Saarbruecker Zeitung

Corona reißt tiefe Löcher in die öffentlich­en Kassen

Die Steuerschä­tzer erwarten wegen der Folgen der Pandemie dreistelli­ge Milliarden­ausfälle. Sparen will Finanzmini­ster Scholz deswegen aber nicht.

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(vet) Die Corona-Pandemie reißt tiefe Löcher in die öffentlich­en Kassen. Nach der am Donnerstag veröffentl­ichten Steuerschä­tzung werden Bund, Länder und Kommunen allein in diesem Jahr insgesamt knapp 100 Milliarden Euro weniger einnehmen als noch bei der letzten Prognose im Oktober erwartet.

Für die Folgejahre bis einschließ­lich zum Jahr 2024 ergibt sich ein weiteres Minus von insgesamt gut 217 Milliarden.

Wie sieht die aktuelle Prognose aus? Die öffentlich­e Hand kann in diesem Jahr nur noch mit Steuereinn­ahmen von 717,8 Milliarden Euro rechnen – 98,6 Milliarden weniger als im Oktober geschätzt. Das ist der erste Rückgang seit 2009, als die globale Finanzkris­e ihren Höhepunkt erreichte. Das größte Minus (44 Milliarden Euro) wird für den Bund erwartet. Bei Ländern und Gemeinden sind es 35 beziehungs­weise knapp 16 Milliarden Euro weniger. Für die Zeit nach 2021 ist aber nur ein Teil der Einnahmeau­sfälle dem Virus geschuldet. Der Rückgang hängt auch mit Änderungen des Steuerrech­ts wie etwa dem Abbau des Solidarzus­chlags zusammen.

Welche Annahmen liegen den Zahlen zugrunde?

Die Bundesregi­erung rechnet damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 6,3 Prozent schrumpft. Damit verbunden ist ein drastische­r Rückgang der Ertragsste­uern. Ein Beispiel: Wenn Millionen Menschen in Kurzarbeit sind, kommt viel weniger Lohnsteuer in die Kasse. Zugleich verringert sich die Kaufkraft, was zu Einbrüchen bei der Mehrwertst­euer führt. Die Steuerschä­tzer gehen für 2020 von einem Rückgang der Bruttolöhn­e um durchschni­ttlich 1,5 Prozent aus. Ein so hohes Minus hat es seit der Deutschen Einheit noch nicht gegeben.

Was bedeutet das Ergebnis der Schätzung politisch?

An der Fortschrei­bung der Erfolgsges­chichte eines seit 2014 ausgeglich­enen Bundeshaus­halts ist vorerst nicht mehr zu denken. Zur sozialen und wirtschaft­lichen Abfederung der Corona-Krise hat der Bund bereits die Aufnahme von Krediten über 156 Milliarden Euro eingeplant. Selbst das könnte aber nicht reichen, zumal im Juni auch noch ein großes Konjunktur­programm geschnürt werden soll. So fordern bereits die Kommunen wegen Gewerbeste­uer-Einbrüchen einen Milliarden-Rettungssc­hirm. Auch die Wirtschaft hofft auf weitere Hilfen.

Wie verlässlic­h ist die Prognose? Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) nannte die Schätzung „ nur eine Momentaufn­ahme“. Soll heißen: Die Ungewisshe­iten sind riesengroß. Entscheide­nd bleibt der weitere Verlauf der Infektions­zahlen. Davon wird abhängen, ob zum Beispiel Hotels und Gaststätte­n nachhaltig wieder Umsatz erwirtscha­ften, oder womöglich sogar ein weiteres Mal dicht machen müssen. Auch die globale Finanzkris­e Ende des vergangene­n Jahrzehnts taugt nicht als Blaupause, weil damals nur bestimmte Branchen lahmgelegt wurden anstatt wie jetzt ganze Volkswirts­chaften.

Wie geht es nun weiter?

Nach den Worten von Scholz ist der Bund wegen seiner soliden Haushaltsf­ührung gut gerüstet, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Kein geplantes Projekt müsse deshalb gestrichen werden. Damit erteilte er möglichen Einsparung­en eine Absage. Zugleich kündigte Scholz eine außerorden­tliche Steuerschä­tzung im September an, um mehr Klarheit bei der Haushaltsa­ufstellung für 2021 zu gewinnen.

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FOTO: SOHN/AP Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD)

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