„Kunst in Raten“, eine Rettungsaktion für die Kultur.
Der Saarbrücker Kulturunternehmer hat sich das Konzept „Kunst auf Raten“ausgedacht, um die Kultur über Corona zu retten.
„Das Ganze ist für uns sehr emotional“, sagt Julian Blomann und entschuldigt sich gleich mal dafür, dass er vielleicht im Interview nicht immer sachlich sein werde. „Das Ende unserer Firma wird sichtbar, das lässt einen nicht kalt“. Die Firma ist die Agentur Erlebnisraum, die so genannte Event-Kultur anbietet und viele Jahre das Kultur-Gasthaus Baker Street in der Mainzer Straße bespielte. Gerade erst ist man ins frühere Theater Blauer Hirsch in St. Arnual umgezogen, wo unter anderem ein großer Theatersaal bespielt werden kann. Oder eher könnte.
Die „Baker Street im Hirsch“hatte nach längerer Renovierung gerade erst losgelegt, da kam Corona… Wie geht es Ihnen jetzt?
Julian Blomann: Im März hätten wir
eigentlich offiziell eröffnet und unser Kulturprogramm gestartet. Daraus wurde dann leider nichts. Dementsprechend sind wir finanziell inzwischen in einer dramatischen Situation. Von Seiten der Kulturpolitik werden wir nicht gefördert, weil wir dort zur sogenannten „kommerziellen“Kultur gezählt werden. Und die Hilfen vom Wirtschaftsministerium reichen gemessen an den Kosten sowieso nur eineinhalb Monate. Bald gehen bei uns die Lichter aus bevor sie wirklich angegangen sind.
Sie haben nun das Konzept „Kunst auf Raten“entwickelt, um sowohl Künstlerinnen und Künstlern als auch Veranstaltern zu helfen. Wie kann man sich das vorstellen?
Julian Blomann: Künstler und Spielstätten
haben im Moment zwei Probleme. Ein akutes, es fehlt Geld für das tägliche Leben. Und ein drohendes, die fehlende Zukunftsperspektive. Sowohl Künstler wie Spielstätten sind darauf angewiesen, die jeweils kommende Saison zu planen. Termine zu vereinbaren und Eintrittskarten zu verkaufen. Im Moment können wir aber keine Termine machen, weil niemand sagen kann, ab wann es wieder möglich ist, Veranstaltungen durchzuführen. Das heißt, akut fehlt uns das Geld, weil wir die schon verkauften Tickets nicht einlösen können und im schlimmsten Fall zurückerstatten müssen und damit ja auch keine Gagen bezahlen können. Und selbst, wenn wir wieder öffnen dürfen, kann man nicht von heute auf morgen eine Spielzeit mit Terminen füllen.
Und wie setzt „Kunst auf Raten“da ein?
Julian Blomann: Das Konzept ist im Grunde recht einfach. Wir planen Veranstaltungen ohne Termin. Für diese verkaufen wir aber schon Tickets, von uns als Kunst-Bons (KuBos) bezeichnet, das ist die erste Rate. Die Erlöse aus diesen KuBos kommen komplett und umgehend den Künstlern zu Gute. Erst wenn ein Termin festgelegt werden kann und der Gast sicher ist, dass er kommen kann, zahlt er an der Abendkasse die zweite Rate an uns, die Spielstätte, mit der wir dann unsere Kosten decken.
Wenn ich es richtig sehe, hilft aber diese „Kunst auf Raten“ja erstmal nur den Künstlern. Sie als Veranstalter bekommen Ihren Anteil ja erst viel später. Was versprechen Sie sich also davon?
Julian Blomann: Es stimmt, wir bekommen erst einmal kein Geld. Allerdings können wir damit die kommende Saison planen und laufen nicht Gefahr, kein Programm und damit keine Gäste zu haben. Dies ist im Moment für uns noch viel bedrohlicher, als komplett geschlossen zu haben. Somit ist es eine Win-Win-Win-Situation. Der Künstler gewinnt, weil er schnell Geld bekommt, wir gewinnen, weil wir eine Zukunftsperspektive haben, und der Gast gewinnt, weil er sich auf eine kommende Saison freuen kann, in der es noch kulturelle Veranstaltungen gibt.
Sie leben davon, Kultur und Unterhaltung anzubieten, damit ist Ihr Betrieb von den Corona-Maßnahmen besonders betroffen. Haben Sie Mitarbeiter entlassen oder in Kurzarbeit schicken müssen?
Julian Blomann: Leider beides. Wir mussten sofort unsere Aushilfen entlassen. Nicht zu vergessen unsere große Zahl an freien Schauspielern, die kein Engagement mehr haben. Unsere Festangestellten sind darüber hinaus in Kurzarbeit. Das mag jetzt auf den ersten Blick wie das kleinere Problem klingen, hierbei muss man aber bedenken, dass wir in einer Niedriglohnbranche arbeiten. Mein Gehalt als Geschäftsführer entspricht eher dem einer Krankenschwester als dem eines Assistenzarztes, und da können Sie sich vorstellen, wie es um die Gehälter unserer Mitarbeiter bestellt ist. Davon 60 Prozent ist nichts, was einem das Leben auf Dauer leichter macht.
Als Kreativ-Unternehmer sind Sie ja sicher auch in Kontakt mit den staatlichen Stellen. Haben Sie das Gefühl, dass sich Stadt und Land hier ausreichend um Ihre Belange kümmern?
Julian Blomann: Leider überhaupt nicht. Die speziellen Nöte unserer Branche werden nicht gesehen. Bisherige Kontaktversuche mit der Bitte um einen Dialog blieben weitgehend fruchtlos, und darüber hinaus müssen wir noch um die Anerkennung als Kulturschaffende kämpfen, weil die Politik hier eine künstliche Kluft zwischen staatlich geförderter institutioneller Kunst, wie z.B. der sogenannten freien Szene oder dem Staatstheater, und uns und unseren Künstlern aufmacht.
Die Landeshauptstadt hat im Kulturbereich bisher öffentlich nicht besonders viel von sich hören lassen. Erleben Sie das anders? Gab es Gespräche und Hilfsangebote?
Julian Blomann: Es gab bisher bis auf eine Abfrage per Fragebogen und das ein oder andere inoffizielle Gespräch leider keinerlei Hilfsangebot. Ich habe das Gefühl, das zumindest der Oberbürgermeister tatsächlich etwas tun möchte, aber gleichzeitig habe ich leider das Gefühl, dass man sich die für eine Kommune übliche Zeit nimmt. Wir haben aber keine Zeit mehr. Das Wasser steht uns an der Nasenspitze, wenn nicht jetzt etwas geschieht, wird es nach der Krise sehr still und trist in der Kulturlandschaft.
„Wenn nicht jetzt etwas geschieht, wird es nach der Krise sehr still und trist“
Julian Blomann