Finanzpolitik muss neues Gleichgewicht finden
Die Legislaturperiode begann so schön: Wachstum, Rekord-Steuereinnahmen, und politisch konnten fast alle Wünsche erfüllt werden. Die „schwarze Null“stand trotzdem.
Jetzt ist da nur noch ein großes schwarzes Loch. Die für 2020 zu erwartenden massiven Steuerausfälle sind erst der Anfang. Selbst wenn es einen Impfstoff gegen Corona gibt, wird die Weltwirtschaft so schnell nicht wieder fit. Und von ihr hängt Deutschland ab. Niemand sollte sich täuschen: Die Schleifspuren dieser Krise werden lang und tief sein. Für alle Ebenen: Bund, Länder und Gemeinden.
Der erste Reflex war: Wir schütten alle Corona-Folgen so weit wie möglich mit Geld zu, das wir uns leihen. Das war zwar richtig, um gesellschaftliche Eruptionen am Anfang zu verhindern. Auch konnte sich Deutschland das leisten. Aber der Spielraum für eine kreditfinanzierte Bewältigung der Krise ist in Bund wie Ländern endlich. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes gilt. Und das ist gut so. Denn selbst wenn die Kredite nur sehr langfristig zurückgezahlt werden müssen, bleiben sie doch eine Belastung für künftige Haushalte. Erst recht, wenn die Zinsen dafür steigen, was abzusehen ist.
Im Grunde gibt es schon eine Antwort auf die Herausforderung der nächsten Jahre. Angela Merkel hat sie zusammen mit Peer Steinbrück nach der Finanzkrise von 2008 formuliert. Sie lautet: Investieren, reformieren und sanieren. Ein Dreiklang, keine Einseitigkeit nach hierhin oder nach dorthin. Das war äußerst erfolgreich und muss sich jetzt wiederholen.
Das Land muss schnell wieder auf Wachstumskurs kommen, und zwar, wenn irgend möglich, in Zukunftsbereichen, nicht in den alten Industrien. Also keine Kaufprämien für Verbrennungsmotoren, aber Investitionen in aussichtsreiche Technologien und Infrastruktur. Das Land muss sich auch weiter reformieren. Im Vergleich mit den USA sieht man, wie groß der Wert sozialer Stabilität für die Bewältigung einer solchen Krise ist. Das muss bleiben. Aber Deutschland muss in den Bereichen Bildung und Forschung noch stärker und bei Innovationen und Verwaltungshandeln viel schneller werden.
Gleichzeitig muss man bei all dem den Haushalt sanieren, die schwarze Null wieder anstreben. Und zwar nicht als Ziel in unerreichbarer Ferne, sondern schon nach einer, maximal zwei Legislaturperioden. Denn es kann nicht sein, dass man die Last dieser Krise vollständig künftigen Generationen aufbürdet.
Das bedeutet Ausgabendisziplin. Also sparen. Nicht jede Idee des bestehenden Koalitionsvertrages kann jetzt noch Realität werden. Aber es kann auch nicht jedes bisherige Tabu so stehen bleiben. Der Ladeninhaber und der Kurzarbeiter haben ihre Corona-Sonderabgabe sozusagen schon entrichtet oder müssen es noch tun. Warum nicht auch der Multimillionär? Nach dieser gewaltigen Eruption muss die Finanzpolitik ein neues Gleichgewicht finden. Der größte Feind dafür ist der Lobbyismus. Ihm gilt es jetzt zu widerstehen.