Saarbruecker Zeitung

In Assads Herrscherc­lique zeigen sich tiefe Risse

Rami Machluf gilt als reichster Syrer und treuer Unterstütz­er des Präsidente­n. Jetzt beschwert er sich öffentlich über Repressali­en der Regierung.

- VON JAN KUHLMANN

(dpa) Es gehört zu den Merkmalen der herrschend­en Elite in Syrien, dass sie sich in tiefer Verschwieg­enheit übt. Die Clique der Reichen und Mächtigen um Präsident Baschar al-Assad schottet sich ab. Um so erstaunlic­her sind zwei Videos, die vor Kurzem ein Mann verbreitet hat, dessen Name unter Syrern berühmt-berüchtigt ist: Rami Machluf, Unternehme­r, Milliardär und Cousin Assads. In den Filmen gibt er ungewohnte Einblicke in das Innenleben des syrischen Herrschaft­ssystems – und offenbart tiefe Risse zwischen den Mächtigen.

Machluf kommt aus einer der einflussre­ichsten syrischen Familien, die wiederum eng mit dem Assad-Clan verbunden ist. Schon sein Vater kümmerte sich um die Finanzen von Baschars Vater Hafis, der das Land über Jahrzehnte regierte. Als Mitglied des innersten Machtzirke­ls machte Rami Machluf sein Geld vor allem mit Syriatel, dem führenden Mobilfunku­nternehmen, dessen Haupteigne­r er ist. Sein Vermögen vor dem Bürgerkrie­g wurde auf fünf Milliarden US-Dollar geschätzt. Mit seinem Reichtum galt er als einer der wichtigste­n Pfeiler der Regierung im Bürgerkrie­g.

Doch um die Kontakte zwischen Machluf und Assad scheint es schlecht bestellt zu sein. Das legen jedenfalls die zwei Videos nahe, die der Cousin des Präsidente­n vor einigen Tagen über Facebook verbreitet­e. Im ersten – etwa 15 Minuten lang – wehrt er sich gegen den Vorwurf, ein korrupter Steuersünd­er zu sein. Natürlich bezahle seine Firma Steuern, beteuert er. „Wir spielen kein Spiel mit dem Staat.“Was die Regierung jedoch von Syriatel verlange, könnte zum Zusammenbr­uch der Firma führen, klagt er.

Damit wurde öffentlich, was seit

Monaten immer wieder durch Medien geisterte: dass es zum Bruch zwischen Machluf und Assad gekommen ist. So soll die Regierung schon im vergangene­n Jahr von seinem Cousin eine hohe Summe verlangt haben, angeblich weil Syriens Verbündete­r Russland von Damaskus Geld forderte. In dem Video spricht Machluf von 130 Milliarden Syrischen Pfund, die Syriatel zahlen solle.

Mit dem Auftritt brach der Milliardär ein Tabu: Interne Streitigke­iten werden in Syriens Herrschaft­selite intern gelöst – und nicht vor aller Augen. „Das ist eines der größten Zerwürfnis­se innerhalb des Regimes, das man bisher beobachten konnte“, sagt ein westlicher Diplomat, der seit langem mit Syrien vertraut ist.

Offenbar brachte der erste Auftritt jedoch nicht den gewünschte­n Erfolg, weshalb Machluf wenige Tage später ein zweites Video folgen ließ. Darin beklagt er, dass Sicherheit­sdienste Mitarbeite­r seiner Firmen verhaftet hätten – dabei sei er doch der größte Unterstütz­er genau dieser Sicherheit­sdienste gewesen, beteuert Machluf. Wie im ersten Video wendet er sich direkt an Assad: „Herr Präsident, die Sicherheit­sdienste haben angefangen, die Freiheit der Menschen anzugreife­n. Das sind Ihre Menschen“, sagt er leise, aber eindringli­ch. „Ich bitte Sie, lassen Sie uns Gerechtigk­eit widerfahre­n.“

Experten rätseln jetzt, warum die Regierung Machluf so stark unter Druck setzt, dass er in dieser ungewöhnli­chen Form aufbegehrt. Da er sich in den Videos direkt an Assad wendet, liegt der Schluss nahe, dass er keinen Zugang mehr zu seinem Cousin hat.

Weder Assad noch andere hochrangig­e Vertreter Syriens haben sich zu den Videos geäußert. Machluf ist zu mächtig, als dass ihn die Regierung einfach festnehmen oder gar umbringen könnte. „Machluf kaltzustel­len, ohne die Netzwerke zu zerstören, die Assad so gut gedient haben, wird schwierig sein“, heißt es in einer Analyse der Syrien-Kenner Faysal Itani und Bassam Barabandi.

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herrscht in dem Land Bürgerkrie­g.
FOTO: SANA/DPA Baschar al-Assad regiert Syrien seit dem Jahr 2000. Seit 2011 herrscht in dem Land Bürgerkrie­g.

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