Zecken können die „Corona-Gewinner“werden
Viel mehr Menschen als üblich wandern seit den Corona-Ausgangssperren durch Wälder und Wiesen. Das bedeutet auch: mehr Opfer für die Zecken.
Wer derzeit von einer gefährlichen Infektion hört, denkt natürlich sofort an Covid-19. Doch nur weil es das neuartige Coronavirus gibt, ruhen die anderen Krankheitserreger selbstverständlich nicht. Im Gegenteil: Gerade weil jetzt viele Menschen in der Natur nach Ablenkung suchen, steigt die Gefahr eines Zeckenbiss mit unangenehmen Folgen. Beim Thema Übertragung von Krankheiten durch Zecken bestehen einige Irrtümer, die der Chefarzt der Klinik für Neurologie am Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern, Johannes Treib, nur zu gut kennt. Der in Saarlouis geborene und wohnende Professor ist anerkannter Experte auf diesem Gebiet. 1994 publizierte er den ersten Fall von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) im Saarland. Diese Krankheit ist hierzulande aber eine absolute Rarität geblieben. „Pro Jahr gibt es im Schnitt etwa einen Fall im Saarland, das ist verschwindend gering“, sagt Treib. Gegen FSME kann man sich impfen lassen. Das führe aber oft zu dem irreführenden Begriff „Zeckenimpfung“. Denn gegen die weitaus häufigere Borreliose (2019 gab es 288 Fälle im Saarland) schützt die Impfung nicht.
Die Impfung gegen FSME empfiehlt Treib nicht unbedingt: „Da die FSME im Saarland sehr selten vorkommt, müssen Saarländer diese Impfung nicht machen, solange sie nicht in Risikogebiete wie den Schwarzwald fahren. Es macht höchstens für echte Risikogruppen Sinn, etwa für Personen, die in der Land- oder Forstwirtschaft im Saarpfalz-Kreis tätig sind und mehrere
Johannes Treib
Zeckenstiche pro Jahr haben.“Der Saarpfalz-Kreis gilt als einziger der saarländischen Landkreise als Risikogebiet – auch wenn in diesem Jahr noch kein einziger Fall von FSME gemeldet wurde.
Was die Borreliose angeht, ist das Wissen weit verbreitet, dass man sie an einer Rötung um den Zeckenstich herum erkennt. Der große Irrtum dabei sei aber, dass diese Rötung oft mit der ganz normalen Reaktion des Körpers auf den Stich an sich verwechselt werde, so Treib. Die durch die Borreliose-Erreger ausgelöste Rötung trete erst nach mehreren Tage auf und sei größer als ein Zwei-Euro-Stück. Von einer Zecke gestochene Personen müssen also diese Körperstelle über eine Woche lang beobachten. Wer dann eine solche Rötung erkennt, sollte sofort zum Arzt gehen. „Der verschreibt dann ein Antibiotikum. In der frühen Phase ist die Erkrankung gut behandelbar, da braucht man sich keine Sorgen zu machen.“Zur Vorbeugung sollten Naturliebhaber helle und geschlossene Kleidung bevorzugen, die nach dem Spaziergang abgesucht wird.
Viel hängt im Falle eines Stiches auch davon ab, wie die Zecke entfernt wird. „Die Erreger sitzen im Hinterleib der Zecke“, erklärt der Professor. Deswegen scheiden althergebrachte Methoden mit Öl oder Leim zur Zeckenentfernung aus, weil das Tier dann die Borrelien in den menschlichen Körper ausstößt. Aus diesem Grund sollte die Zecke beim Entfernen auch nicht gequetscht werden. „Diese Plastik-Zeckenzangen sind nach meiner Meinung nicht so gut geeignet. Man sollte sich stattdessen eine hochwertige kleine Pinzette zulegen, die präzise greifen kann. Dann wackelt man am Zeckenkopf hin und her. Wenn sie nicht allzu fest drin ist, kann man sie langsam raushebeln“, erklärt Treib. Sollte der Parasit schon sehr fest in der Haut sitzen,
„Da die FSME im Saarland sehr selten vorkommt, müssen Saarländer diese Impfung nicht machen, solange sie nicht in Risikogebiete wie den Schwarzwald
fahren.“
Chefarzt der Klinik für Neurologie am
Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern
könne man ihn zur Not auch mit einem scharfen Messer abschneiden. Wenn der Kopf steckenbleibt, sei das weniger schlimm. „Wichtig ist, dass man die Stelle danach desinfiziert.“
Ob dieses Jahr ein besonders schlimmes Zeckenjahr ist, sei noch nicht abzusehen, meint Treib. Bisher meldet das saarländische Gesundheitsministerium 23 Fälle von Borreliose und keinen FSME-Fall für dieses Jahr. Die weit verbreitete Auffassung, dass ein milder Winter zu einer besonders großen Zeckenplage
führt, kann Professor Treib nicht bestätigen. „Das ist wissenschaftlich nicht belegt. Es scheint eher so zu sein, dass Trockenheit den Zecken mehr zusetzt.“Dann hätte der wenige Regen der letzten Wochen wenigstens sein Gutes.