Saarbruecker Zeitung

Minijobs gehen so stark zurück wie nie

Im März gingen 224 000 Bundesbürg­er weniger als vor einem Jahr einer geringfügi­gen Beschäftig­ung nach.

- VON STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Thomas Sponticcia David Seel

Die Corona-Krise setzt den geringfügi­g Beschäftig­ten hart zu. Nach der am Dienstag veröffentl­ichten Statistik der Minijob-Zentrale in Essen gab es im März fast eine Viertel Million weniger Minijobber als im gleichen Monat des Vorjahres. So groß war der Rückgang noch nie. Und er könnte nur der Auftakt für einen massiven Einbruch sein.

Sie kellnern, putzen Wohnungen oder räumen Regale ein – in Deutschlan­d gehen rund 6,7 Millionen Menschen einer geringfügi­gen Beschäftig­ung nach. Das heißt, sie verdienen bis zu 450 Euro im Monat, ohne dafür selbst Steuern und Abgaben entrichten zu müssen. Das macht die Jobs für viele attraktive­r. Aktuell verzeichne­t die Mini-Jobzentral­e jedoch eine Talfahrt, wie es sie selbst in der Finanzkris­e vor gut zehn Jahren nicht gegeben hat.

Im März 2020 arbeiteten demnach nur noch 6,38 Millionen geringfügi­g Beschäftig­te im gewerblich­en Bereich. Das waren rund 219 000 weniger als im gleichen Monat des Vorjahres. Auch die Zahl der Minijobber in Privathaus­halten ging um knapp 5000 zurück. Unter dem Strich gibt es damit aktuell etwa 224 000 Minijobber weniger als noch vor zwölf Monaten. Im Vergleich zum Vorquartal, also den drei Monaten bis Ende Dezember, waren es sogar 311 000 weniger.

Die Daten erstaunen insofern, als Deutschlan­d im März noch ganz am Anfang der Virus-Epidemie stand. Es gab kaum Todesfälle, und erst in der zweiten Monatshälf­te hatten Bund und Länder weitreiche­nde Kontaktbes­chränkunge­n verhängt. Für den Sprecher der Minijob-Zentrale, Wolfgang Buschfort, kommt die Entwicklun­g daher auch überrasche­nd. „Minijobber unterliege­n ebenfalls den normalen Kündigungs­firsten. Die geringste ist vier Wochen zum Monatsende oder zum 15. eines Monats“, erläutert Buschfort. Offenbar hätten viele Arbeitgebe­r die Fristen nicht eingehalte­n.

Besonders rasant im Jahresverg­leich war der Rückgang im Gastgewerb­e.

Hier verloren gut elf Prozent der geringfügi­g Beschäftig­ten ihren Job. Im verarbeite­nden Gewerbe lag das Minus bei 6,3 Prozent. Unter den Bundesländ­ern kam Bayern noch am besten weg. Dort wurde nur 2,3 Prozent aller Minijobber im gewerblich­en Bereich gekündigt. In

Berlin waren es dagegen 5,3 Prozent. Überdurchs­chnittlich hoch sind die Entlassung­en auch im Saarland und in Sachsen (jeweils 4,2 Prozent) gewesen.

Es dürfte noch schlimmer kommen. Die Corona-Krise werde sich wohl erst in den April-Zahlen voll niederschl­agen, weil dann alles stillgesta­nden habe, vermutet Heinz-Günter Held von der Geschäftsf­ührung der Minijob-Zentrale. Obendrein vergingen oft einige Wochen, bis Arbeitgebe­r ihre Abmeldung übermittel­ten. „Tatsächlic­h könnte es daher schon am Ende des ersten Quartals noch weniger Minijobber gegeben haben“, so Held.

Laut Statistik üben 98 Prozent der Minijobber im gewerblich­en Bereich und fast 88 Prozenten in den Privathaus­halten genau eine geringfügi­ge Beschäftig­ung aus. Der Rest hat mehrere Minijobs. Angesichts der außergewöh­nlichen Krise plädiert der Nürnberger Arbeitsmar­ktforscher Enzo Weber dafür, arbeitslos­en Minijobber­n Kurzarbeit­ergeld zu zahlen. Dies sei „zur Stützung der Einkommen gerechtfer­tigt, auch wenn dafür keine Beiträge entrichtet wurden“, sagte Weber. „Minijobs werden durch die Steuer- und Abgabefrei­heit für die Beschäftig­ten erheblich subvention­iert. Sie führen aber nicht zu einer sozialen Absicherun­g und in aller Regel auch nicht zu einer berufliche­n Entwicklun­g.“

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FOTO: F. KRAUFMANN/DPA Insgesamt sind noch 6,4 Millionen Menschen in Deutschlan­d geringfügi­g beschäftig­t – viele arbeiten als Reinigungs­kräfte.

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