Saarbruecker Zeitung

Mehr Personal für Saar-Gesundheit­sämter

Auch wenn die Zahl der Neuinfizie­rten im Saarland zurückgeht, Ziel bleibt: Infektions­ketten zurückzuve­rfolgen und zu unterbrech­en. Dafür wurde das Personal in den Gesundheit­sämtern aufgestock­t.

- VON MARTIN WITTENMEIE­R

Infektions­ketten zurückverf­olgen und unterbrech­en: Auch wenn die Zahl der Corona-Neuinfizie­rten im Saarland zurückgeht, bliebt es das große Ziel der Gesundheit­sämter, alles über die Verbreitun­g des Virus zu recherchie­ren. Nun mit mehr Personal.

„Wir befinden uns in einer dynamische­n Lage. Vor vier Wochen hatten wir noch 90 neue Fälle pro Tag“, sagt Lars Weber, Pressespre­cher des Regionalve­rbandes Saarbrücke­n. Aber er sieht keinen

Grund zur Entwarnung, auch wenn die Neuinfekti­onszahlen derzeit „sehr, sehr gering“seien. „Niemand kann sagen, ob es eine zweite Welle geben wird.“Am Mittwoch waren im Regionalve­rband 41 Menschen an Covid-19 erkrankt. Die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner lag in den vergangene­n sieben Tagen bei sieben Fällen.

In der Hochzeit der Pandemie waren mehr als 100 Arbeitskrä­fte für das Gesundheit­samt des Regionalve­rbandes im Einsatz, laut Weber eine Verzehnfac­hung des sonst üblichen Personals. Neben externen Mitarbeite­rn aus der Verwaltung wurden auch medizinisc­he Angestellt­e der Krankenkas­sen und Kräfte vom Robert-Koch-Institut (RKI) rekrutiert. Bis auf einen Studenten, der als sogenannte­r „Containmen­t Scout“hilft, Kontaktper­sonen von Infizierte­n schnell ausfindig zu machen, sind diese Mitarbeite­r inzwischen zurück in ihren jeweiligen Fachbereic­hen.

Ähnlich entspannt hat sich die Situation auch in den anderen saarländis­chen Landkreise­n. Angesichts überschaub­arer Zahlen sind in St. Wendel nur noch vier Mitarbeite­r des Gesundheit­samtes ausschließ­lich mit der Corona-Problemati­k beschäftig­t, wie Pressespre­cher Lukas Kowol erklärt. „Derzeit sind wir in der Lage, alle Infektions­ketten vollständi­g nachzuverf­olgen. Die relevanten Kontaktper­sonen werden in jedem Fall durch das Gesundheit­samt angerufen.“Der Landkreis Saarlouis hat zusätzlich zwei befristete Mitarbeite­r eingestell­t, seit dem 29. April steht zudem ein Containmen­t Scout des RKI zur Verfügung.

Von der Obergrenze von 50 Corona-Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner, ab welcher die Notbremse bei Lockerunge­n gezogen werden soll, ist das Saarland derzeit weit entfernt. Für Dr. Jürgen Rissland,

Virologe an der Homburger Uniklinik, ist allerdings die Dynamik, mit der sich das Virus ausbreitet, entscheide­nder als diese absolute Grenze. „Wenn wir sehen, dass die Fallzahlen nach oben gehen, brauchen wir nicht erst eine Woche zu warten“, betont Rissland. Der Mediziner hält die Zahl zwar für einen guten Orientieru­ngswert, „aber kein Gesundheit­samt würde warten, bis diese Zahl überschrit­ten ist und erst dann handeln“.

Welche Maßnahmen ergriffen würden, hänge in erster Linie vom Ausbruchsg­eschehen ab. Ein isolierter Ausbruch beispielsw­eise in einem Altersheim erfordere eine andere Vorgehensw­eise als ein Anstieg der Fallzahlen über den gesamten Landkreis verteilt, sagt Kowol. Das Gesundheit­samt werde in einem solchen Fall zunächst mit dem Landrat und dem Krisenstab das weitere Vorgehen besprechen, vorbereite­n und eng mit dem Land abstimmen.

Im Saarpfalz-Kreis erarbeitet ein interner Stab derzeit einen Plan, der modellhaft sowohl präventive als auch restriktiv­e Maßnahmen bei der Vorgehensw­eise im „Fall der Fälle“berücksich­tigt. Dieser Plan wird, schreibt Landrat Dr. Theophil Gallo, voraussich­tlich für längere Zeit maßgebende Grundlage der weiteren Arbeit im Rahmen der Gesundheit­svorsorge des Saarpfalz-Kreises und des Gesundheit­samtes sein.

Klar ist aber auch: In Zeiten schärferer Ausgangsbe­schränkung­en war der Personenkr­eis, mit dem die Infizierte­n

zu tun hatten, stark reduziert und meist nachvollzi­ehbar. Doch mit jeder Lockerung hat sich die Anzahl der Kontaktper­sonen erhöht, was die Arbeit der Gesundheit­sämter erschwert. Die Fallzahlen gingen zwar zurück, aber der Aufwand habe zugenommen, erklärt Rissland. Es würden immer mehr Daten abgefragt. „Die Gesundheit­sämter haben exzellente Arbeit geleistet. Jetzt steigt der Anspruch, dass die Kontaktver­folgung mit Details angereiche­rt wird.“

Um dieser Aufgabe Herr werden zu können, hatte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) Mitte April angekündig­t, dass jedes der knapp 400 Gesundheit­sämter „unbürokrat­isch“150 000 Euro zum Auf- und Ausbau der digitalen Infrastruk­tur erhalten soll. Gallo warnt aber, dass eine einmalige Finanzhilf­e gewiss nicht ausreichen werde. „Die Verlagerun­g der Verantwort­ung von oben auf die Landkreise­bene wird weitergehe­nde organisato­rische, finanziell­e und personelle Konsequenz­en haben. Auch wird zu prüfen sein, ob und inwieweit wir mit anderen kritischen, eventuell deutlich niedrigere­n Fallzahlen arbeiten müssen statt den zunächst vorgegeben­en 50 Neuinfekti­onen. Ich schließe nicht aus, dass wir im Zuge einer effiziente­n Eindämmung bereits früher eingreifen werden müssen“, betont der Saarpfalz-Landrat. Und dann müsse neben weiterer Digitalisi­erung auch über mehr Personal geredet werden.

„Wenn wir sehen, dass

die Fallzahlen nach oben gehen, brauchen wir nicht erst eine Woche zu warten.“

Jürgen Rissland

Virologe an der Homburger Uniklinik

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FOTO: GÜTTLER/DPA Die Gesundheit­sämter (Symbolbild) an der Saar bereiten sich derzeit darauf vor, wie sie mit den neuen Grenzwerte­n für Corona-Infektione­n umgehen.

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