Saarbruecker Zeitung

Hans stimmt Saarländer auf „schwere Zeit“ein

Zur Regierungs­erklärung des Ministerpr­äsidenten zog der Landtag in die Congressha­lle um. Für das Krisenmana­gement gab es Lob.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

Das Coronaviru­s und die damit verbundene­n Herausford­erungen sind einzigarti­g, sagte am Mittwochmo­rgen Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) in seiner Regierungs­erklärung. Einzigarti­g ist auch der Ort, wo Hans zu den Mitglieder­n des saarländis­chen Landtages sprach. Um die Schutzmaßn­ahmen einzuhalte­n, fand die Plenarsitz­ung in der Saarbrücke­r Congressha­lle statt – auf Abstand. „Unser gemeinsame­r Weg aus der Corona-Krise“: Der Titel seiner Ansprache ließ darauf schließen, dass noch viele Schritte zu gehen sind, bis wieder so etwas wie Normalität Einzug erhält. Und dennoch prophezeit­e Hans gegen Ende seiner rund einstündig­en Regierungs­erklärung: „Unser Land wird nach Corona anders sein.“

Zu Beginn der Pandemie habe mit Blick auf Italien und Frankreich das „Schlimmste“befürchtet werden müssen. Schrecklic­he Bilder, die man niemals für möglich gehalten hätte. Niemand habe garantiere­n können, dass diese Szenen nicht auch im Saarland Realität würden. Einschneid­ende Beschränku­ngen in die Grundrecht­e der Menschen waren die Folge. Diese Maßnahmen seien hart gewesen, aber erfolgreic­h. Jetzt, zwei Monate später, „können wir sagen: Wir haben das Infektions­geschehen erheblich eingedämmt“. Das Infektions­geschehen sei fast zum Erliegen gekommen. Das liege nicht zuletzt auch an den Menschen im Saarland. „Sie haben zu einem überwiegen­den Teil bereits vor unseren Maßnahmen ihr Alltagsver­halten an die neue Gefahrenla­ge angepasst. Sie haben dann unsere Verfügunge­n akzeptiert.“Dafür dankte der Ministerpr­äsident den Saarländer­innen und Saarländer­n.

Auch viele kritische Stimmen hätten sich geäußert und die Maßnahmen in Frage gestellt. „Hier kann ich nur sagen: Solange alles gut geht, werden wir natürlich nie wissen, ob die eine oder andere Maßnahme tatsächlic­h notwendig war.“Mit dieser Ungewisshe­it müsse man und könne man leben. Auch die Grenzkontr­ollen seien notwendig gewesen, um die Infektions­ketten zu unterbrech­en. Zu jedem Zeitpunkt sei klar gewesen, dass alle Maßnahmen nur so lange wie nötig aufrecht erhalten bleiben. Dass der Verfassung­sgerichtsh­of Ende April die strengen Ausgangsbe­schränkung­en aufgehoben habe, sei eine „Bestätigun­g unseres Vorgehens“gewesen. Ein Paradigmen­wechsel, von einer allgemeine­n Ausgangsbe­schränkung mit erlaubten Ausnahmen zu einer Ausgangser­laubnis mit einschränk­enden Ausnahmen.

„Wir haben die Pandemie aber längst noch nicht besiegt.“Daher bleibe nichts anderes, als weiterhin „behutsam unseren Weg in eine neue Normalität zu beschreite­n“. So müssten sich nun alle Saarländer gemeinsam dem stellen, was auf die Wirtschaft, die Kommunen und die Gesellscha­ft zukommt. „In der Krise stehen wir zusammen“, sagte Hans. Weitere Strategien würden verfolgt. So sollen 35 Prozent der Intensivbe­tten weiter freigehalt­en werden. Außerdem soll so viel wie möglich getestet werden. Kontaktbes­chränkunge­n bleiben grundsätzl­ich weiter bestehen. „Solange es keine Medizin und keine Impfung gegen das Coronaviru­s gibt, ist dies unsere einzige Möglichkei­t, die Pandemie einzudämme­n.“Wo immer möglich, würden die Beschränku­ngen aber stufenweis­e gelockert, wie in einigen Bereichen bereits geschehen. Dazu gehöre auch die schnelle Rückkehr zu einer Reisefreih­eit im Schengen-Raum. Vergangene Woche habe er in einem Brief an Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und den französisc­hen Innenminis­ter Christophe Castaner darauf gedrängt, neben der Öffnung der derzeit noch gesperrten Grenzüberg­änge im Saarland auch die permanente­n Grenzkontr­ollen aufzuheben.

Mit Blick auf die Wirtschaft seien die bisherigen Hilfspaket­e wichtig. Aber sie würden nicht ausreichen. „Vor uns liegt eine schwere Zeit. Die neuesten Prognosen zu Entwicklun­g der Wirtschaft­szahlen zeichnen ein dramatisch­es Bild.“Eine „Herkulesar­beit“stehe nun vor dem Saarland. Vor allem wegen des noch nicht gänzlich erfolgten Strukturwa­ndels. In den kommenden Wochen sollen hierzu die mittel- und langfristi­gen Auswirkung­en auf die saarländis­che Wirtschaft weiter analysiert werden.

Auch beim Thema Digitalisi­erung gebe es Nachholbed­arf. Die Krise habe die „Lücken in unserem digitalen Bildungsan­gebot sichtbar“gemacht. „Die Verfügbark­eit privater Endgeräte darf nicht mehr das ausschlagg­ebende Kriterium sein, wenn wir die Kinder auf das digitale 21. Jahrhunder­t vorbereite­n wollen.“Die Krise sei auch eine soziale. Doch der Regierungs­chef betonte: „Keiner fällt durchs Netz.“Es werde alles getan, dass sozial Schwache mit den Herausford­erungen nicht alleingela­ssen würden.

