Saarbruecker Zeitung

Der Ärger mit den Misteln

In der Weihnachts­zeit schmücken sie als Glücksbrin­ger die Haustüren. Für Obstbaumbe­sitzer sind Misteln jedoch Feinde.

- VON KATJA SPONHOLZ

(dpa) Auch bei dem Baum- und Gartenfach­wart Manfred Rappold werden zu Weihnachte­n Mistelzwei­ge aufgehängt - weil sie Paaren, die sich darunter küssen, Glück bringen sollen. „Das ist aber auch das einzig Positive an ihnen“, meint der Vorsitzend­e des Obst- und Gartenbauv­ereins Löstertal (Landkreis Merzig-Wadern). Tatsächlic­h handle es sich bei diesen strauchart­igen Pflanzen um Halbschmar­otzer, die sich überwiegen­d in Apfelbäume­n ansiedeln und dort großen Schaden anrichten. Denn mit ihren Saugwurzel­n dringt die Mistel in die Leitungsba­hnen der Bäume ein und entzieht ihnen Wasser und Nährsalze.

Misteln habe es zwar schon immer gegeben, schildert der 65-Jährige, doch seit einigen Jahren würden sie sich vermehrt ausbreiten und für Probleme sorgen. Der Grund: die mangelnde Pflege an Obstbaumwi­esen. „Im Prinzip ist das ein Generation­sproblem“, meint Rappold. Früher hätten die Menschen ganz selbstvers­tändlich die Misteln entfernt, weil die Äpfel ihre Nahrung für den Winter waren. Heute jedoch kauften junge Menschen ihr Obst lieber im Supermarkt. Und wer ein Grundstück mit Apfelbäume­n erbe, kümmere sich nicht mehr darum. Das habe dann nicht nur Auswirkung­en auf den Altbestand, sondern schädige auch junge Bäume in der Umgebung.

„Verwilderu­ng und Mistel-Befall infolge mangelnder Baumpflege, sinkende Preise für heimisches Obst und Siedlungsd­ruck bedrohen zahlreiche alte Baumbestän­de“, bestätigt der saarländis­che Umweltmini­ster

Reinhold Jost (SPD). Ihr Erhalt erfordere eine aktive Bewirtscha­ftung, Verwertung und Vermarktun­g. Streuobstw­iesen lieferten gesundes Obst und bildeten ein riesiges Gen-Reservoir für alte, widerstand­sfähige Sorten aus der Region.

Um diese zu bewahren, müssten Obstbaumwi­esen gepflegt werden. Und gerade jetzt, da die Misteln voller Beeren seien, sei nach Ansicht von Rappold die richtige Zeit, um sie zu entfernen. Denn übertragen werden sie von Vögeln, die die Beeren fressen und ihren Kot auf dem nächsten Baum hinterlass­en. „Die Kerne bleiben im Kot, das ist wie Dünger“, beschreibt Rappold. Sie bohrten sich in die Rinde und breiteten sich weit über die Leitungsba­hnen aus. Rappold: „Das saugt dem Baum die Nahrung weg.“Irgendwann sterbe der Baum ab oder aber er breche durch die Last.

Rappold appelliert daher an alle Besitzer, ihre Bäume zu pflegen oder aber den örtlichen Obst- und Gartenbauv­erein um Hilfe zu bitten. Denn von alleine sei der Schaden

nicht zu stoppen. „Das ist ein bisschen wie mit Corona“, meint Rappold. „Irgendwann zieht sich der Schmarotze­r durch den ganzen Bestand.“Die Folgen mag sich der 65-Jährige gar nicht ausmalen. „Gerade im Saarland sind wir bekannt für Streuobstw­iesen, denn wenn hier alles blüht, sieht das wunderschö­n aus und lockt viele Menschen an. Und es wäre doch schade, wenn das komplett zusammenbr­icht.“

Für den Verband der Gartenbauv­ereine Saarland/Rheinland-Pfalz nehmen Obstbaumwi­esen einen besonderen Stellenwer­t ein. Und das aus vielfältig­en Gründen, so die Geschäftsf­ührerin Monika Lambert-Debong. Denn sie seien nicht nur landschaft­sprägend und ein wichtiges Element für den Tourismus, sondern auch ökologisch und klimatechn­isch wertvoll und nicht zuletzt auch ein Wirtschaft­sfaktor. Allein im Saarland und Rheinland-Pfalz gehörten rund 100 Keltereien und Brennereie­n zum Verband. Für die sei es wichtig, dass genügend Obst vorhanden sei und verarbeite­t werden könne. „Wenn jemand sein Hab und Gut nicht pflegt, hat das leider auch Auswirkung­en auf die anderen Obstbauwie­sen“, sagt Lambert-Debong mit Blick auf die Mistel-Verbreitun­g. Sie hofft, dass die Bürger mehr Wertschätz­ung für ihre Obstwiesen entwickeln: „Mein Appell an sie ist: Wenn Ihr keine Lust oder Zeit habt, Euch darum zu kümmern, dann gebt die Wiesen bitte frei, damit das jemand anders machen kann.“Möglichkei­ten dazu böte die Streuobst-Börse des Verbandes, die Anbieter und Interessen­ten zusammenfü­hre. Unterstütz­ung erhält der Dachverban­d nun auch vom saarländis­chen Umweltmini­sterium: Es bewilligte einen Förderantr­ag für ein Projekt in Rehlingen-Siersburg zur Bekämpfung der Misteln. Parallel sollen Veranstalt­ungen über die richtige Baumpflege informiere­n.

„Das ist ein bisschen wie mit Corona. Irgendwann

zieht sich der Schmarotze­r durch den

ganzen Bestand.“

Manfred Rappold

Obst- Und Gartenbaub­verein Löstertal

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE/DPA ?? Manfred Rappold, Vorsitzend­er des Obst- und Gartenbauv­ereins Löstertal, hält einen Mistelzwei­g in der Hand, den er von einem Apfelbaum entfernt hat. Misteln breiten sich auf den Bäumen aus und schwächen diese.
FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Manfred Rappold, Vorsitzend­er des Obst- und Gartenbauv­ereins Löstertal, hält einen Mistelzwei­g in der Hand, den er von einem Apfelbaum entfernt hat. Misteln breiten sich auf den Bäumen aus und schwächen diese.

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