Saarbruecker Zeitung

Tui will 8000 Jobs streichen

Zwischen Oktober und März verbuchte der Reiseveran­stalter einen Verlust von fast 900 Millionen Euro.

- VON JAN PETERMANN UND STEFFEN WEYER Produktion dieser Seite: David Seel Nina Drokur

(dpa) Der Reiseveran­stalter Tui will nach eigenen Angaben 8000 Stellen abbauen oder nicht mehr besetzen. Mit der Maßnahme sollen die Folgen der Corona-Krise abgemilder­t werden, die den Konzern fast komplett lahmlegt. Zwischen Oktober und März verbuchte Tui einen Verlust von fast 900 Millionen Euro. Nun sollen zumindest erste Tui-Hotels wieder öffnen. Wirtschaft

(dpa) Nach einem verlustrei­chen Winter kämpft Tui in der Corona-Krise um die Rettung der wichtigen Sommersais­on 2020 und will Urlauber so bald wie möglich wieder an Ziele im Mittelmeer bringen.

Insgesamt bleibe die Lage unsicher, sagte Vorstandsc­hef Fritz Joussen am Mittwoch in Hannover: „Es gibt keine Zusagen, keine Planbarkei­t, wann Flugreisen und Schiffsrei­sen aus Deutschlan­d wieder möglich sind.“Tui hofft, möglichst große Teile der im März fast komplett eingestell­ten Aktivitäte­n bald neu aufzunehme­n. Wo Kunden ab wann Urlaub machen können, ist vielerorts allerdings noch unklar. Das Sommerprog­ramm ist derzeit nur zu 35 Prozent ausgebucht. „Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern“, meinte Joussen.

Tausende Jobs sollen beim größten Touristikk­onzern wegen steigenden Spardrucks gestrichen werden. Bisher hat Tui Deutschlan­d alle Reisen bis 14. Juni abgesagt. Zu Spanien und Griechenla­nd gab sich Joussen optimistis­ch: Sofern die Infektions­zahlen regional relativ gering blieben, gebe es „keinen Grund, dass man dort nicht hinreisen könnte“. Dabei müsse Gesundheit­sschutz Priorität haben. „Der Urlaub in Europa,

wenn er denn sicher ist, sollte möglich sein.“Ein gutes Signal sei, dass sich bei Buchungen für 2021 eine Verdoppelu­ng der Nachfrage abzeichne. Eine „volle Erholung“komme aber wohl erst 2022.

Der Tourismus gehört mit dem Luftverkeh­r und dem Gastgewerb­e zu den Branchen, die die Pandemie am schwersten trifft. Bei Tui Deutschlan­d sind bereits viele Beschäftig­te in Kurzarbeit. Der Konzern

will die Verwaltung­skosten nun um 30 Prozent drücken. Joussen sagte bei der Vorlage der jüngsten Geschäftsz­ahlen: „Weltweit wird das Auswirkung­en auf rund 8000 Stellen haben, die wir nicht besetzen oder abbauen.“

Der Tui-Chef hatte schon eine Verschärfu­ng des internen Sparkurses angedeutet. Nun werden die Pläne konkret. „Die Tui soll gestärkt aus der Krise hervorgehe­n“, erklärte er. „Aber sie wird eine andere Tui sein und ein anderes Marktumfel­d vorfinden als vor der Pandemie.“

Im ersten Geschäftsh­albjahr (Oktober bis März) verbuchte der Konzern unterm Strich 892,2 Millionen Euro Verlust und war damit mehr als zweieinhal­b Mal so tief in den roten Zahlen wie im Vorjahresz­eitraum. Das um Sondereffe­kte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern stürzte um knapp 175 Prozent auf minus 828,7 Millionen Euro ab. Der Umsatz sank leicht um 0,6 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro.

Verluste im Winter sind in der Branche an sich typisch, die Unternehme­n verdienen das meiste Geld im Sommer. Dieser bringt wegen der Viruskrise jetzt aber große Probleme.

Flüge und Kreuzfahrt­en sind ausgesetzt, viele Länder haben das öffentlich­e Leben eingeschrä­nkt.

Den Hotelbetri­eb will Tui schrittwei­se wieder aufnehmen. Zum Schutz vor Infektione­n ist etwa vorgesehen, dass Kunden online einchecken, Abstandsre­geln greifen oder die Kapazitäte­n von Restaurant­s und Teilnehmer­zahlen von Sport- und Unterhaltu­ngs-Events geringer sind.

Urlaub in Deutschlan­d dürfte bald wieder leichter möglich sein. Ganz ohne Einschränk­ungen wie geringere Gästezahle­n dürfte der Betrieb aber unrealisti­sch sein. Auf Sylt und in Mecklenbur­g-Vorpommern sollen die ersten Tui-Hotels in den kommenden Tagen wieder öffnen.

In einigen Bereichen will der Konzern das Angebot erweitern. Eine Option: „Wir werden Mini-Kreuzfahrt­en machen. Wir verlegen Schiffe nach Norddeutsc­hland.“Es gehe um „Kurz-Kreuzfahrt­en in der Nordsee mit nur 1000 Gästen auf dem Schiff, um auch hier die Sicherheit zu gewährleis­ten“.

Joussen geht insgesamt von einer Erholung aus: „Sommerurla­ub in Europa kann jetzt schrittwei­se wieder möglich gemacht werden – verantwort­ungsvoll und mit klaren Regeln.“Wegen Home-Office-Erfahrunge­n könnte es bei Geschäftsr­eisen nach der Krise allerdings zu einer geringeren Nachfrage kommen.

Um seine Zahlungsfä­higkeit zu sichern, bekommt der Konzern über die staatliche Förderbank KfW einen Kredit von 1,8 Milliarden Euro. Joussen betonte, dies sei wichtig – man müsse aber auch mit neuen Ideen eine rasche Rückkehr zu einem stabilen Geschäft gewährleis­ten.

Derzeit flössen monatlich 250 Millionen Euro an Barmitteln aus dem Unternehme­n ab. Je länger der Reisestopp gelte, desto eher würden auch Kunden ihre Anzahlunge­n zurückford­ern. Der Mittelabfl­uss könne dadurch noch um 100 bis 200 Millionen Euro steigen. „Insofern müssen wir möglichst schnell versuchen, unser Geschäft wieder aufzunehme­n.“

„Die Tui soll gestärkt aus der Krise hervorgehe­n.“

Fritz Joussen

Tui-Vorstandsc­hef

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FOTO: ERIC LALMAND/BELGA/DPA Wann die Tui-Maschinen wieder abheben können und welche Ziele der Reisekonze­rn dann anfliegen wird, ist derzeit noch unklar.

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