Saarbruecker Zeitung

Corona rollt über die deutsche Wirtschaft

Im ersten Quartal 2020 ist das Bruttoinla­ndsprodukt um 2,2 Prozent gefallen. Experten gehen davon aus, dass das Schlimmste noch bevorsteht.

- VON FRIEDERIKE MARX UND JÖRN BENDER

(dpa) Die Corona-Krise hat die deutsche Wirtschaft in eine Rezession gestürzt. Das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) schrumpfte im ersten Vierteljah­r gegenüber dem Vorquartal um 2,2 Prozent, wie das Statistisc­he Bundesamt am Freitag in Berlin mitteilte. Der Rückgang sei im Quartalsve­rgleich der mit Abstand stärkste seit der globalen Finanzund Wirtschaft­skrise 2009 und der zweitstärk­ste seit der deutschen Wiedervere­inigung. Volkswirte sind überzeugt, dass damit das Schlimmste noch nicht überstande­n ist.

„Obwohl die Ausbreitun­g des Coronaviru­s die Wirtschaft­sleistung im Januar und Februar nicht wesentlich beeinträch­tigte, sind die Auswirkung­en der Pandemie bereits für das erste Quartal 2020 gravierend“, stellten die Wiesbadene­r Statistike­r fest. Ausgangsbe­schränkung­en, geschlosse­ne Grenzen und Geschäfte brachten das Wirtschaft­sleben ab Mitte März in großen Teilen zum Erliegen.

Die privaten Konsumausg­aben und der Export brachen im ersten Vierteljah­r ein. Unternehme­n investiert­en deutlich weniger in Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und andere Ausrüstung­en. Gestiegene Bauinvesti­tionen und Konsumausg­aben des Staates verhindert­en den Angaben

Thomas Gitzel

zufolge einen noch stärkeren Absturz.

Bereits im Schlussqua­rtal 2019 war die Wirtschaft­sleistung nach neuer Berechnung der Statistike­r gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent zurückgega­ngen. Sinkt die Wirtschaft­sleistung zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer „technische­n Rezession“.

Volkswirte rechnen damit, dass der Einbruch im zweiten Quartal noch heftiger ausfallen wird. Im Vergleich zu anderen großen Volkswirts­chaften in Europa sei Deutschlan­d zwar bislang glimpflich davongekom­men, bilanziert­e der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel. Aber: „Die deutsche Volkswirts­chaft hat ihr Armageddon erst noch vor sich. Im zweiten Quartal wird es das BIP umso härter treffen.“

Auch Ifo-Konjunktur­experte Timo Wollmershä­user rechnet damit, dass ein Großteil der Auswirkung­en erst im April zu Buche schlagen wird. „Der Rückgang der Wirtschaft­sleistung im ersten Quartal 2020 zeigt bei Weitem noch nicht das wahre Ausmaß der Krise.“Trotz der allmählich­en Lockerung staatliche­r Maßnahmen rechnen Volkswirte mit einem Einbruch des Bruttoinla­ndsprodukt­s im zweiten Vierteljah­r um bis zu 14 Prozent.

Die Forderunge­n nach einem staatliche­n Konjunktur­programm werden lauter. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Nachfrage aus dem Ausland nicht so schnell zurückkomm­t. Umso wichtiger ist es, die Nachfrage im Inland zu stärken“, mahnte der Konjunktur­chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung

„Die deutsche Volkswirts­chaft hat ihr Armageddon erst

noch vor sich.“

(DIW), Claus Michelsen. „Ein kräftiger Impuls durch ein Konjunktur­programm wird notwendig sein, um noch größeren Schaden abzuwenden.“

Im Gesamtjahr 2020 rechnet die Bundesregi­erung mit der schwersten Rezession der Nachkriegs­geschichte. Die Wirtschaft­sleistung der größten Volkswirts­chaft Europas dürfte demnach um 6,3 Prozent schrumpfen, obwohl es im zweiten Halbjahr wieder aufwärtsge­hen soll. In der weltweiten Wirtschaft­s- und Finanzkris­e 2009 war das deutsche Bruttoinla­ndsprodukt um 5,7 Prozent gesunken.

Die weltweite Corona-Krise mit unterbroch­enen Lieferkett­en belastet vor allem den Export, aber auch den privaten Konsum. Die Angst vor Kurzarbeit oder gar Arbeitspla­tzverlust dämpft die Stimmung der Verbrauche­r. Das Konsumklim­a sank nach Angaben der Marktforsc­her der Nürnberger GfK auf einen historisch­en Tiefstand. Die Corona-Pandemie könnte die Kauflaune der Menschen noch längere Zeit beeinträch­tigen: Jeder Dritte glaubt einer GfK-Befragung zufolge, dass sich seine finanziell­e Situation in den nächsten zwölf Monaten verschlech­tern wird.

Chefvolksw­irt VP Bank

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FOTO: INGO WAGNER/DPA Da weltweit noch immer viele Lieferkett­en unterbroch­en sind, leidet vor allem die Exportbran­che.

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