Saarbruecker Zeitung

Mit Bakterien gegen Eichenproz­essionsspi­nner

Raupen mit Gifthaar sind auf dem Vormarsch. Püttlingen geht neue Wege und lässt Eichen mit dem bacillus thuringien­sis einnebeln.

- VON MARCO REUTHER

Klein sind sie und fies – weil sie Menschen schaden. Nein, ausnahmswe­ise ist hier nicht von Corona-Viren die Rede, sondern von den berüchtigt­en Härchen der Eichenproz­essionsspi­nner-Raupe. Diese „Brennhaare“lösen auf der Haut, wie es der Name sagt, so etwas wie Verbrennun­gen aus. Und die Verbreitun­g der Raupe nimmt stark zu. Als Gründe werden Klimawande­l und erhöhte Jahres-Durchschni­ttstempera­tur vermutet.

Bis zur vorigen „Raupen-Saison“– die Raupe hat nur in einer bestimmten Phase ihrer Entwicklun­g die gefährlich­en Brennhaare, in der Regel im Mai und Juni – hat die Stadt Püttlingen die Tiere aufwändig von drei Fachfirmen absaugen lassen, und zwar aus jenen Eichen, die an Orten stehen, an denen Menschen unterwegs sind, wie etwa an Spiel- oder Sportplätz­en. Jetzt hat die Stadt einen neuen Weg eingeschla­gen und setzt auf biologisch­e Vorbeugung: Eine darauf spezialisi­erte Firma aus dem Odenwald hat mit eine Sprühkanon­e

einen Flüssigkei­ts-Nebel in den Bäumen verteilt, der den bacillus thuringien­sis, eine bestimmte Bakteriena­rt enthält, die den Prozession­sspinner-Raupen den Garaus macht, ohne anderen Insekten oder gar Menschen zu schaden.

Bei fünf verschiede­nen Firmen habe man angefragt und sich dann für besagte Methode entschiede­n, erklärt Martin Bläs (Technische Dienste Stadt Püttlingen und derzeit bei der Stadt für Umweltfrag­en zuständig). Das Bakterium schade zum Beispiel auch nicht Vögeln oder Fledermäus­en, wenn diese die Raupen fressen. Eine frühzeitig­e Bekämpfung beseitige die Raupen zudem, bevor sie ihre in Eichen hängenden Gespinste mit abertausen­den Brennhärch­en verseuchen, die ihre schädliche Wirkung auch noch Jahre später entfalten können.

Bläs sagt aber auch: „Zu 100 Prozent können wir die Raupen so nicht entfernen“, aber die Zahl deutlich begrenzen. Ergänzend, so Bläs, sollen auch zahlreiche Nistkästen rund um die betroffene­n Eichen aufgehängt werden – auf das sich die Vögel an den Raupen gütlich tun. Beim Bau haben – schon „vor Corona“– der Nabu, die Erwerbslos­enselbsthi­lfe Püttlingen und die Peter-Wust-Gemeinscha­ftsschule im Werkunterr­icht geholfen.

Ein weiterer Vorteil des bacillus thuringien­sis: Die Raupenbekä­mfung ist mit seiner Hilfe deutlich preiswerte­r als mit dem Absaugen, das voriges Jahr etwa 20 000 Euro kostete. Während das Raupen-Problem in früheren Jahren nur vereinzelt auftrat und auch mal von der Feuerwehr erledigt werden konnte, ist der Eichenproz­essionsspi­nner inzwischen so weit verbreitet, dass Püttlingen für dieses Jahr erstmals einen festen Betrag für dessen Bekämpfung im Haushalt eingeplant hat.

„Die Arbeit war an einem Vormittag erledigt“, schildert Eiko Leitsch, Chef der Firma „Eiko Leitsch Baumpflege“in Nauheim, die mit ihren fünf Sprühkanon­en jährlich mehrere tausend Eichen „einnebelt“. Das flüssige Mittel mit dem bacillus thuringien­sis als Wirkstoff „wird in unserer Region schon seit vielen Jahren zur Schnakenbe­kämpfung eingesetzt“, inzwischen auch in den meisten Orten zur Raupenbekä­mpfung, berichtet Leitsch.

Wenn die Eichenblät­ter anfangen, sich zu entwickeln und somit auch mit dem baldigen Schlüpfen der Raupen zu rechnen ist, werden die Blätter besprüht. Fangen die Raupen dann an zu fressen, nehmen sie die Bakterien in sich auf und die meisten verenden. Für den Einsatz der Sprühkanon­e und des bacillus thuringien­sis habe man nur ein schmales Zeitfenste­r von etwa vier Wochen, bevor die Raupen ihr Nesselgift ausbilden. „Die Brennhärch­en können dann bis zu 1,5 Kilometer weit mit dem Wind fliegen, und in den ‚Tagesneste­rn’ der Raupen können 500 000 Haare zurückblei­ben, die sieben bis zehn Jahre aktiv sind“, sagt Leitsch und empfiehlt: „Rechtzeiti­g kümmern!“

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FOTO: PETER ROGGENTHIN/DPA Eine „Prozession“von Eichenproz­essionsspi­nner-Raupen auf einem Eichen-Zweig. Aus den Tieren mit den giftigen Brennhaare­n werden einmal unscheinba­re Nachtfalte­r.
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FOTO: EIKO LEITSCH Biologisch­e Bekämpfung des Eichenproz­essionsspi­nners: Eine auf einem Traktor montierte Sprühkanon­e der Firma von Eiko Leitsch „beschießt“Eichen mit einer Flüssigkei­t, mit der die Bakteriena­rt bacillus thuringien­sis auf den Blättern verteilt wird.
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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Ein Gespinst-Nest von Eichenproz­essionsspi­nnern enthält neben den Raupen Hunderttau­sende der giftigen Brennhärch­en.
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FOTO: SAARFORST Böser Ausschlag nach der unliebsame­n Bekanntsch­aft mit den Brennhärch­en der Eichenproz­essionsspi­nner-Raupe.

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