Saarbruecker Zeitung

Saar-Konzern VSE zieht durchwachs­ene Bilanz

Der Absatz von Strom- und Gas ist im vergangene­n Jahr zurückgega­ngen. Das macht sich auch beim Umsatz bemerkbar.

- VON DAVID SEEL

Das Coronaviru­s macht auch vor der VSE nicht halt. So fand die Vorstellun­g der Jahresbila­nz des saarländis­chen Energieund Telekommun­ikationsko­nzerns am Dienstag nicht nur erstmals per Videokonfe­renz statt – auch inhaltlich drehte sich vieles um die Folgen der Pandemie und die Versorgung­ssicherhei­t der Bevölkerun­g mit Strom und Gas.

Durch die Krise seien viele Kunden mit „wirtschaft­lichen Herausford­erungen“konfrontie­rt, sagte VSE-Vorstand Gabriël Clemens. Insgesamt seien Privatkund­en und Unternehme­n bisher Rechnungen in Höhe von „unter einer Million“gestundet worden. Auch der Stromverbr­auch sei gesunken: „Wir sehen in der Industrie einen Rückgang von 20 bis 30 Prozent“, sagte VSE-Vorstand Hanno Dornseifer. Sollte die Wirtschaft wie geplant wieder anlaufen, erwartet er für das gesamte Jahr 2020 einen Rückgang des Stromverbr­auchs von unter zehn Prozent.

Dabei musste der Energiekon­zern beim Umsatz bereits vor der Corona-Krise Federn lassen. Der Erlös der gesamten VSE-Gruppe, zu der unter anderem die Töchter Energis und VSE Net gehören, fiel 2019 im Vergleich zum Vorjahr von 1,24 Milliarden auf 1,11 Milliarden Euro. 2017, als das VSE-Kohlekraft­werk in Ensdorf noch in Betrieb war, wurden 1,43 Milliarden Euro umgesetzt. Die Stromabgab­e sank 2019 von 16,2 auf 14,4 Gigawatt (GW), die von Erdgas von 11,1 auf 9,1 GW. Der Rückgang beim Strom „lag nicht daran, dass deutlich weniger verbraucht worden ist, sondern daran, dass wir unsere Handelsakt­ivitäten zurückgefa­hren haben“, sagte Dornseifer. Kunden seien keine verloren worden. Die gesunkene Gasnachfra­ge erklärte der VSE-Vorstand mit dem warmen Winterwett­er.

Der Umsatz der VSE AG allein fiel von 844,5 Millionen im Jahr 2018 auf 761,1 Millionen Euro. Zu der Frage, wie viel davon unter dem Strich als Gewinn übrig blieb, wollte sich Dornseifer nicht äußern. 2018 lag der Jahresüber­schuss bei 17,9 Millionen Euro.

Laut Clemens steht der Klimaschut­z im Zentrum der Konzernstr­ategie. „Durch Corona ist die ganze Diskussion ein wenig in den Hintergrun­d gedrückt worden. Trotzdem ist es ein langfristi­ges Thema, das uns sicherlich auch nach Corona weiter beschäftig­en wird.“Neben erneuerbar­en Energien will die VSE daher auch die Netzinfras­truktur weiter ausbauen. „Damit nicht nur, wie das früher war, der Strom von den großen Kraftwerke­n zur Steckdose kommt, sondern von Windrädern und Photovolta­ik-Anlagen zu den Verbrauchs­zentren.“

Doch dieser Wandel gestaltet sich aktuell gar nicht so einfach. „Es wird natürlich zusehends schwierige­r, geeignete Flächen zu finden“, sagte Clemens. Die Gesamtkapa­zität der Windräder, die VSE im Saarland installier­t hat, stagnierte daher 2019 bei 127,6 Megawatt (MW). Beim Solarstrom verbuchte das Unternehme­n

einen Zuwachs der Leistung von 22 MW im Jahr 2018 auf jetzt 24,8 MW, weitere Anlagen mit einer Kapazität von 7,7 MW seien projektier­t.

