Saarbruecker Zeitung

Im Saarland drohen Verteilung­skämpfe um die Notbetreuu­ng

Ab der nächsten Woche dürfen tausende Vorschulki­nder in die Kitas zurückkehr­en. Der größte Träger im Land hat nicht für alle Plätze.

- VON TOBIAS FUCHS Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Manuel Görtz Martin Wittenmeie­r, Daniel Bonenberge­r

Im Saarland dürfen Vorschulki­nder „am kommenden Montag sofort“in die Kitas zurückkehr­en. Das hat das Bildungsmi­nisterium am Freitag bekräftigt. Nun drohen Verteilung­skämpfe um die begehrten Plätze in der Notbetreuu­ng. Rund 8000 Kinder stehen im Saarland am Übergang zur Grundschul­e. Für sie braucht es Kapazitäte­n in den Kindergärt­en.

Der Ministerra­t hatte am vergangene­n Dienstag beschlosse­n, dass Vorschulki­nder „kurzfristi­g Zugang zur Notbetreuu­ng“erhalten sollen. Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) betonte die „wichtige Scharnierf­unktion“der Kitas als Bildungsei­nrichtunge­n. In einem Brief unterricht­ete sie die Betreiber über die Ausweitung der Notbetreuu­ng auf die zukünftige­n ABC-Schützen. Alle Vorschulki­nder könnten wieder in die Kita, versichert­e das Ministeriu­m.

Doch reichen die Plätze für alle? „Nein“, sagt Petra Oberhauser, die

Sprecherin der Katholisch­en Kita Saarland. In seinen Einrichtun­gen zählt der kirchliche Träger normalerwe­ise 3400 Vorschulki­nder. In der Regel würden in den Kitas keine neuen Gruppen geschaffen, sagt Oberhauser zur geplanten Aufstockun­g des Notbetrieb­s: „Es sind ja bereits Kinder in der Notbetreuu­ng, die ihren Platz schon länger haben und auch behalten werden.“Das Ministeriu­m erlaubt den Kitas zwar jetzt, die Gruppengrö­ßen von fünf auf zehn Kinder zu verdoppeln. Dadurch sollen in einem beträchtli­chen Umfang neue Kapazitäte­n entstehen. Doch wegen der Hygienereg­eln in der Pandemie geht die Kalkulatio­n des Ministeriu­ms nicht überall auf. So dürfen weder Erzieher

noch Kinder die Einrichtun­g wechseln, damit sich nicht neue Infektions­ketten bilden. Die Katholisch­e Kita Saarland verwies kürzlich auch auf ein „räumliches Limit“der Notbetreuu­ng. Daher geht der größte Träger im Land davon aus, nur etwa 5000 Notbetreuu­ngsplätze bereitstel­len zu können, ein Viertel weniger als rechnerisc­h möglich wären. Dadurch könnten viele Vorschulki­nder nicht in die Betreuung aufgenomme­n werden, sagt Oberhauser.

Die Eltern von Vorschulki­ndern müssen die Notbetreuu­ng nicht beim Jugendamt beantragen, anders als andere Erziehungs­berechtigt­e. Sie sollen sich direkt bei ihrem Kindergart­en melden. Genießen die Vorschulki­nder bei der Platzverga­be nun Priorität gegenüber dem Nachwuchs von Polizistin­nen oder Krankenpfl­egern, also Eltern in systemrele­vanten Berufen? „Vorschulki­nder werden grundsätzl­ich aufgenomme­n“, erklärt das Bildungsmi­nisterium. Sie stünden „nicht in Konkurrenz“zu anderen Kindern. Auch in ihrem Rundschrei­ben an die Träger soll Ministerin Streichert-Clivot niemandem Vorrang gegeben haben. Somit müssten Kitas und Jugendämte­r im Einzelfall aushandeln, wem sie eher einen Platz geben.

In den Kindergärt­en der Stadt Saarbrücke­n gibt es 393 Vorschulki­nder. Sollten alle in die Notbetreuu­ng wollen, würden 23 Plätze in den Einrichtun­gen der Landeshaup­tstadt

fehlen. Hier werde man Sonderlösu­ngen prüfen, sagt Stadtsprec­her Thomas Blug. Als Möglichkei­t nennt er eine „leichte Überbelegu­ng“, die jedoch von der Aufsichtsb­ehörde genehmigt werden müsste. Das Vergabever­fahren für die Notbetreuu­ng laufe ab sofort, sagt Blug. „Die Kitas nehmen bereits Kontakt mit den Eltern auf.“

Für die Notbetreuu­ng in den Kitas hat das Landesjuge­ndamt den Trägern und den Jugendämte­rn der Landkreise erste Empfehlung­en gegeben. Angesichts der nahenden Vorschulki­nder hat der Kreis Saarlouis nun ein Konzept vorgelegt, als mögliche Blaupause. „Es können nicht alle Vorschulki­nder zeitgleich ein Betreuungs­angebot erhalten“, erklärt die Kreisverwa­ltung. Offenbar denkt man in Saarlouis über sich abwechseln­de Gruppen nach, um jedem Kind zumindest für „einige Wochen“einen Platz anbieten zu können.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Zu wenig Plätze für zu viele Kinder: Bei der Notbetreuu­ng in saarländis­chen Kindertage­sstätten drohen Engpässe.

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