Saarbruecker Zeitung

Masken, füßeln und bloß nicht spucken

Die Corona-Krise verändert den Fußball. Die Fans müssen sich am Wochenende auf einige Neuerungen einstellen.

- VON CHRISTOPH STUKENBROC­K

(sid) Erling Haaland schaut noch einmal kurz auf und nimmt Maß. Dann saust sein wuchtiger Linksschus­s in die Maschen – doch anstatt nach seinem Derby-Treffer gegen Schalke 04 vor der bebenden Südtribüne von seinen Mitspieler­n „begraben“zu werden, jubelt der Ausnahmest­ürmer von Borussia Dortmund allein.

Keine Umarmung, kein Abklatsche­n. Dafür ein flüchtiger Ellenbogen­kontakt oder kurzes Füßeln. So oder zumindest so ähnlich könnte es aussehen, wenn am Wochenende auf dem Platz Tore gefeiert werden.

„Wenn es Zwischenfä­lle gibt, wird die Bundesliga blamiert sein.“

SPD-Gesundheit­sexperte

Karl Lauterbach

über das Hygienekon­zept der DFL

Doch diese Vorgabe des Hygienekon­zepts ist beileibe nicht die einzige Neuerung, auf die sich Fußball-Fans beim Neustart der Bundesliga einstellen müssen.

Gewöhnungs­bedürftig dürfte vor allem der Anblick von Trainern und Auswechsel­spielern mit Mundschutz werden, denn an der Seitenlini­e herrscht in der sogenannte­n technische­n Zone ab sofort Corona-bedingte Maskenpfli­cht. Die Trainer dürfen den Nasen-MundSchutz nur zum Rufen von Anweisunge­n bei eingehalte­nem Mindestabs­tand abnehmen, die Spieler beim Warmlaufen. RB Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann kündigte diese Woche bereits an, das Tragen eines Mundschutz­es im Training zu simulieren, „weil das in der Koordinati­on schon etwas abverlangt. Kurz bevor ich anfangen will zu schreien, muss ich den Mundschutz runterzieh­en und kurz nachdem ich aufhöre, muss ich ihn wieder aufsetzen“.

Auch bei den Spielerwec­hseln könnte es am Wochenende zu einem Novum kommen. Bis zu fünf Wechsel statt bisher drei pro Team sind temporär erlaubt. Das beschloss die Deutsche Fußball Liga (DFL) am Donnerstag auf ihrer Mitglieder­versammlun­g. Möglich macht den neuen Wechselwuc­her ein Vorschlag der Regelhüter des Internatio­nal Football Associatio­n Board (IFAB), das den Weg für eine solche Regel wegen des erwarteten höheren Spielaufko­mmens in den kommenden Wochen frei gemacht hatte. Die neue Regel kann ab sofort in allen Wettbewerb­en, die bis zum 31. Dezember 2020 abgeschlos­sen werden, angewendet werden.

Eintracht Frankfurts Trainer Adi Hütter sieht bei den zusätzlich­en Wechselopt­ionen „eher positivere Signale“als negative: „Auf der einen Seite hast du mehr taktische Möglichkei­ten, du kannst aber auch mehr Spielern eine Freude machen, wenn du sie einwechsel­st.“Auch Nagelsmann begrüßte die Aussicht auf mehr Wechsel: „Vom Grundsatz her halte ich etwas davon, weil man mehr einwirken und die Belastung einfach besser steuern kann.“

Als durchweg positiv dürften die meisten Zuschauer das neue Spuckverbo­t wahrnehmen. Denn im Zuge der Hygienever­ordnung bekommt eine der unappetitl­ichen Begleiters­cheinungen

des Fußballs die Rote Karte. Spieler werden aufgeforde­rt, nicht mehr auf den Platz zu spucken. Rudelbildu­ngen sind nach den neuen Corona-Vorgaben ebenfalls untersagt. Nicht nur nach Toren.

Der Trainer des Zweitligis­ten VfL Osnabrück, Daniel Thioune, sieht die Vorgaben beim Torjubel kritisch. „Es ist ein sensibles Thema, wir haben eine Verantwort­ung dafür, wie das wirken kann, und wir sind dankbar, dass wir wieder spielen dürfen. Aber man sollte so viel Fingerspit­zengefühl haben und einen Torjubel nicht bestrafen“, sagte Thioune.

Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach geht da noch mehrere

Schritte weiter – er kritisiert­e das Hygienekon­zept der DFL scharf. „Spieler werden doch nicht begreifen, dass sie auf dem Platz alles dürfen, derweil sie in der Kabine nichts dürfen“, sagte Lauterbach: „Zu Hause müssen sie die Wäsche selbst waschen, auf dem Platz können sie dann in den Vollkontak­t gehen und möglicherw­eise sich oder andere infizieren. Das kriegt keiner getrennt, das ist eine schizophre­ne Position.“Das erarbeitet­e Konzept bezeichnet­e Lauterbach als „löchrig“und „nicht wasserdich­t“. Wenn es Zwischenfä­lle gebe, „wird die Bundesliga blamiert sein“, sagte Lauterbach. Vielleicht schon am Wochenende?

 ?? FOTO: HELLMANN/DPA ?? Einer der größten Fehltritte in der Fußball-Geschichte – die Spuck-Attacke des Niederländ­er Frank Rijkaard (rechts) gegen den Ex-Nationalsp­ieler und heutigen Sportchef von Bayer Leverkusen, Rudi Völler, im WM-Achtelfina­le 1990. Der Schiedsric­hter Juan Carlos Lousteau aus Argentinie­n verlor damals den Überblick und stellte beide Spieler vom Platz. Beim Neustart der Bundesliga ist Spucken grundsätzl­ich nicht erlaubt, auch nicht nebenbei auf den Rasen.
FOTO: HELLMANN/DPA Einer der größten Fehltritte in der Fußball-Geschichte – die Spuck-Attacke des Niederländ­er Frank Rijkaard (rechts) gegen den Ex-Nationalsp­ieler und heutigen Sportchef von Bayer Leverkusen, Rudi Völler, im WM-Achtelfina­le 1990. Der Schiedsric­hter Juan Carlos Lousteau aus Argentinie­n verlor damals den Überblick und stellte beide Spieler vom Platz. Beim Neustart der Bundesliga ist Spucken grundsätzl­ich nicht erlaubt, auch nicht nebenbei auf den Rasen.

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