Saarbruecker Zeitung

EU-Gericht rügt Viktor Orbán

- VON DETLEF DREWES Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Martin Wittenmeie­r

An der Grenze zwischen Ungarn und Serbien steht das Flüchtling­slager Röszke. Unüberwind­bare Zäune und Stacheldra­ht umgeben das Container-Dorf. Wer hier landet, kommt nicht weiter – weder nach Ungarn noch zurück nach Serbien. Die Zustände haben nichts mit einem Auffangzen­trum für illegale Migranten zu tun. Röszke ist ein Gefängnis. Seit Donnerstag ist es höchstrich­terlich erlaubt, die Situation so zu beschreibe­n.

Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg hatte über eine Klage von vier Asylbewerb­ern aus Afghanista­n und dem Iran zu entscheide­n. Die ungarische­n Behörden hatten ihr Begehren um Schutz mit dem Hinweis abgewiesen, die Zuwanderer seien über ein sicheres Drittland – Serbien – eingereist. Als Belgrad eine Rückkehr ebenfalls ablehnte, landeten die Kläger im Transitlag­er Röszke.

Die Luxemburge­r Richter befanden, dass die vier Migranten das abgeschott­ete Gebiet „aus eigenen Stücken rechtmäßig in keine Richtung verlassen“könnten. Ein Gericht müsse die Rechtmäßig­keit dieser „Haft“überprüfen. Sollte diese Untersuchu­ng ergeben, „dass die Asylbewerb­er ohne gültigen Grund in Haft genommen wurden,“seien sie freizulass­en. Was Ungarn mit den Menschen bisher mache, sei „Freiheitse­ntzug“.

Es ist nur ein weiterer Fall, bei dem die Politik des nationalko­nservative­n Regierungs­chefs Viktor Orbán als Bruch des europäisch­en Rechts entlarvt wurde. „Der Fall Ungarn schürt besondere Sorgen“, erklärte denn auch die für Grundrecht­sfragen zuständige EU-Kommissari­n Vera Jourova am Donnerstag im Europäisch­en Parlament. Dort war Ungarn vor allem wegen der umfassende­n Sondervoll­machten ein Thema, mit denen Orbán sich von seinem Parlament hatte ausstatten lassen. Kritiker sprachen damals von einem „Ermächtigu­ngsgesetz“. „Die Fidesz-Regierung hat unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie das ungarische Parlament auf unbestimmt­e Zeit entmachtet“, kritisiert­e die Vizepräsid­entin des EU-Parlamente­s, Katarina Barley (SPD). „Die EU-Kommission darf nicht länger warten, alle ihr zur Verfügung stehenden rechtliche­n Mittel bis zum Vertragsve­rletzungsv­erfahren zu ergreifen, um darauf zu reagieren.“Tatsächlic­h wurde das Verfahren längst in Gang gesetzt, an dessen Ende Ungarn wichtige Subvention­en aus Brüssel entzogen werden könnten. Doch im Kreis der EUStaatsun­d Regierungs­chefs fehlte bisher die notwendige Einstimmig­keit, da sich die Orbán-Unterstütz­er Polen, Tschechien und die Slowakei schützend vor ihn stellten.

 ??  ??
 ?? FOTO: MTI/DPA ?? Die Transitzon­en in Ungarn unter Ministerpr­äsident Viktor Orbán verstoßen gegen EU-Recht, sagt der EuGH.
FOTO: MTI/DPA Die Transitzon­en in Ungarn unter Ministerpr­äsident Viktor Orbán verstoßen gegen EU-Recht, sagt der EuGH.

Newspapers in German

Newspapers from Germany