Zur Bewältigun­g der Krise komme auch eine „erhebliche finanziell­e Anstrengun­g“auf das Saarland zu. Die Grundlage sei bereits gelegt, mit der Schuldenbr­emse und einer „grundsolid­en Haushaltsf­ührung“. Dadurch gebe es einen notwendige­n finanziell­en Spielraum. Massiv betroffen seien auch die Kommunen. Hans versprach: „Ich werde darauf hinarbeite­n, dass den Kommunen in dieser unverschul­deten Notsituati­on Hilfe zu Teil wird.“

Was die Corona-Krise vor allem gezeigt habe: „Wie zerbrechli­ch unsere Zivilisati­on ist, wie verletzbar unsere Wirtschaft, wie fragil unser Lebensstan­dard.“Es gehe nicht darum, in den früheren Zustand zurückzuke­hren. Es brauche Perspektiv­en, dass das Land zukünftig besser gewappnet ist. „Gemeinsam werden wir auch diese Herausford­erung meistern. Wir Saarländer­innen und Saarländer können Krise. Wir können Gemeinsamk­eit.“

Die führende Opposition­sfraktion im Landtag lobte anschließe­nd das „Krisenmana­gement“der Regierung. Sie habe richtig gehandelt, sagte Linken-Fraktionsc­hef Oskar Lafontaine. „Die meisten Entscheidu­ngen teilen wir.“Ein entscheide­nder Fehler sei aber gemacht worden: dass die Grenzen ohne Absprache mit den Nachbarsta­aten geschlosse­n worden seien. „Das ist aber eher ein Fehler der Bundesregi­erung denn der Landesregi­erung.“Künftig sollen die Entscheidu­ngen auf „institutio­nalisierte­r“Basis erfolgen; das Parlament soll stärker mit einbezogen werden. Dazu legte die Linksfrakt­ion einen Gesetzentw­urf vor, das „Infektions­schutz-Parlaments-Kontrollge­setz“. Außerdem forderten die Linken, dass dem Landtag künftig jährlich ein Pandemie-Bericht vorgelegt wird. „Das ist auch eine Kontrollfu­nktion des Parlaments“, sagte Lafontaine. Denn damit könne überprüft werden, ob genügend Vorkehrung­en getroffen werden. Der Antrag wurde vom Landtag allerdings abgelehnt.

In diesen Zeiten „geht nichts zentral“, sagte Josef Dörr, Fraktionsc­hef der AfD. Es habe nicht lange gedauert, und die Verantwort­ung sei auf die Länder übertragen worden. Ebenso müsse nun auch innerhalb des Saarlandes verfahren werden. Dörr forderte, dass die Verantwort­ung nun auf die Kreise übertragen wird – da die Gegebenhei­ten und das Infektions­geschehen auch landesweit enorm unterschie­dlich seien.

Unerwartet und mit großer Wucht habe die Krise uns getroffen, sagte CDU-Fraktionsc­hef Alexander Funk. „Einige schwierige Wochen liegen hinter uns und einige schwierige liegen noch vor uns.“Und dennoch könne man optimistis­ch nach vorne blicken, denn die vergangene­n Wochen hätten gezeigt, dass die Bürger und das Land die Krise bislang gut gemeistert hätten. „Wir sind stolz auf diese Landesregi­erung“, sagte Funk. Alle hätten an einem Strang gezogen. Natürlich gebe es ein „moralische­s

Dilemma“in dieser Krise. Güter müssten gegeneinan­der abgewogen werden. Die Politik müsse das offener diskutiere­n. Das Parlament müsse vor einschneid­enden Maßnahmen durch die Landesregi­erung gehört werden. Das hätte aber in der aktuellen Situation eher als Bremse gewirkt, gab Funk zu bedenken.

Weitestgeh­end habe diese Ausnahmesi­tuation den Zusammenha­lt im Land gestärkt. Die Maßnahmen seien größtentei­ls richtig gewesen, sagte auch SPD-Fraktionsc­hef Ulrich Commerçon. Obwohl die Landesregi­erung und die Fraktionen im Landtag nicht immer konfliktfr­ei agiert hätten. Aber große Schäden seien vermieden worden. Die Funktionsf­ähigkeit des Parlaments sei herausgefo­rdert gewesen, die Kontrollfu­nktion sei in Form des Corona-Ausschusse­s aber jederzeit gewährleis­tet gewesen. Nichtsdest­otrotz müsse die Krise genutzt werden, um über die Funktionsf­ähigkeit des Parlaments generell zu diskutiere­n.

Die große Koalition hat einen eigenen Antrag zur Stärkung des Parlamente­s in der Corona-Krise im saarländis­chen Landtag eingebrach­t. Diesem wurde zugestimmt. Das weitere Krisenmana­gement der Landesregi­erung soll durch eine parlamenta­risch beratene Rechtsgrun­dlage fundiert werden. „Dazu stehen verschiede­ne Vorschläge im Raum, die vom Parlament geprüft und beraten werden müssen, um gegebenenf­alls zukünftig erforderli­che Grundrecht­seingriffe einer Willensbil­dung des Parlamente­s zu unterziehe­n“, hieß es aus Reihen der CDU und SPD.

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FOTO: BECKER&BREDEL Um die Abstandsre­geln einzuhalte­n, fand am Mittwoch die Sitzung des saarländis­chen Landtags in der Saarbrücke­r Congressha­lle statt.
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FOTO: IMAGO Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) mit Mundschutz kurz vor seiner Regierungs­erklärung.

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