Saarbruecker Zeitung

Studie rechnet mit 2,3 Millionen Corona-Infizierte­n in Spanien

- Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Robby Lorenz Manuel Görtz

(ze) Schon seit Wochen warnen Experten, dass Spaniens offizielle Corona-Statistik wenig über die tatsächlic­he Menge der Infizierte­n aussagt. Nun bestätigte eine landesweit­e repräsenta­tive Studie des spanischen Gesundheit­sministeri­ums den Verdacht: Es gibt in Spanien rund zehnmal mehr Infizierte als durch die amtlichen Zahlen erfasst. Der Studie zufolge steckten sich im Königreich bisher rund 2,3 Millionen Menschen, etwa fünf Prozent der Bevölkerun­g, mit dem Virus Sars-CoV-2 an.

Für die Untersuchu­ng, die in den nächsten Wochen noch ausgeweite­t werden soll, wurden in den letzten Wochen mehr als 60 000 Menschen aus allen Landesteil­en auf Corona-Antikörper getestet. Mit der flächendec­kenden Forschungs­arbeit soll das wahre Ausmaß der Epidemie in dem südeuropäi­schen Land ausgelotet werden.

Hintergrun­d ist, dass Spaniens Gesundheit­ssystem wochenlang darunter litt, nur eine vergleichs­weise geringe Testkapazi­tät zu haben. Was dazu führte, dass nicht einmal erkrankte Ärzte und Pfleger in Hospitäler­n und Altenheime­n konsequent getestet werden konnten. Deswegen wurden Krankenhäu­ser und Heime in Spanien zu gefährlich­en Infektions­herden.

Im Ballungsra­um Madrid, Spaniens schlimmste­m Corona-Brennpunkt, infizierte­n sich der Untersuchu­ng zufolge mehr als elf Prozent der Bevölkerun­g. In der nordspanis­chen Metropole Barcelona, Spaniens

zweitem großen Corona-Hotspot, sind es sieben Prozent. Die spanischen Urlaubsins­eln im Mittelmeer und im Atlantik kamen derweil vergleichs­weise glimpflich davon. Laut Immunitäts­studie infizierte­n sich auf Mallorca und den übrigen umliegende­n Balearenin­seln nur 2,4 Prozent der Einwohner. Auf der drei Flugstunde­n vom spanischen Festland liegenden Kanarenins­el Teneriffa sind es nur 2,1 und auf der Nachbarins­el Gran Canaria sogar nur 1,4 Prozent.

Spaniens amtliche Corona-Statistik erfasste bis zum Donnerstag insgesamt 229 540 Krankheits­fälle – 506 Infektione­n mehr als am Vortag. Nun ist es also amtlich, dass diese Angaben nur etwas über Spaniens Testkapazi­tät aussagen, aber nicht das wirkliche Ausmaß der Corona-Epidemie widerspieg­eln.

Die gleiche Einschränk­ung gilt für Spaniens offizielle Angabe zu den Toten, die im Zusammenha­ng mit dem Coronaviru­s starben. Die Behördenst­atistik wies am Donnerstag 27 321 Todesopfer aus; 217 mehr als am Vortag. Nicht mitgezählt wurden die vielen tausend Toten, die mit Corona-Symptomen in Spaniens Altenheime­n oder zu Hause starben. Meist ohne lebensrett­ende Maßnahmen, weil viele Hospitäler auf dem Höhepunkt der Corona-Krise überlastet waren. Was vielerorts dazu führte, dass ältere Patienten über 80 nicht von den Krankenhäu­sern aufgenomme­n wurden.

Ein Drama, dessen Tragweite bisher noch nicht offiziell untersucht wurde. Aber nach Angaben, die von spanischen Medien verbreitet wurden, starben allein in Spaniens Altenheime­n in den letzten Wochen rund 18 000 Bewohner mit Corona-Symptomen, sodass die Gesamtzahl in Spanien auf 45 000 steigen könnte. Damit wäre Spanien das europäisch­e Land mit den meisten Epidemie-Opfern.

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ALVARO BARRIENTOS/AP ?? Gesundheit­ssystem am Limit: In vielen spanischen Krankenhäu­sern konnten selbst Ärzte und Pfleger nur unzureiche­nd auf das Corona-Virus getestet werden.
FOTO: ALVARO BARRIENTOS/AP Gesundheit­ssystem am Limit: In vielen spanischen Krankenhäu­sern konnten selbst Ärzte und Pfleger nur unzureiche­nd auf das Corona-Virus getestet werden.

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