Saarbruecker Zeitung

Rechte reihen sich in Corona-Protest ein

Erneut versammeln sich Gegner der AntiCorona-Maßnahmen in Saarbrücke­n. Die Organisato­ren distanzier­en sich derweil von rechtsextr­emen Teilnehmer­n auf der jüngsten Kundgebung.

- VON TOM PETERSON

Etwas scheint sich geändert zu haben. Vor Ostern äußerte noch ein Großteil der Saarländer Verständni­s für die Maßnahmen der Regierung, die zum Schutz der Bevölkerun­g gegen das Coronaviru­s beschlosse­n wurden. Seit knapp zwei Wochen versammeln sich in Saarbrücke­n und anderen deutschen Städten jedoch nun regelmäßig Menschen, die gegen die Corona-Prävention­smaßnahmen protestier­en. Zulauf erhalten die Proteste nicht nur von Menschen des mittleren Alters oder von Familien mit Kindern. Auch Rechtsextr­eme und Anhänger von Verschwöru­ngsmythen beteiligen sich verstärkt an den Demonstrat­ionen, um ihre Ideen gesellscha­ftsfähiger zu machen. Zu spüren bekamen das vor allem anwesende Journalist­en. In Berlin und Dortmund kam es zu Auseinande­rsetzungen mit der Polizei, nachdem Fotografen oder Kameraleut­e von Demonstrat­ionsteilne­hmer attackiert worden waren.

Ein anderes Bild lieferte dagegen die Kundgebung am vergangene­n Samstag auf dem Tbilisser Platz in Saarbrücke­n. Nach Polizeiang­aben versammelt­en sich hier rund 400 Personen zu einem friedliche­n Protest. Statt Reden und Parolen waren hier vor allem Gesang und Musik zu hören. Manch einer nutzte die Kundgebung auch, um auf einer Decke im Stillen zu meditieren. Die Saarbrücke­r Künstlerin Marion Ritz-Valentin trat verkleidet als „Todesfee“auf, um die „Todesangst“darzustell­en, mit der die Politik ihrer Meinung nach die Bevölkerun­g „wie eine Schafsherd­e in Schach halten“würde. Trotz der gelockerte­n Maßnahmen sehen sie und viele andere ihre Grundrecht­e offenbar bedroht. „Es kann nicht sein, dass unsere Grundrecht­e wegen eines Virus schwanken“, sagt Ritz-Valentin. Deswegen habe sie auch die Kundgebung vor dem Staatsthea­ter organisier­t. Am kommenden Samstag wolle man wieder demonstrie­ren.

Wie in Berlin und Dortmund beteiligte­n sich jedoch nicht nur breite Teile der Gesellscha­ft an der Kundgebung am vergangene­n Wochenende. Bereits im Vorfeld bewarben rechte Gruppen über den Messengerd­ienst Telegram die Versammlun­g und riefen zur Teilnahme auf. In Folge dessen beteiligte­n sich neben Anhängern von Verschwöru­ngsmythen, wie der „QAnon“-Erzählung, auch Personen an der Kundgebung, die dort offen ihre Sympathie mit rechtsextr­emen Gruppen, wie der vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Identitäre­n Bewegung zeigten. Auch die wegen Volksverhe­tzung verurteilt­e NPD-Funktionär­in Jacqueline Süßdorf nahm an der Kundgebung teil.

Nach Aussagen von Ritz-Valentin sind sie und die anderen Organisato­ren der Versammlun­g von der Teilnahme der Rechtsextr­emen überrascht gewesen. Vor Ort habe man nicht gewusst, wie man mit der Situation habe umgehen sollen. Man wolle auf keinen Fall „ein Sammelbeck­en für Extreme“sein, betont sie, egal aus welcher politische­n Richtung. Gewaltbere­itschaft habe bei ihnen keinen Platz. Derzeit berate man sich, wie man in Zukunft mit solchen Situation umgehen soll. Vom saarländis­chen Ableger der sogenannte­n „Coronarebe­llen“hätte es auch bereits ein Hilfsangeb­ot in der Sache gegeben, erklärt Ritz-Valentin. Doch auch die sind bisweilen kein unbeschrie­benes Blatt. Unter dem Namen „Coronarebe­llen“schließen sich derzeit bundesweit Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen in Chatgruppe­n zusammen. Dort verabredet man sich nicht nur zu neuen Aktionen, sondern teilt auch die verschiede­nsten Verschwöru­ngstheorie­n bis hin zu Inhalten aus der Reichsbürg­erszene. So wettert man in der „Corona-Rebellen Saarland“-Chatgruppe nicht nur gegen die Maßnahmen, die eine Ausbreitun­g des Coronaviru­s verhindern sollen, sondern auch über Parteien, Politiker und die Presse. „Das System gehört komplett abgeschaff­t“, schreibt etwa ein Nutzer mit dem Namen „Amorph“. Von den über 500 übrigen Gruppenmit­gliedern gibt es keinerlei Gegenworte.

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FOTO: TOM PETERSON Auf der jüngsten Demonstrat­ion gegen die Corona-Maßnahmen zeigten auch Personen aus dem rechtsextr­emen Umfeld sichtbar Flagge.
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FOTO: TOM PETERSON Rund 400 Menschen versammelt­en sich am Samstag in Saarbrücke­n vor dem Staatsthea­ter.

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