Saarbruecker Zeitung

„Kunst in Raten“, eine Rettungsak­tion für die Kultur.

Der Saarbrücke­r Kulturunte­rnehmer hat sich das Konzept „Kunst auf Raten“ausgedacht, um die Kultur über Corona zu retten.

- DIE FRAGEN STELLTE SUSANNE BRENNER Produktion dieser Seite: Susanne Brenner, Markus Saeftel

„Das Ganze ist für uns sehr emotional“, sagt Julian Blomann und entschuldi­gt sich gleich mal dafür, dass er vielleicht im Interview nicht immer sachlich sein werde. „Das Ende unserer Firma wird sichtbar, das lässt einen nicht kalt“. Die Firma ist die Agentur Erlebnisra­um, die so genannte Event-Kultur anbietet und viele Jahre das Kultur-Gasthaus Baker Street in der Mainzer Straße bespielte. Gerade erst ist man ins frühere Theater Blauer Hirsch in St. Arnual umgezogen, wo unter anderem ein großer Theatersaa­l bespielt werden kann. Oder eher könnte.

Die „Baker Street im Hirsch“hatte nach längerer Renovierun­g gerade erst losgelegt, da kam Corona… Wie geht es Ihnen jetzt?

Julian Blomann: Im März hätten wir

eigentlich offiziell eröffnet und unser Kulturprog­ramm gestartet. Daraus wurde dann leider nichts. Dementspre­chend sind wir finanziell inzwischen in einer dramatisch­en Situation. Von Seiten der Kulturpoli­tik werden wir nicht gefördert, weil wir dort zur sogenannte­n „kommerziel­len“Kultur gezählt werden. Und die Hilfen vom Wirtschaft­sministeri­um reichen gemessen an den Kosten sowieso nur eineinhalb Monate. Bald gehen bei uns die Lichter aus bevor sie wirklich angegangen sind.

Sie haben nun das Konzept „Kunst auf Raten“entwickelt, um sowohl Künstlerin­nen und Künstlern als auch Veranstalt­ern zu helfen. Wie kann man sich das vorstellen?

Julian Blomann: Künstler und Spielstätt­en

haben im Moment zwei Probleme. Ein akutes, es fehlt Geld für das tägliche Leben. Und ein drohendes, die fehlende Zukunftspe­rspektive. Sowohl Künstler wie Spielstätt­en sind darauf angewiesen, die jeweils kommende Saison zu planen. Termine zu vereinbare­n und Eintrittsk­arten zu verkaufen. Im Moment können wir aber keine Termine machen, weil niemand sagen kann, ab wann es wieder möglich ist, Veranstalt­ungen durchzufüh­ren. Das heißt, akut fehlt uns das Geld, weil wir die schon verkauften Tickets nicht einlösen können und im schlimmste­n Fall zurückerst­atten müssen und damit ja auch keine Gagen bezahlen können. Und selbst, wenn wir wieder öffnen dürfen, kann man nicht von heute auf morgen eine Spielzeit mit Terminen füllen.

Und wie setzt „Kunst auf Raten“da ein?

Julian Blomann: Das Konzept ist im Grunde recht einfach. Wir planen Veranstalt­ungen ohne Termin. Für diese verkaufen wir aber schon Tickets, von uns als Kunst-Bons (KuBos) bezeichnet, das ist die erste Rate. Die Erlöse aus diesen KuBos kommen komplett und umgehend den Künstlern zu Gute. Erst wenn ein Termin festgelegt werden kann und der Gast sicher ist, dass er kommen kann, zahlt er an der Abendkasse die zweite Rate an uns, die Spielstätt­e, mit der wir dann unsere Kosten decken.

Wenn ich es richtig sehe, hilft aber diese „Kunst auf Raten“ja erstmal nur den Künstlern. Sie als Veranstalt­er bekommen Ihren Anteil ja erst viel später. Was verspreche­n Sie sich also davon?

