Den Geldsorgen folgen Platzprobleme
Am Montag darf die Gastronomie wieder öffnen. Die Corona-Auflagen sorgen für Probleme. Durch die Einhaltung des Mindestabstandes bleibt weniger Platz für Gäste. Viele Wirte fragen sich, ob sie kostendeckend arbeiten können.
„Unter solchen Bedingungen können und wollen wir unser Lokal momentan nicht wiedereröffnen, da ein rentables Arbeiten nicht möglich ist.“Heino Ruth ist frustriert. Eigentlich dürfte er seine Kneipe am Montag, 18. Mai, wieder öffnen – unter Auflagen (siehe Text unten). Er führt mit Frau Jutta seit 38 Jahren das Braddock in
Friedrichsthal-Bildstock: „Wir sind eine Stätte der Kommunikation und der guten Musik, darauf baut unser Geschäftsprinzip. Das Hygiene-Konzept zerstört einen großen Teil unserer Geschäftgrundlage.“
Seit der Zwangsschließung wegen der Corona-Pandemie kämpfen viele Wirte ums Überleben. Zahlreichen Traditionskneipen droht das Aus. „Von heute auf morgen keine Einnahmen mehr und kein Konzept, wie es weitergehen soll. Die Soforthilfe des Landes war eine kleine Hilfe, kann uns den entstehenden Schaden aber nicht abwenden. Ohne Rücklagen wären wir gezwungen, in absehbarer Zeit Insolvenz anzumelden“, sagt Ruth. Er steht jetzt wie viele Gastronomen vor einem weiteren Problem. Das Hygiene-Konzept „lässt bei Anwendung für uns kein rentabeles Wirtschaften mehr zu“.
Der Gastraum seiner Kneipe ist 70 Quadratmeter groß. Die zwölf Meter lange Theke füllt ein Drittel. „Im Rest des Gastraumes können bei Normalbetrieb etwa 30 Personen Platz nehmen. Laut Hygiene-Konzept dürfen wir nur maximal zehn Personen im Gastraum unterbringen. Auf unserer Außenterrasse, die 20 Plätze umfasst, dürfen nur noch sechs Personen platziert werden. Wetterbedingt ist diese keine feste Größe“, erklärt Ruth. Und kritisiert: „Durch die Vorverlegung der Sperrstunde auf 22 Uhr entfällt ein großer Teil unseres Kerngeschäftes.“Er sagt aber kämpferisch: „Unser Traditionslokal aufzugeben, stand und steht für uns nicht zur Debatte.“
Das Gasthaus Deutsch in Dudweiler gibt’s seit 1864. Gilbert Meier sagt: „Kein Umsatz, nur Kosten – je länger der ,Lockdown’ ist, kommen auch Gedanken zur Schließung der Gaststätte.“Die Vorgaben zur Wiedereröffnung sieht der Wirt skeptisch: „Die Küche kann nicht rentabel betrieben werden. Die Sitzplatzkapazität ist wegen der Abstandsregelung und dem Verbot des Thekenbetriebes zu gering.“Er hofft: „Vielleicht kann uns der Biergarten bei gutem Wetter über die Runden bringen.“Reaktionen auf die Wiedereröffnung seien unter Stammgästen gemischt. „Aber die Stimmung ist im Allgemeinen sehr verhalten“, sagt Meier.
„Das wird Erlebnisgastronomie“, erklärt Anne Müller ironisch. In der vierten Generation betreibt sie das Gasthaus Müller in Püttlingen. Sie befürchtet, dass nur wenige Gäste kommen. Sie verstehe die Notwendigkeit, Name und Verweildauer der Gäste zu dokumentieren: „Aber viele wird das abschrecken.“Unterstützung bei der Wiederöffnung bekommt sie aus dem Rathaus. Die Verwaltung bietet Gastronomen aus dem Stadtgebiet kostenlose Schulungen, Hinweisschilder und Muster zur Kundendokumentation an.
Für Heinz-Georg Kunz steht an erster Stelle, „erstmal wieder kostendeckend zu arbeiten“. Die Regeln zum Neustart seien „umsetzbar, aber ich weiß nicht, ob die Kunden das annehmen“, sagt der Wirt, der seit 22 Jahren die Hundehütt in Heusweiler betreibt. Da es zwischen seiner kalten und warmen Küche genug Abstand gebe, sei es für sein Personal vielleicht möglich, ab und zu den Mundschutz abzunehmen. „Das Essen muss ja auch probiert werden“, erklärt Kunz.
