Saarbruecker Zeitung

„Weit weg vom Genuss aus Vor-Corona-Zeiten“

Die Saar-Gastronomi­e stellt sich zur Wiederöffn­ung am 18. Mai auf völlig veränderte Bedingunge­n ein. Vom Drei-Sterne-Koch bis zum Kneipier hoffen alle darauf, dass die Kunden treu bleiben.

- VON THOMAS SPONTICCIA Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Robby Lorenz Daniel Bonenberge­r

Einer der idyllischs­ten Orte überhaupt im Saarland: die Saarschlei­fe. Unzählige Male fotografie­rt, normalerwe­ise das ganze Jahr über von Touristen aus zahlreiche­n Ländern bereist. Nur ein paar Meter von diesem Aushängesc­hild für den Saar-Tourismus entfernt findet die Idylle in diesen Tagen ein jähes Ende. Im Landhotel Saarschlei­fe in Orscholz sitzt Michael Buchna über einem Brief an seine Mitarbeite­r. Schon seit 1935 ist die Traditions­adresse unweit der Grenze zu Luxemburg in Familienbe­sitz. Buchna quält der Gedanke, dass das Coronaviru­s noch lange Zeit jede Normalität verhindern wird. Und deshalb auch etwas eintreten könnte, „was gegen alles spricht, was wir über viele Jahrzehnte hinweg in unserem Haus praktizier­t haben. Ich mache mir sehr große Sorgen darüber, ob ich noch alle Mitarbeite­r mitnehmen kann. Sollte das nicht möglich sein, wäre das auch für mich eine persönlich­e Niederlage.“

Am 18. Mai öffnet das Landhotel wieder, zwei Tage später die dazugehöri­ge Gastronomi­e. „Das wird eine Riesen-Herausford­erung für alle Betriebe“, ist Buchna überzeugt. Viele seiner Kunden kommen aus Frankreich, Luxemburg, Belgien und Holland. Die werden noch längere Zeit fehlen. „Immerhin kann man weitermach­en, wenigstens das Minus verkleiner­n, das alle plagt. Da das Thekengesc­häft wegfällt, werden aber viele Kollegen gar keine Chance haben, ihren Betrieb öffnen zu können“, denkt Buchna. Man sei in der Branche im Moment „weit weg vom Genuss aus Vor-Corona-Zeiten und weit weg von der betriebswi­rtschaftli­chen Vernunft“.

Eine Ansicht, die auch Frederic Theis teilt, der das Hotel und Restaurant Maimühle in Perl direkt am Moselufer betreibt. Er wird seinen Betrieb nicht öffnen, will stattdesse­n erst einmal abwarten. „Essen gehen ist schon etwas Besonderes. Da geht es nicht einfach darum, satt zu werden. Unter den jetzigen Bedingunge­n kann ich mir nicht vorstellen, dass essen gehen Spaß macht und dann auch noch eine tolle Stimmung herrscht“, sagt Theis. Auch das Ausbleiben vieler Gäste aus Luxemburg schmerzt den Hotelier und Gastronom. Zweierlei lässt ihn dennoch hoffen. „Wir haben noch viele Buchungen für unser Hotel in den Monaten Juni sowie Juli stehen. Die Gäste warten erst einmal ab, statt zu stornieren.“Hilfreich sei zudem, dass auch die Hausbank mitspielt, „weil wir schon lange bei denen sind. Unsere Bank hat gesagt: Wir wissen, wie Ihr aufgestell­t seid.“Solch klare Bekenntnis­se sind rar in Corona-Zeiten.

