Mehr Personal für Saar-Gesundheitsämter
Auch wenn die Zahl der Neuinfizierten im Saarland zurückgeht, Ziel bleibt: Infektionsketten zurückzuverfolgen und zu unterbrechen. Dafür wurde das Personal in den Gesundheitsämtern aufgestockt.
Infektionsketten zurückverfolgen und unterbrechen: Auch wenn die Zahl der Corona-Neuinfizierten im Saarland zurückgeht, bliebt es das große Ziel der Gesundheitsämter, alles über die Verbreitung des Virus zu recherchieren. Nun mit mehr Personal.
„Wir befinden uns in einer dynamischen Lage. Vor vier Wochen hatten wir noch 90 neue Fälle pro Tag“, sagt Lars Weber, Pressesprecher des Regionalverbandes Saarbrücken. Aber er sieht keinen
Grund zur Entwarnung, auch wenn die Neuinfektionszahlen derzeit „sehr, sehr gering“seien. „Niemand kann sagen, ob es eine zweite Welle geben wird.“Am Mittwoch waren im Regionalverband 41 Menschen an Covid-19 erkrankt. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner lag in den vergangenen sieben Tagen bei sieben Fällen.
In der Hochzeit der Pandemie waren mehr als 100 Arbeitskräfte für das Gesundheitsamt des Regionalverbandes im Einsatz, laut Weber eine Verzehnfachung des sonst üblichen Personals. Neben externen Mitarbeitern aus der Verwaltung wurden auch medizinische Angestellte der Krankenkassen und Kräfte vom Robert-Koch-Institut (RKI) rekrutiert. Bis auf einen Studenten, der als sogenannter „Containment Scout“hilft, Kontaktpersonen von Infizierten schnell ausfindig zu machen, sind diese Mitarbeiter inzwischen zurück in ihren jeweiligen Fachbereichen.
Ähnlich entspannt hat sich die Situation auch in den anderen saarländischen Landkreisen. Angesichts überschaubarer Zahlen sind in St. Wendel nur noch vier Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ausschließlich mit der Corona-Problematik beschäftigt, wie Pressesprecher Lukas Kowol erklärt. „Derzeit sind wir in der Lage, alle Infektionsketten vollständig nachzuverfolgen. Die relevanten Kontaktpersonen werden in jedem Fall durch das Gesundheitsamt angerufen.“Der Landkreis Saarlouis hat zusätzlich zwei befristete Mitarbeiter eingestellt, seit dem 29. April steht zudem ein Containment Scout des RKI zur Verfügung.
Von der Obergrenze von 50 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner, ab welcher die Notbremse bei Lockerungen gezogen werden soll, ist das Saarland derzeit weit entfernt. Für Dr. Jürgen Rissland,
Virologe an der Homburger Uniklinik, ist allerdings die Dynamik, mit der sich das Virus ausbreitet, entscheidender als diese absolute Grenze. „Wenn wir sehen, dass die Fallzahlen nach oben gehen, brauchen wir nicht erst eine Woche zu warten“, betont Rissland. Der Mediziner hält die Zahl zwar für einen guten Orientierungswert, „aber kein Gesundheitsamt würde warten, bis diese Zahl überschritten ist und erst dann handeln“.
Welche Maßnahmen ergriffen würden, hänge in erster Linie vom Ausbruchsgeschehen ab. Ein isolierter Ausbruch beispielsweise in einem Altersheim erfordere eine andere Vorgehensweise als ein Anstieg der Fallzahlen über den gesamten Landkreis verteilt, sagt Kowol. Das Gesundheitsamt werde in einem solchen Fall zunächst mit dem Landrat und dem Krisenstab das weitere Vorgehen besprechen, vorbereiten und eng mit dem Land abstimmen.
Im Saarpfalz-Kreis erarbeitet ein interner Stab derzeit einen Plan, der modellhaft sowohl präventive als auch restriktive Maßnahmen bei der Vorgehensweise im „Fall der Fälle“berücksichtigt. Dieser Plan wird, schreibt Landrat Dr. Theophil Gallo, voraussichtlich für längere Zeit maßgebende Grundlage der weiteren Arbeit im Rahmen der Gesundheitsvorsorge des Saarpfalz-Kreises und des Gesundheitsamtes sein.
Klar ist aber auch: In Zeiten schärferer Ausgangsbeschränkungen war der Personenkreis, mit dem die Infizierten
zu tun hatten, stark reduziert und meist nachvollziehbar. Doch mit jeder Lockerung hat sich die Anzahl der Kontaktpersonen erhöht, was die Arbeit der Gesundheitsämter erschwert. Die Fallzahlen gingen zwar zurück, aber der Aufwand habe zugenommen, erklärt Rissland. Es würden immer mehr Daten abgefragt. „Die Gesundheitsämter haben exzellente Arbeit geleistet. Jetzt steigt der Anspruch, dass die Kontaktverfolgung mit Details angereichert wird.“
Um dieser Aufgabe Herr werden zu können, hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte April angekündigt, dass jedes der knapp 400 Gesundheitsämter „unbürokratisch“150 000 Euro zum Auf- und Ausbau der digitalen Infrastruktur erhalten soll. Gallo warnt aber, dass eine einmalige Finanzhilfe gewiss nicht ausreichen werde. „Die Verlagerung der Verantwortung von oben auf die Landkreisebene wird weitergehende organisatorische, finanzielle und personelle Konsequenzen haben. Auch wird zu prüfen sein, ob und inwieweit wir mit anderen kritischen, eventuell deutlich niedrigeren Fallzahlen arbeiten müssen statt den zunächst vorgegebenen 50 Neuinfektionen. Ich schließe nicht aus, dass wir im Zuge einer effizienten Eindämmung bereits früher eingreifen werden müssen“, betont der Saarpfalz-Landrat. Und dann müsse neben weiterer Digitalisierung auch über mehr Personal geredet werden.
„Wenn wir sehen, dass
die Fallzahlen nach oben gehen, brauchen wir nicht erst eine Woche zu warten.“
Jürgen Rissland
Virologe an der Homburger Uniklinik