„Gar keine Lust aufzumachen“hat Jochem Franken. Er betreibt Jochems Kneipe in Riegelsberg seit mehr als 40 Jahren. Etwa zwölf Live-Konzerte veranstalte er normalerweise jährlich. Für die nächsten Monate habe er angesichts der unklaren Lage noch nichts geplant. 120 Leute seien an Konzertabenden bei ihm zu Gast, jetzt könne er höchstens 16 reinlassen. Nicht klar sei zudem, ob er seine Gäste auf Barhockern an Stehtische setzen darf. Falls nicht, muss er sich etwas überlegen: In seinem Lokal steht nur ein Tisch. „Wenn wir sehen, dass es nicht klappt, machen wir nach drei Tagen wieder zu“, sagt Franken.
Norbert Huber vom Blockhaus in Großrosseln-St. Nikolaus am Weiher sagt: „Ich bin voller Elan.“140 Gäste könne er trotz Abstandsregeln auf seiner Terrasse bewirten, drinnen 60. Er hofft vor allem darauf, dass die Grenzen nach Frankreich wieder geöffnet werden. 80 Prozent der Gäste kämen aus dem Nachbarland, darunter viele Wanderer.
Weniger euphorisch ist Michael Bäumer: „Wir befinden uns in einer dramatischen Situation. Es fehlen uns mehr als zwei Monate an Umsatz. Wir haben schlicht und ergreifend Angst um unsere Existenz.“Er betreibt seit 1988 das Odeon in Saarbrücken am St. Johanner Markt: „Wir beseitigen seit Wochen
nur noch irgendwie die größten Probleme. Kaum hat man eins bewältigt, taucht das nächste auf.“Sein Sohn Niclas Wolf, der mit ihm die Bar führt, ergänzt: „Wir fühlen uns alleine gelassen. Niemand kann uns wirklich sagen, was wir nun dürfen.“Bäumer sagt zum Hygiene-Konzept: „Zu den Bedingungen auch nur kostendeckend zu arbeiten, ist kaum möglich. Ich weiß nicht, ob wir öffnen können. Und für die Beschränkung der Öffnungszeiten bis 22 Uhr fehlt mir jegliches Verständnis.“Am Wochenende beginne das Geschäft dann erst richtig. Sein Sohn gibt zu bedenken: „Es sind nicht nur wir betroffen. Das gesamte Gefüge aus Geschäften, Kneipen und Restaurants um den St. Johanner Markt ist aus dem Gleichgewicht geraten. Wir brauchen einander – für mich ist es ein Stück Saarbrücken, das auf dem Spiel steht.“
„Es fehlt uns im ,Sankt J‘ der Umsatz von zehn Wochen“, sagt Jochen Gräser vom Sankt J in Saarbrücken, der auch die Diskonto-Schenke betreibt. Als Unternehmen habe man das durch Kurzarbeit und privates Geld irgendwie auffangen können. Doch für Mitarbeiter sei es katastrophal. Er kritisiert die Politik: „Die Schließung kam einem Berufsverbot gleich, daher hätten Regelungen früher und häufiger überprüft werden müssen. Angebotene Hilfen wie Stundungen von Steuern haben nur kosmetische Effekte, helfen nicht.“Zahlen müsse man später dennoch, aber der Umsatz sei verloren. Er blickt der Wiedereröffnung am Montag mit gemischten Gefühlen entgegen: „Ich freue mich darauf, doch es wird mehr als schwierig. Viele Kneipen werden vielleicht jetzt nochmal öffnen. Doch ich befürchte eine Insolvenzwelle in den nächsten Monaten.“
Auch für das Klim-Bim in Saarbrücken am St. Johanner Markt und Inhaber Timo Schmidt ist die Situation ernst: „Ich habe die Maßnahmen befürwortet, aber für das Geschäft waren sie eine Katastrophe.“Die Auflagen für den Neustart sind für ihn aus virologischer Sicht richtig, wirtschaftlich betrachtet problematisch. Mit Blick auf Kontaktbeschränkungen hält er sie zudem teilweise für kaum umsetzbar. Trotzdem will Schmidt seine Kneipe öffnen, um die Bedingungen im laufenden Betrieb zu testen.
Getestet hat Markus Parnitzke vom Salzbrunnen Carrée in Sulzbach während der Corona-Zwangsschließung einen Frühstücks-Lieferservice: „Der lief so gut, dass ich ihn nach Corona beibehalten werde.“