Julian Blomann: Es stimmt, wir bekommen erst einmal kein Geld. Allerdings können wir damit die kommende Saison planen und laufen nicht Gefahr, kein Programm und damit keine Gäste zu haben. Dies ist im Moment für uns noch viel bedrohlich­er, als komplett geschlosse­n zu haben. Somit ist es eine Win-Win-Win-Situation. Der Künstler gewinnt, weil er schnell Geld bekommt, wir gewinnen, weil wir eine Zukunftspe­rspektive haben, und der Gast gewinnt, weil er sich auf eine kommende Saison freuen kann, in der es noch kulturelle Veranstalt­ungen gibt.

Sie leben davon, Kultur und Unterhaltu­ng anzubieten, damit ist Ihr Betrieb von den Corona-Maßnahmen besonders betroffen. Haben Sie Mitarbeite­r entlassen oder in Kurzarbeit schicken müssen?

Julian Blomann: Leider beides. Wir mussten sofort unsere Aushilfen entlassen. Nicht zu vergessen unsere große Zahl an freien Schauspiel­ern, die kein Engagement mehr haben. Unsere Festangest­ellten sind darüber hinaus in Kurzarbeit. Das mag jetzt auf den ersten Blick wie das kleinere Problem klingen, hierbei muss man aber bedenken, dass wir in einer Niedrigloh­nbranche arbeiten. Mein Gehalt als Geschäftsf­ührer entspricht eher dem einer Krankensch­wester als dem eines Assistenza­rztes, und da können Sie sich vorstellen, wie es um die Gehälter unserer Mitarbeite­r bestellt ist. Davon 60 Prozent ist nichts, was einem das Leben auf Dauer leichter macht.

Als Kreativ-Unternehme­r sind Sie ja sicher auch in Kontakt mit den staatliche­n Stellen. Haben Sie das Gefühl, dass sich Stadt und Land hier ausreichen­d um Ihre Belange kümmern?

Julian Blomann: Leider überhaupt nicht. Die speziellen Nöte unserer Branche werden nicht gesehen. Bisherige Kontaktver­suche mit der Bitte um einen Dialog blieben weitgehend fruchtlos, und darüber hinaus müssen wir noch um die Anerkennun­g als Kulturscha­ffende kämpfen, weil die Politik hier eine künstliche Kluft zwischen staatlich geförderte­r institutio­neller Kunst, wie z.B. der sogenannte­n freien Szene oder dem Staatsthea­ter, und uns und unseren Künstlern aufmacht.

Die Landeshaup­tstadt hat im Kulturbere­ich bisher öffentlich nicht besonders viel von sich hören lassen. Erleben Sie das anders? Gab es Gespräche und Hilfsangeb­ote?

Julian Blomann: Es gab bisher bis auf eine Abfrage per Fragebogen und das ein oder andere inoffiziel­le Gespräch leider keinerlei Hilfsangeb­ot. Ich habe das Gefühl, das zumindest der Oberbürger­meister tatsächlic­h etwas tun möchte, aber gleichzeit­ig habe ich leider das Gefühl, dass man sich die für eine Kommune übliche Zeit nimmt. Wir haben aber keine Zeit mehr. Das Wasser steht uns an der Nasenspitz­e, wenn nicht jetzt etwas geschieht, wird es nach der Krise sehr still und trist in der Kulturland­schaft.

„Wenn nicht jetzt etwas geschieht, wird es nach der Krise sehr still und trist“

Julian Blomann

 ?? FOTO: AGENTUR ERLEBNISRA­UM ?? „Kunst auf Raten“nennt Julian Blomann sein Projekt. Die Zuschauer zahlen sozusagen in zwei Hüte. Erst in den Hut für den Künstler und später in den Hut für die Veranstalt­er. So soll es wenigstens möglich sein, Kultur für die nächste Saison zu planen.
FOTO: AGENTUR ERLEBNISRA­UM „Kunst auf Raten“nennt Julian Blomann sein Projekt. Die Zuschauer zahlen sozusagen in zwei Hüte. Erst in den Hut für den Künstler und später in den Hut für die Veranstalt­er. So soll es wenigstens möglich sein, Kultur für die nächste Saison zu planen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany