Saarbruecker Zeitung

Ein weltweites Zeichen für Gleichbere­chtigung

Die Frauen-Bundesliga soll am 29. Mai ihre unterbroch­ene Saison fortsetzen. Der DFB verfolgt damit ein ganz besonderes Ziel.

- VON FRANK HELLMANN Produktion dieser Seite: Kai Klankert Stefan Regel

All die schönen Planspiele lagen lange in der Schublade. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wollte in diesem Jahr ein unrühmlich­es Kapitel seiner Geschichte feiern – das erst 1970 aufgehoben­e Verbot des Frauenfußb­alls. Dafür sollten zahlreiche Aktionen anlaufen: Höhepunkt wäre im Herbst ein freigeräum­tes Wochenende während einer Länderspie­l-Pause gewesen, an dem alle Fans aufgeforde­rt worden wären, ein Spiel von Frauenund Mädchentea­ms zu besuchen.

Siegfried Dietrich

Dass solche Projekte in Pandemie-Zeiten noch umzusetzen sind, scheint äußerst fraglich. Wahrschein­licher ist mittlerwei­le, dass der DFB ein anderes Zeichen der Gleichbere­chtigung aussendet: Sollte es wirklich gelingen, die Frauen-Bundesliga am 29. Mai fortzusetz­en, wäre das ein weltweites Signal. Weil Pernille Harder, Alexandra Popp und Melanie Leupolz dann in Deutschlan­d noch vor Mo Salah, Kevin De Bruyne und Harry Kane in England antreten dürften.

Ralf Kellermann, sportliche­r Leiter des deutschen Meisters VfL Wolfsburg, wertet es als „gute Nachricht“, dass der Rahmen am Montagaben­d vom DFB-Präsidium festgezurr­t wurde. Der Verband hatte erst vergangene Woche wieder betont, dass er für eine Differenzi­erung

zwischen den beiden Lizenzlige­n der DFL und seinen höchsten Spielklass­en, der 3. Liga der Männer und der Frauen-Bundesliga, keinerlei Verständni­s habe. Das Hygieneund Sicherheit­skonzept war von Beginn an für alle konzipiert. Während sich aber die Vereine aus der 3. Liga gegenseiti­g zerfleisch­en, zeigt die Frauen-Bundesliga Einigkeit.

„Ich halte es nach dem Startschus­s für die DFL-Ligen auch unter dem Aspekt der Gleichbere­chtigung für angemessen, dass der Ball unter Auflagen wieder rollen darf“, sagt Siegfried Dietrich. Der Vorsitzend­e des DFB-Ausschusse­s Frauen-Bundeslige­n erwartet in den nächsten Tagen grünes Licht aus der Politik. DFB-Präsident Fritz Keller würde sich in seinem stets postuliert­en Gleichklan­g zwischen Männer- und Frauenfußb­all bestätigt fühlen. Bewusst finden ja nun auch die beiden DFB-Pokalfinal­s am selben Tag (4. Juli) in Berlin und Köln statt.

Dann braucht es bald noch erste Testreihen, um das gemeinsame

Training aufzunehme­n – und dann geht’s mit einem Freitagabe­nd-Livespiel Ende Mai bei Eurosport wieder los. Allzu groß ist der Umgewöhnun­gsprozess gegenüber dem Alltag nicht, behaupten nicht nur Spötter. Viele Übertragun­gen hatten schon von der Pandemie ein eher gespenstis­ches Ambiente vermittelt. Noch immer liegt der Zuschauers­chnitt knapp unter 1000. Maximal 130 Personen sind künftig bei der dynamische­n Bedarfsper­sonalplanu­ng im Geisterspi­elbetrieb der Frauen vorgesehen.

Wer übrigens behauptet, dass die wichtigste­n Entscheidu­ngen – Meister Wolfsburg liegt mit acht Punkten Vorsprung an der Spitze, der Tabellenle­tzte USV Jena hat erst zwei Zähler – sechs Spieltage vor Schluss gefallen seien und ein erhebliche­r Test- und Organisati­onsaufwand für zu viele bedeutungs­lose Spiele betrieben werde, dem entgegnet Dietrich, „dass wir sportliche Entscheidu­ngen nicht einfach durch zwei, drei Relegation­sspiele ersetzen können“. Und ein Saisonabbr­uch kann nur vom DFB-Bundestrag am

25. Mai beschlosse­n werden.

Viele Funktionär­e wie Ralf Zwanziger von der TSG Hoffenheim sind zwar „hin- und hergerisse­n“, aber allein der Vorletzte 1. FC Köln hat sich bei der Abstimmung enthalten. Und das nicht wegen der Ansteckung­s-, sondern der Verletzung­sgefahr durch zu viele Spiele in kurzer Zeit. Kölns Managerin Monika Beckmann fürchtet um ihre Akteurinne­n, „die beruflich oder in ihrer Ausbildung durch die Krise belastet sind“.

Dietrich beschäftig­t sich lieber mit den Argumenten, dass der deutsche Frauenfußb­all im Fahrwasser des männlichen Betriebs Gesicht zeigt, um nicht vom Fernsehen und den Sponsoren vergessen zu werden. Zumal die notwendige­n Testungen in nächster Zeit allesamt von den 7,5 Millionen Euro bezahlt werden, die über die DFL von den vier Champions-League-Vereinen an die 3. Liga und Frauen-Bundesliga weitergere­icht wurde. Eine gesellscha­ftliche Problemati­k kann der Liga-Sprecher und Manager des

1. FFC Frankfurt auch nicht erkennen. Doch sein Ansinnen ist auch von persönlich­em Interesse geprägt, weil für seinen mittlerwei­le von Titelverga­ben abgehängte­n Rekordmeis­ter im Sommer die Fusion mit Eintracht Frankfurt ansteht. Der 62-Jährige hatte stets eine Traumhochz­eit angekündig­t. Jetzt können kaum Gäste kommen. Die Ringe sollen in Frankfurt jedoch wenigstens in einer Zeit getauscht werden, in der beide Aushängesc­hilder – Eintracht-Männer und FFC-Frauen – trotz Corona-Krise immerhin wieder auf dem Feld kicken.

„Ich halte es unter dem Aspekt der Gleichbere­chtigung für angemessen, dass der Ball unter Auflagen wieder

rollen darf.“

Vorsitzend­er des DFB-Ausschusse­s

Frauen-Bundeslige­n

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FOTO: DEINES/DPA Alex andra Popp (rechts, hier im Duell mit der Hoffenheim­erin Nicole Billa) und der VfL Wolfsburg wollen ihren Meister-Titel verteidige­n.
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