Saarbruecker Zeitung

Schwerer Vorwurf der sexuellen Belästigun­g

WDR-Reporterin AnnKathrin Stracke wirft Frankreich­s Ex-Staatschef Valéry Giscard d’Estaing Belästigun­g vor. Die französisc­hen Behörden ermitteln.

- Produktion dieser Seite: Ulrich Brenner, Gerrit Dauelsberg, Peter Stefan Herbst

Die WDR-Reporterin Ann Kathrin Stracke wirft dem ehemaligen französisc­hen Präsidente­n, Valéry Giscard d’Estaing, sexuelle Übergriffe während eines Fototermin­s im Jahr 2018 vor. Sie hat Strafanzei­ge gegen ihn gestellt.

Der ehemalige französisc­he Präsident Valéry Giscard d’Estaing ist eine Ikone der französisc­hen Politik. Hoch angesehen in ganz Europa ist der ehemalige Präsident (1974 bis 1981) seit fast zwei Jahrzehnte­n Mitglied der Académie française und gehört auch dem Verfassung­srat in Paris an. Als Elder Statesman tut er bisweilen in Interviews seine Meinung zur Weltlage kund. Aus diesem Grund fuhr im Dezember 2018 ein Fernsehtea­m des WDR nach Paris, um Giscard d‘Estaing anlässlich des 100. Jahrestags der Geburt von Helmut Schmidt zu befragen, der ein langjährig­er Freund des verstorben­en Ex-Kanzlers war.

Alles lief offensicht­lich wie geplant – zumindest bis zu einem kurzen Fototermin nach dem Interview. Der 94 Jahre alte Ex-Präsident habe sie bei dieser Gelegenhei­t mehrfach am Gesäß berührt, sagt die WDR-Journalist­in Ann-Kathrin Stracke. Sie habe immer wieder versucht, seine Hand wegzuschie­ben, dies sei ihr jedoch nicht gelungen. Die 37-Jährige hat daraufhin Anzeige gegen Giscard d‘Estaing erstattet, weswegen die französisc­hen Behörden nun gegen ihn wegen sexueller Belästigun­g ermitteln. Die Situation

sei für sie „extrem degradiere­nd, extrem herabsetze­nd“gewesen, erklärt Ann-Kathrin Stracke im WDR ihren Schritt.

Giscard d‘Estaing erinnere sich nicht an die von Ann-Kathrin Stracke beschriebe­ne Situation, erklärt der Anwalt des früheren Staatsober­haupts, Jean-Marc Fédida. Der Ex-Staatschef betrachte das Ganze als einen „besonders unwürdigen und verletzend­en Medien-Angriff“und werde sich nicht weiter dazu äußern.

Am Donnerstag hatten Süddeutsch­e Zeitung und die französisc­he Tageszeitu­ng Le Monde zuerst über ihre Vorwürfe berichtet. In dem Bericht der Süddeutsch­en stand: „Das

Büro Giscard d‘Estaings erklärt auf Anfrage von Süddeutsch­er und Le Monde, dieser könne sich weder an die Situation, noch an das Interview erinnern. Bürochef Olivier Revol erklärte in einem Telefonat, es tue Giscard d‘Estaing sehr leid, wenn die Vorwürfe stimmen sollten.

Revol wies auf das hohe Alter Giscard d‘Estaings hin.“Die Zeitung Le Monde zitierte Revol so: „Falls das, was ihm (Giscard) vorgeworfe­n wird, wahr wäre, wäre er natürlich darüber bestürzt, aber er erinnert sich an nichts.“Revol sagte der Zeitung auch, es sei seiner eigenen Erinnerung nach das erste Mal, dass der Ex-Staatschef mit einer derartigen Anschuldig­ung konfrontie­rt sei.

Der WDR stellt sich hinter seine Mitarbeite­rin. Das Büro des Politikers habe weder auf einen offizielle­n Beschwerde­brief noch auf die Strafanzei­ge vom März inhaltlich reagiert. „Der WDR hält die Vorwürfe für glaubwürdi­g“, heißt es von Seiten des Senders.

Der Kameramann bestätige den Angaben zufolge die Vorwürfe. Der Programmdi­rektor Informatio­n, Fiktion und Unterhaltu­ng, Jörg Schönenbor­n, sagte: „Es verdient großen Respekt, wenn eine Mitarbeite­rin den Mut hat, sich nach einem solch einschneid­enden Erlebnis nicht nur an ihre Vorgesetzt­en im WDR, sondern auch an die Öffentlich­keit zu wenden.“

Ann-Kathrin Stracke selbst betont unterdesse­n: „Ich habe sehr lange darüber nachgedach­t, ob ich es veröffentl­iche.“Nun hoffe die Reporterin auf „eine gesellscha­ftliche Debatte über sexuelle Belästigun­g und über mehr Mut, Dinge anzusprech­en“.

„Es verdient großen Respekt, wenn eine Mitarbeite­rin den Mut

hat, sich an die Öffentlich­keit zu

wenden.“

Jörg Schönenbor­n

Programmdi­rektor WDR

 ?? FOTO JACQUES DEMARTHON/DPA ?? Valery Giscard d‘Estaing soll bei einem Fototermin eine Reporterin des WDR sexuell belästigt haben.
FOTO JACQUES DEMARTHON/DPA Valery Giscard d‘Estaing soll bei einem Fototermin eine Reporterin des WDR sexuell belästigt haben.
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FOTO:ANN-KATHRIN STRACKE/DPA Die Journalist­in des WDR, Ann-Kathrin Stracke hat inzwischen Strafanzei­ge wegen sexueller Belästigun­g gegen d’Estaing gestellt.

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