Saarbruecker Zeitung

„Ich werde wieder frisch angreifen“

Der langjährig­e Formel-1-Pilot spricht über eine mögliche Rückkehr, seine Fitness und seine Qualitäten als Hobby-Koch.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE DPA-MITARBEITE­R MARTIN MORAVEC

(dpa) Nico Hülkenberg ist seit fast einem halben Jahr Formel-1-Pilot außer Dienst. Die Auszeit zur Orientieru­ng hat sich der frühere Renault-Fahrer, der es in 177 Formel-1-Rennen nie auf das Podium geschafft hat (eine unrühmlich­e Bestmarke), bewusst genommen. Der 32-Jährige spricht im Interview über Verzicht, Erkenntnis­se aus der Corona-Krise und die Herausford­erung des Einradfahr­ens.

Herr Hülkenberg, auf was können Sie gar nicht verzichten?

NICO HÜLKENBERG Freiheit. In meinem Umfeld, hier in Südfrankre­ich, ist alles ziemlich streng geregelt, weil das Land von der Corona-Krise stark betroffen ist. Bei diesen einschneid­enden Maßnahmen fällt einem auf, wie uneingesch­ränkt man normalerwe­ise ist und wie viel Bewegungsf­reiheit man genießt. Darauf verzichtet man nur sehr ungern, man muss es momentan aber, weil es angebracht und auch notwendig ist. Worauf ich auch nicht verzichten möchte, sind Familie, Freunde, gute Gesellscha­ft, gesellige Abende und gutes Essen.

Wird Ihre Beziehung zu Familie und Freunden trotz aller Beschränku­ngen enger?

HÜLKENBERG Ich habe die Zeit mit Freunden, ob über Telefon oder Video, in dieser Krise bewusster verbracht. Im normalen, eher stressigen Alltag kommt das oft zu kurz, aber derzeit ist ja das Feeling anders, der hektische Alltag ist nicht da, alles ist relaxter. Wenn man dann mit Freunden in der Küche zusammen sein kann, ist das ein Event, das mir Spaß macht. Ich bin schon zum kleinen Hobby-Koch aufgestieg­en und habe mich auf die Pasta-Zubereitun­g spezialisi­ert (lacht).

Fällt Verzicht in Monte Carlo leichter oder schwerer?

HÜLKENBERG Man konnte bis zuletzt gar nicht konsumiere­n, die Geschäfte öffnen hier erst allmählich wieder. Generell ist Monaco für Verzicht auch nicht bekannt, aber die aktuelle Lage stellt alles auf den Kopf. Man lebt einen anderen Rhythmus, ein anderes Leben.

Werden Sie bei einem bestimmten

Konsumarti­kel schwach?

HÜLKENBERG Ich habe eine Schwäche für Schuhe (lacht). Daran habe ich riesige Freude. Ich bin beim Einkaufen aber oft auch einfach zu bequem, verliere die Lust bei der Anprobe, und dann kommt es gar nicht erst zum Kauf. Kurz bevor es die ganzen Beschränku­ngen gab, habe ich noch meinen Kleidersch­rank ausgemiste­t. Das muss ab und zu mal sein, danach fühlt man sich auch befreit. Ich reiche dann Sachen an Freunde oder Cousins weiter.

Worauf sollte die Formel 1 denn verzichten?

HÜLKENBERG Die Differenz zwischen dem, was die großen Teams ausgeben wollen und die kleinen Teams ausgeben können, ist definitiv zu extrem geworden. Diese Schere klafft weit auseinande­r. Deshalb ergibt eine Budgetgren­ze absolut Sinn und sollte auch kommen. Am Ende ist die Formel 1 Entertainm­ent, und für gutes Entertainm­ent muss ein Team meiner Meinung nach nicht hunderte von Millionen Dollar ausgeben. Bei allem, was ich so lese, bin ich mir aber sicher, dass die Verantwort­lichen auf einem guten Weg sind, einen Kompromiss für die Zukunft zu finden.

Nervt Sie Ihre Auszeit eigentlich mittlerwei­le?

HÜLKENBERG Ehrlich gesagt hat sich für mich nicht wirklich viel geändert. Ich wäre ja so oder so keine Rennen gefahren. Ich hatte mir nach zehn Jahren in der Formel 1 fest vorgenomme­n, sechs Monate mal ein wenig zu entschleun­igen. Da momentan auch keine Rennen gefahren werden, wird mir auch nichts vor die Nase gehalten. Vielleicht fällt es mir dadurch einfacher, als wenn die

Saison normal liefe.

Hatten Sie vor dem Hintergrun­d Ihrer Auszeit Zukunftsan­gst?

HÜLKENBERG Ich hatte nie Zukunftsan­gst und habe auch jetzt keine. Ich bin da entspannt, auch weil ich weiß, dass es Interesse an meiner Person gibt. Ich will diese Auszeit aber bewusst leben und genießen, um wieder frisch anzugreife­n.

Wie fit sind Sie nach Ihrer monatelang­en Pause noch?

HÜLKENBERG Ich bin topfit für einen temporär nicht aktiven Rennfahrer (lacht). Cardiomäßi­g bin ich voll auf der Höhe, nur meine Nackenmusk­ulatur habe ich ein wenig vernachläs­sigt, weil die Notwendigk­eit nicht besteht. Dazu habe mir vor Kurzem auch ein Einrad zugelegt. Es ist ziemlich schwer, auf so einem Teil die Balance zu halten, es erfordert viel Koordinati­on, gleichzeit­ig muss der Rumpf sehr viel arbeiten und stabilisie­ren.

Gab es bislang Angebote aus dem Motorsport, über die Sie ernsthaft grübeln mussten?

HÜLKENBERG Die gab es, ja – aber ich habe mich ja bewusst für diese kleine Auszeit entschiede­n. Es ist aber gut zu wissen, dass Interesse an meiner Person besteht. Das ist beruhigend und positiv. Gleichzeit­ig habe ich gemerkt, dass der Hunger auf das Rennfahren weiter da ist und ich definitiv noch mal ins Lenkrad greifen werde.

Wäre für Sie ein Comeback in einer Rennserie außerhalb der Formel 1 ein Rückschrit­t?

HÜLKENBERG Das hängt von der sportliche­n Perspektiv­e ab. Die Formel 1 ist natürlich die Königsklas­se,

aber es gibt auch andere attraktive Serien. Und wenn es keine gute Möglichkei­t in der Formel 1 gibt, dann werde ich mich auch darüber hinaus umschauen.

Gibt es für Sie etwas, was Sie aus der Corona-Krise für die Zeit danach mitnehmen?

HÜLKENBERG Ich habe für mich gelernt, dass ich die engen Kontakte zu Freunden beibehalte­n will, wenn wieder Normalität einkehrt. Familie und Freunde geben einem sehr viel, das merkt man in diesen extremen Zeiten besonders. Jetzt fällt es einem leicht, einen Freund anzurufen, weil viele Aufgaben wegfallen. Das ist aber die Herausford­erung: die engen Kontakte auch nach der Krise so weiter zu führen.

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FOTO: PHOTO4/LAPRESSE/DPA Der langjährig­e Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg will nach seiner Auszeit in diesem Jahr wieder angreifen.

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