„Weit weg vom Genuss aus Vor-Corona-Zeiten“
Die Saar-Gastronomie stellt sich zur Wiederöffnung am 18. Mai auf völlig veränderte Bedingungen ein. Vom Drei-Sterne-Koch bis zum Kneipier hoffen alle darauf, dass die Kunden treu bleiben.
Einer der idyllischsten Orte überhaupt im Saarland: die Saarschleife. Unzählige Male fotografiert, normalerweise das ganze Jahr über von Touristen aus zahlreichen Ländern bereist. Nur ein paar Meter von diesem Aushängeschild für den Saar-Tourismus entfernt findet die Idylle in diesen Tagen ein jähes Ende. Im Landhotel Saarschleife in Orscholz sitzt Michael Buchna über einem Brief an seine Mitarbeiter. Schon seit 1935 ist die Traditionsadresse unweit der Grenze zu Luxemburg in Familienbesitz. Buchna quält der Gedanke, dass das Coronavirus noch lange Zeit jede Normalität verhindern wird. Und deshalb auch etwas eintreten könnte, „was gegen alles spricht, was wir über viele Jahrzehnte hinweg in unserem Haus praktiziert haben. Ich mache mir sehr große Sorgen darüber, ob ich noch alle Mitarbeiter mitnehmen kann. Sollte das nicht möglich sein, wäre das auch für mich eine persönliche Niederlage.“
Am 18. Mai öffnet das Landhotel wieder, zwei Tage später die dazugehörige Gastronomie. „Das wird eine Riesen-Herausforderung für alle Betriebe“, ist Buchna überzeugt. Viele seiner Kunden kommen aus Frankreich, Luxemburg, Belgien und Holland. Die werden noch längere Zeit fehlen. „Immerhin kann man weitermachen, wenigstens das Minus verkleinern, das alle plagt. Da das Thekengeschäft wegfällt, werden aber viele Kollegen gar keine Chance haben, ihren Betrieb öffnen zu können“, denkt Buchna. Man sei in der Branche im Moment „weit weg vom Genuss aus Vor-Corona-Zeiten und weit weg von der betriebswirtschaftlichen Vernunft“.
Eine Ansicht, die auch Frederic Theis teilt, der das Hotel und Restaurant Maimühle in Perl direkt am Moselufer betreibt. Er wird seinen Betrieb nicht öffnen, will stattdessen erst einmal abwarten. „Essen gehen ist schon etwas Besonderes. Da geht es nicht einfach darum, satt zu werden. Unter den jetzigen Bedingungen kann ich mir nicht vorstellen, dass essen gehen Spaß macht und dann auch noch eine tolle Stimmung herrscht“, sagt Theis. Auch das Ausbleiben vieler Gäste aus Luxemburg schmerzt den Hotelier und Gastronom. Zweierlei lässt ihn dennoch hoffen. „Wir haben noch viele Buchungen für unser Hotel in den Monaten Juni sowie Juli stehen. Die Gäste warten erst einmal ab, statt zu stornieren.“Hilfreich sei zudem, dass auch die Hausbank mitspielt, „weil wir schon lange bei denen sind. Unsere Bank hat gesagt: Wir wissen, wie Ihr aufgestellt seid.“Solch klare Bekenntnisse sind rar in Corona-Zeiten.
Sorgen macht sich auch Sandra Becker, Pächterin des Alfa Hotels in St. Ingbert mit angeschlossener Gastronomie. „Wir öffnen nicht am 18. Mai, sondern frühestens am 2. Juni. Ich möchte erst einmal zwei Wochen abwarten. Denn wenn die Infektions-Zahlen wieder hochgehen, müsste ich in zwei Wochen wieder zumachen.“Das Reinigen der Hotelzimmer bereite unter den neuen Bedingungen deutlich mehr Anstrengung als viele meinen. „Wenn Sie das Zimmer reinigen und desinfizieren, leiden die Hände stark. Und Sie bekommen gar keine Luft mehr mit der Maske. Wenn dann noch der Puls etwas hochgeht, dann wird das schon recht unangenehm“, sagt Becker. „Die Köche müssen beim Zubereiten der Speisen durchgehend Maske und Handschuhe tragen. Ich bin angesichts der zahlreichen Vorgaben nur noch am Nachdenken und überlegen: was ist richtig, was falsch?“Unter den jetzigen Bedingungen hätten viele Betriebe wohl keine Perspektive. „Die Gäste müssen kommen, aber es stehen wegen der Abstandsregeln nur die Hälfte der Sitzplätze zur Verfügung. Man bekommt den Umsatz nicht rein wie vorher, aber das Personal kostet im Prinzip dasselbe.“Wenigstens in diesem Punkt kann Sandra Becker erst einmal Entwarnung geben. „Wir haben 28 Beschäftigte
im Hotel und Restaurant. Und alle sind noch da.“Die Gastronomie darf ab dem 18. Mai grundsätzlich ihre Platz-Kapazitäten voll auslasten, wenn der vorgeschriebene Abstand eingehalten wird.
Leichte Vorteile dürften womöglich Gasthäuser mit Außenbereich haben. Ein solches ist die Ratsstube Blasius in Merzig. „Ich habe darauf gehofft, dass wir Mitte Mai wieder öffnen dürfen“, sagt Geschäftsführer Hanspeter Blasius. „Mit den Bedingungen, unter denen wir öffnen dürfen, kann ich leben. Eine andere Frage ist, ob es von den Kunden angenommen wird.“Die Ratsstube verfüge über drei verschiedene Räume und einen Garten. „Da können wir den Abstand herstellen. Das macht bei uns im Restaurant von 21 Tischen acht weniger aus. Dazu kommt die Fläche im Garten.“Hanspeter Blasius rät auch den Kunden zu einer gewissen Gelassenheit. „Desinfizieren müssen Sie ja mittlerweile in jedem Geschäft. Und die Adresse gibt man doch heute auch auf Facebook oder beim Pizza-Lieferdienst an.“
Die Sache mit den Adressen sieht Alexander Kunz sogar positiv. Der Chef des Familienbetriebs „Restaurant Kunz“in St. Wendel-Bliesen verweist darauf, dass in seinem Haus rund 90 Prozent der Gäste vorreservieren. Die könne man so besser ansprechen, etwa, wenn Aktionen im Restaurant anstehen. Er hält die Maßnahmen zur Wiedereröffnung der Gastronomie für verhältnismäßig. „Das wird sich einpendeln. Die Menschen gewöhnen sich daran.“
Drei-Sterne-Koch Klaus Erfort öffnet sein Gästehaus in Saarbrücken wieder am 18. Mai zunächst mit einem Menü. Ihm mache es auch nichts aus mit Maske zu kochen. „Da muss man sich halt flexibel zeigen und an die Situation anpassen.“Erfort ärgert jedoch, dass der Maßnahmenkatalog zu spät herausgekommen sei. „Ich finde, das ist eine Frechheit den Gastronomen gegenüber. Niemand kann sich wirklich vorbereiten.“Bis er sein Geschäft wider hochfahren könne „brauche ich erst einmal neue Mitarbeiter“. Dennoch ist sich Erfort sicher, trotz Maskenzwang mit seinen Mitarbeitern eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich wohlfühlen kann. „Wir werden das Beste aus der ganzen Situation machen.“
„Immerhin kann man weitermachen, wenigstens
das Minus verkleinern, das alle plagt.“Michael Buchna, Landhotel Saarschleife