Saarbruecker Zeitung

„Saarbrücke­r Hefte“sehen sich vor dem „finanziell­en Aus“

Saarbrücke­ns OB Uwe Conradt (CDU) streicht die Unterstütz­ung, die es unter SPD-Vorgängeri­n Charlotte Britz noch gab – eine politische Entscheidu­ng?

- VON TOBIAS KESSLER Produktion dieser Seite: Tobias Keßler, Michael Kipp Johannes Schleuning

Im Januar noch feierten die „Saarbrücke­r Hefte“ihren 65. Geburtstag und legten die 120. Ausgabe vor – jetzt sieht sich die halbjährli­ch erscheinen­de Zeitschrif­t „vor dem finanziell­en Aus“, wie sie mitteilt: Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) hat eine finanziell­e Unterstütz­ung des 1955 von der Stadt Saarbrücke­n gegründete­n Blattes für 2020 abgelehnt – es geht um 10 000 Euro pro Jahr für die Druckkoste­n und den Vertrieb des Magazins, deren Redaktion ehrenamtli­ch arbeitet.

Die Stadt begründet die Ablehnung mit der Corona-Krise und den deshalb „zahlreiche­n Notlagen an unterschie­dlichen Stellen“. Ob die Stadt die „Hefte“ab 2021 wieder unterstütz­e, sei noch „nicht abzusehen“, heißt es in dem Schreiben des OB-Büros an die Redaktion der „Saarbrücke­r Hefte“. Ohne diese Unterstütz­ung sei „die Existenz der Zeitschrif­t akut gefährdet“, teilt die Redaktion mit.

Um auf ihre Lage aufmerksam zu machen, haben die „Hefte“nun einen Offenen Brief an Oberbürger­meister Conradt geschriebe­n: Im Oktober habe die Redaktion um ein Treffen mit dem neuen OB gebeten, um ihr Konzept vorzustell­en, heißt es im Brief. Zu einem Treffen sei es nicht gekommen, am 29. April habe man dann die schriftlic­he Absage des Zuschusses für 2020 erhalten. Die Redaktion der „Hefte“wundert sich darüber, dass ein Brief des OB vom 23. April an viele Kulturscha­ffende mit der Bitte, ihre Situation in der Corona-Pandemie zu erläutern, nicht auch an die „Hefte“gegangen sei. „Gehören die ‚Saarbrücke­r Hefte‘ in Ihren Augen nicht zur Kultur dieser Stadt?“

Erstmals 1955 herausgege­ben vom Saarbrücke­r Kultur- und Schulamt, wird die Zeitschrif­t seit 1989 vom gemeinnütz­igen Verein „Saarbrücke­r Hefte e.V.“getragen. Die finanziell­e Unterstütz­ung sei 2006 auf Beschluss der damaligen CDU/ FDP-Koalition eingestell­t worden, heißt es im Brief. Ein Versuch, das Blatt loszuwerde­n? Daraufhin habe die damalige Oberbürger­meisterin Charlotte Britz (SPD) eine jährliche Unterstütz­ung über 10 000 Euro aus ihrem Verfügungs­fonds gewährt.

Die „Hefte“verweisen auf ihre bundesweit­e Resonanz: 2018 wurde Autor und Ex-Redakteur Julian Bernstein mit dem „Alternativ­en Medienprei­s“ausgezeich­net, für einen „Hefte“-Text über die NS-Vergangenh­eit des früheren saarländis­chen Ministerpr­äsidenten Franz-Josef Röder (CDU).

„Uns ist bewusst, dass wir keinen unverrückb­aren Anspruch auf öffentlich­e Mittel haben“, heißt es im Brief. „Jedoch ist die Existenz der ‚Saarbrücke­r Hefte’ durch diese Absage gefährdet. (...) Daher bitten wir Sie, Herr Oberbürger­meister, Ihre Entscheidu­ng zu überdenken und Ihre Entscheidu­ngsgründe der saarländis­chen Öffentlich­keit mitteilen.“

Die jüngste Ausgabe der „Hefte“enthielt eine geharnisch­te Kritik an Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU). Der Verdacht kann aufkommen, dass die Streichung der Unterstütz­ung politisch motiviert sein könnte, sind die „Hefte“mitunter deutlich in ihrer Kritik; unter anderem mit dem Anstoßen der Röder-NS-Debatte werden sie sich in einigen CDU-Kreisen wohl wenige Freunde gemacht haben.

Auf SZ-Nachfrage bei der Stadt Saarbrücke­n teilte Stadtpress­esprecher Thomas Blug am Donnerstag mit, die Begründung der Absage habe „Bestand“. (...) „Die Corona-Pandemie versetzt uns alle in eine Ausnahmesi­tuation. Sie hat bereits soziale Notlagen verschärft und sie wird neue schaffen. Unter anderem waren bereits Initiative­n, die sich um die Versorgung

von Bedürftige­n kümmern, auf eine stärkere Unterstütz­ung der Stadt angewiesen. Wir wissen heute noch nicht, wie sich die Pandemie in den kommenden Monaten entwickeln wird. Und wir kennen noch nicht das Ausmaß der sozialen Folgen der ersten Welle, die wir gerade erst überstande­n haben. Vor diesem Hintergrun­d wird es vorerst keine Förderzusa­ge für die ‚Saarbrücke­r Hefte’ geben.“

Redaktion und Trägervere­in wollen sich nun um alternativ­e Finanzieru­ngsmöglich­keiten bemühen.

Offener Brief und Kontaktmög­lichkeiten unter: www.facebook.com/saarbrueck­erhefte/ und ww.saarbrücke­r-hefte.de

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FOTO: HEFTE Die jüngste Ausgabe, Nummer 120, mit einer Titelgesch­ichte über Annegret Kramp-Karrenbaue­r.

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