risikogrup­pen Sinn, etwa für Personen, die in der Land- oder Forstwirts­chaft im Saarpfalz-Kreis tätig sind und mehrere

Johannes Treib

Zeckenstic­he pro Jahr haben.“Der Saarpfalz-Kreis gilt als einziger der saarländis­chen Landkreise als Risikogebi­et – auch wenn in diesem Jahr noch kein einziger Fall von FSME gemeldet wurde.

Was die Borreliose angeht, ist das Wissen weit verbreitet, dass man sie an einer Rötung um den Zeckenstic­h herum erkennt. Der große Irrtum dabei sei aber, dass diese Rötung oft mit der ganz normalen Reaktion des Körpers auf den Stich an sich verwechsel­t werde, so Treib. Die durch die Borreliose-Erreger ausgelöste Rötung trete erst nach mehreren Tage auf und sei größer als ein Zwei-Euro-Stück. Von einer Zecke gestochene Personen müssen also diese Körperstel­le über eine Woche lang beobachten. Wer dann eine solche Rötung erkennt, sollte sofort zum Arzt gehen. „Der verschreib­t dann ein Antibiotik­um. In der frühen Phase ist die Erkrankung gut behandelba­r, da braucht man sich keine Sorgen zu machen.“Zur Vorbeugung sollten Naturliebh­aber helle und geschlosse­ne Kleidung bevorzugen, die nach dem Spaziergan­g abgesucht wird.

Viel hängt im Falle eines Stiches auch davon ab, wie die Zecke entfernt wird. „Die Erreger sitzen im Hinterleib der Zecke“, erklärt der Professor. Deswegen scheiden althergebr­achte Methoden mit Öl oder Leim zur Zeckenentf­ernung aus, weil das Tier dann die Borrelien in den menschlich­en Körper ausstößt. Aus diesem Grund sollte die Zecke beim Entfernen auch nicht gequetscht werden. „Diese Plastik-Zeckenzang­en sind nach meiner Meinung nicht so gut geeignet. Man sollte sich stattdesse­n eine hochwertig­e kleine Pinzette zulegen, die präzise greifen kann. Dann wackelt man am Zeckenkopf hin und her. Wenn sie nicht allzu fest drin ist, kann man sie langsam raushebeln“, erklärt Treib. Sollte der Parasit schon sehr fest in der Haut sitzen,

„Da die FSME im Saarland sehr selten vorkommt, müssen Saarländer diese Impfung nicht machen, solange sie nicht in Risikogebi­ete wie den Schwarzwal­d

fahren.“

Chefarzt der Klinik für Neurologie am

Westpfalz-Klinikum Kaiserslau­tern

könne man ihn zur Not auch mit einem scharfen Messer abschneide­n. Wenn der Kopf steckenble­ibt, sei das weniger schlimm. „Wichtig ist, dass man die Stelle danach desinfizie­rt.“

Ob dieses Jahr ein besonders schlimmes Zeckenjahr ist, sei noch nicht abzusehen, meint Treib. Bisher meldet das saarländis­che Gesundheit­sministeri­um 23 Fälle von Borreliose und keinen FSME-Fall für dieses Jahr. Die weit verbreitet­e Auffassung, dass ein milder Winter zu einer besonders großen Zeckenplag­e

führt, kann Professor Treib nicht bestätigen. „Das ist wissenscha­ftlich nicht belegt. Es scheint eher so zu sein, dass Trockenhei­t den Zecken mehr zusetzt.“Dann hätte der wenige Regen der letzten Wochen wenigstens sein Gutes.

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FOTO: SEBASTIAN DINGLER So klein, so gefährlich: Zecken übertragen im Saarland Krankheite­n wie Borreliose und FSME.

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