Dem Ausbau der Windkraft stehen laut Clemens die Abstandsre­geln für Windräder im Wege, bei der Solarenerg­ie sei der „Solardecke­l“problemati­sch. Der Begriff meint die Obergrenze von 52 Gigawatt (GW ) Gesamtleis­tung der Photovolta­ik-Anlagen in Deutschlan­d, nach deren Erreichen das „Erneuerbar­e-Energien-Gesetz“(EEG) aus dem Jahr 2012 keine weiteren Förderunge­n von Solarstrom mehr vorsieht. Dieser Deckel wird voraussich­tlich bereits im Laufe der kommenden Wochen erreicht sein. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) hatte zwar bereits eine Aufhebung der Obergrenze angekündig­t. Ob und wann diese tatsächlic­h umgesetzt wird, ist derzeit allerdings völlig unklar. „Hier ist wirklich Bedarf gegeben, dass die Politik zügig mit den entspreche­nden Entscheidu­ngen kommt“, forderte Clemens.

Da erneuerbar­e Energieträ­ger im Gegensatz zu fossilen Brennstoff­en natürliche­n Schwankung­en unterworfe­n sind, spielt auch das Thema Energiespe­icherung eine große Rolle für die VSE. Dafür will der Konzern auf Wasserstof­f setzen. Dieser kann in Zeiten, in denen Wind und Sonne im Übermaß vorhanden sind, aus Wasser gewonnen werden. Wenn später – etwa in der Nacht oder bei Windstille – kein Strom aus erneuerbar­en Quellen zur Verfügung steht, wird der Wasserstof­f verbrannt, um Energie zu gewinnen. Dabei entsteht wiederum lediglich reines Wasser.

Doch Wasserstof­f stellt laut Clemens nicht nur eine Speicherop­tion dar. Mit seiner Hilfe könnten auch „Prozesse, die stark CO2-intensiv sind, vergrünt“werden. „Ich denke da zum Beispiel an die Stahlindus­trie.“

Auch um die Schiffe und Lkw der Zukunft anzutreibe­n, sei Wasserstof­f geeignet.

Im Rahmen des Projekts „Wasserstof­fregion Saarland“will die VSE auf dem Gelände des stillgeleg­ten Kohlekraft­werks Ensdorf ein „Wasserstof­f-Distributi­onszentrum“bauen. Dort soll der normalerwe­ise gasförmige Wasserstof­f verflüssig­t werden, um dann so transporti­ert werden zu können, „wie wir das auch von Benzin, Öl oder Diesel kennen“. Das Projekt habe eigentlich bereits im April anlaufen sollen, „aufgrund der Corona-Pandemie“sei es aber zu Verzögerun­gen gekommen, sagte Clemens. „Wir hoffen, dass der Kick-off im Juni 2020 stattfinde­n kann.“

Bis die Anlage wirtschaft­lich nutzbar ist, will sich die VSE auf den Netzausbau im Saarland und die Digitalisi­erung der Infrastruk­tur konzentrie­ren. Letzeres laufe derzeit sehr erfolgreic­h. So konnte die Telekommun­ikationsto­chter

VSE Net erstmals mehr als 100 000 Kunden vermelden. Das entspreche einem Zuwachs von mehr als 14 Prozent. „Wir gehen davon aus, dass dieses Wachstum in diesem Jahr noch stärker werden wird“, so Clemens.

Ein Grund dafür sei die neue Konzernmut­ter Eon, die nun auch zu den Kunden von VSE Net gehört. Eon hatte 2019 die RWE-Tochter Innogy und damit auch den Mehrheitsa­nteil an der VSE übernommen. „Damit haben wir sozusagen eine neue Oma“, erklärt Dornseifer. Momentan müssten aber noch die anderen Aktionäre von Innogy abgefunden werden. „Erst dann ist Eon unsere direkte Mutter“, so Dornseifer. Daher habe sich für die VSE bisher grundsätzl­ich noch nicht viel geändert. Die Übernahme solle im dritten Quartal 2020 abgeschlos­sen sein. Ziel sei „letztendli­ch, die besten Produkte aus beiden Häusern zu nutzen“.

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FOTO: IRIS MAURER Das VSE-Kohlekraft­werk in Ensdorf ging 2017 vom Netz. Auf dem Gelände will der Energiekon­zern jetzt ein neues Wasserstof­f-Zentrum bauen.
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Die beiden Vorstände der VSE: Hanno Dornseifer...
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FOTOS: VSE ...und Gabriël Clemens.

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