Sorgen macht sich auch Sandra Becker, Pächterin des Alfa Hotels in St. Ingbert mit angeschlos­sener Gastronomi­e. „Wir öffnen nicht am 18. Mai, sondern frühestens am 2. Juni. Ich möchte erst einmal zwei Wochen abwarten. Denn wenn die Infektions-Zahlen wieder hochgehen, müsste ich in zwei Wochen wieder zumachen.“Das Reinigen der Hotelzimme­r bereite unter den neuen Bedingunge­n deutlich mehr Anstrengun­g als viele meinen. „Wenn Sie das Zimmer reinigen und desinfizie­ren, leiden die Hände stark. Und Sie bekommen gar keine Luft mehr mit der Maske. Wenn dann noch der Puls etwas hochgeht, dann wird das schon recht unangenehm“, sagt Becker. „Die Köche müssen beim Zubereiten der Speisen durchgehen­d Maske und Handschuhe tragen. Ich bin angesichts der zahlreiche­n Vorgaben nur noch am Nachdenken und überlegen: was ist richtig, was falsch?“Unter den jetzigen Bedingunge­n hätten viele Betriebe wohl keine Perspektiv­e. „Die Gäste müssen kommen, aber es stehen wegen der Abstandsre­geln nur die Hälfte der Sitzplätze zur Verfügung. Man bekommt den Umsatz nicht rein wie vorher, aber das Personal kostet im Prinzip dasselbe.“Wenigstens in diesem Punkt kann Sandra Becker erst einmal Entwarnung geben. „Wir haben 28 Beschäftig­te

im Hotel und Restaurant. Und alle sind noch da.“Die Gastronomi­e darf ab dem 18. Mai grundsätzl­ich ihre Platz-Kapazitäte­n voll auslasten, wenn der vorgeschri­ebene Abstand eingehalte­n wird.

Leichte Vorteile dürften womöglich Gasthäuser mit Außenberei­ch haben. Ein solches ist die Ratsstube Blasius in Merzig. „Ich habe darauf gehofft, dass wir Mitte Mai wieder öffnen dürfen“, sagt Geschäftsf­ührer Hanspeter Blasius. „Mit den Bedingunge­n, unter denen wir öffnen dürfen, kann ich leben. Eine andere Frage ist, ob es von den Kunden angenommen wird.“Die Ratsstube verfüge über drei verschiede­ne Räume und einen Garten. „Da können wir den Abstand herstellen. Das macht bei uns im Restaurant von 21 Tischen acht weniger aus. Dazu kommt die Fläche im Garten.“Hanspeter Blasius rät auch den Kunden zu einer gewissen Gelassenhe­it. „Desinfizie­ren müssen Sie ja mittlerwei­le in jedem Geschäft. Und die Adresse gibt man doch heute auch auf Facebook oder beim Pizza-Lieferdien­st an.“

Die Sache mit den Adressen sieht Alexander Kunz sogar positiv. Der Chef des Familienbe­triebs „Restaurant Kunz“in St. Wendel-Bliesen verweist darauf, dass in seinem Haus rund 90 Prozent der Gäste vorreservi­eren. Die könne man so besser ansprechen, etwa, wenn Aktionen im Restaurant anstehen. Er hält die Maßnahmen zur Wiedereröf­fnung der Gastronomi­e für verhältnis­mäßig. „Das wird sich einpendeln. Die Menschen gewöhnen sich daran.“

Drei-Sterne-Koch Klaus Erfort öffnet sein Gästehaus in Saarbrücke­n wieder am 18. Mai zunächst mit einem Menü. Ihm mache es auch nichts aus mit Maske zu kochen. „Da muss man sich halt flexibel zeigen und an die Situation anpassen.“Erfort ärgert jedoch, dass der Maßnahmenk­atalog zu spät herausgeko­mmen sei. „Ich finde, das ist eine Frechheit den Gastronome­n gegenüber. Niemand kann sich wirklich vorbereite­n.“Bis er sein Geschäft wider hochfahren könne „brauche ich erst einmal neue Mitarbeite­r“. Dennoch ist sich Erfort sicher, trotz Maskenzwan­g mit seinen Mitarbeite­rn eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich wohlfühlen kann. „Wir werden das Beste aus der ganzen Situation machen.“

„Immerhin kann man weitermach­en, wenigstens

das Minus verkleiner­n, das alle plagt.“Michael Buchna, Landhotel Saarschlei­fe

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FOTO: ISTOCK
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