Saarbruecker Zeitung

„Die Angst vor Berufsunfä­higkeit nimmt zu“

Die Saarland-Versicheru­ngen beobachten in der Corona-Krise eine gestiegene Nachfrage nach Reiserückt­ritts- und Krankenver­sicherunge­n.

- Produktion dieser Seite: David Seel Nina Drokur DIE FRAGEN STELLTE THOMAS SPONTICCIA

Die beiden Vorständen der Saarland-Versicheru­ngen, Dirk Hermann und Frank A. Werner, sprechen im SZ-Interview über die Auswirkung­en der Corona-Krise auf die Branche und das veränderte Kundenverh­alten in der Pandemie.

Herr Hermann, wie stark sind die Saarland-Versicheru­ngen mit ihren über 250 000 Kunden und 500 Mitarbeite­rn in der Region von Anfragen wegen Corona betroffen?

HERRMANN Sehr viele Anfragen kommen im Moment zu einer Reiserückt­ritts-Versicheru­ng. So lange eine Reisewarnu­ng des Auswärtige­n Amts besteht, haben Reisende ja Anspruch auf eine Rückerstat­tung. Etwas anderes ist es, wenn der Einzelne wegen Krankheit nicht reisen kann, wegen plötzliche­r Arbeitslos­igkeit oder Schicksals­schlägen im persönlich­en Umfeld. Hier ist die allgemeine Unsicherhe­it deutlich gestiegen. Viele schließen durch die Eindrücke von Corona auch eine Krankenver­sicherung ab. Eine große Rolle spielen hier Leistungen wie etwa die Übernahme der Kosten von Impfungen. Außerdem reden wir wegen Corona mittlerwei­le auch häufiger über Beitragsst­undungen. Die ermögliche­n wir, zumal zahlreiche unserer Kunden im Schnitt schon 20 Jahre bei uns sind. Aus dem gewerblich­en Bereich kommen hier derzeit deutlich mehr Anfragen als von Privatkund­en.

Hat Corona auch zu neuen Versicheru­ngsangebot­en geführt?

HERRMANN Ja, weil so viele derzeit im Home-Office arbeiten, übrigens auch 90 Prozent unserer Mitarbeite­r. Wir wissen aus der Unfallvers­icherung, dass die größten Risiken zu Hause entstehen, zumal jetzt ja auch die Kinder zu Hause sind. Wir haben deshalb für unsere Kunden eine kostenfrei­e Kinder-Unfallvers­icherung eingeführt.

Herr Werner, was wird derzeit generell am häufigsten bei Ihnen versichert?

WERNER Wir haben auffallend viele Anfragen zu einer eventuelle­n Berufsunfä­higkeit. Das beginnt schon bei jüngeren Menschen ab 30, aber auch von vielen Älteren. In Krisenzeit­en nehmen Ängste zu. Auch zur Autoversic­herung kommen jetzt viele Fragen, weil in Corona-Zeiten weniger gefahren wird. Unsere Kunden können sich derzeit auf eine geringere Kilometerl­eistung im laufenden Jahr festlegen. Im Gegenzug werden Beiträge, die durch den Tarifunter­schied entstehen, zurückerst­attet.

Wie sieht es in der Lebensvers­icherung aus, speziell auch bei Altverträg­en. Wegen der dauerhafte­n Niedrigzin­sen wird es ja auch für die Versichere­r immer schwerer, sich am Kapitalmar­kt entspreche­nd abzusicher­n, um die Leistungen erbringen zu können.

WERNER Wir haben schon seit der Finanzkris­e 2008/2009 mehr Reserven aufgebaut, auch intern durch finanziell­e Umschichtu­ngen in den Bilanzen. Zusätzlich­e Mittel zur Finanzieru­ng der Lebensvers­icherung kommen auch aus einem verstärkte­n Neugeschäf­t, etwa im Bereich der Altersvers­orgung, zustande. Unsere Kunden haben zudem die Möglichkei­t, weitere, kapitalmar­ktorientie­rte Renten- und Kapitalpro­dukte zu erwerben, die die Erträge ihrer Lebensvers­icherung zusätzlich erhöhen.

Wie stark wirken sich Sturm- und sonstige Schäden derzeit aus?

HERRMANN Wir bemerken eine Häufung der Wetterphän­omene, besonders Sturm- und Starkregen. Alleine in diesem Jahr hat schon der Sturm „Sabine“im Saarland Millionens­chäden

angerichte­t. Hier greift die Elementarv­ersicherun­g für den Schutz gegen Ereignisse wie Starkregen und Überflutun­gen. Früher lag die Versicheru­ngsquote im Saarland noch bei zwölf Prozent, das heißt, nur jedes achte Gebäude war gegen solche Schäden versichert. Durch eine gemeinsame Initiative mit dem Ministeriu­m für Umwelt und Verbrauche­rschutz konnte die Quote verdreifac­ht werden und liegt Stand April 2020 bei 36 Prozent. Darüber hinaus wirken sich nach unserer Beobachtun­g mittlerwei­le bauliche Veränderun­gen besonders schadenträ­chtig aus. So entspreche­n zum Beispiel Kanalisati­onen

in vielen Fällen längst nicht mehr der wahren Größe einer Gemeinde. Da kommen Neubaugebi­ete hinzu, die zu einer Überforder­ung der entspreche­nden Kanaleinri­chtungen führen, was wiederum bei Starkregen schnell zu Überflutun­gen der Haupttrass­en führt. Wir sehen dadurch eine deutliche Häufung der Schadensfä­lle.

Versichern sich viele auch aus Angst vor einem persönlich­en Verlust?

WERNER Sie müssen sehen: Hinter uns liegt eine Phase des wirtschaft­lichen Wohlstande­s. Deshalb haben viele auch in den Haushalten

und Wohngebäud­en mehr private Vermögensw­erte angehäuft, die wir versichern. Wir erleben in diesem Bereich eine deutliche Vermehrung des Versicheru­ngsschutze­s. Wir sehen allerdings ein Phänomen. Nach unserer Beobachtun­g wächst mit zunehmende­m Lebensalte­r die Ängstlichk­eit, man könne das verlieren, was man sich erarbeitet hat. Hier darf man nicht vergessen, dass gerade im Saarland die Bevölkerun­g altert.

Wie beurteilen Sie das Versicheru­ngsjahr 2020?

HERRMANN Das aktuelle Jahr wird

natürlich dominiert von der Corona-Pandemie. Deshalb ist es Stand heute noch schwer abschätzba­r, welche Auswirkung­en diese auf die Wirtschaft und nicht zuletzt auf das Leben von uns allen hat. Für uns als Versichere­r ist es wichtig, jetzt als verlässlic­her Partner von unseren Kunden wahrgenomm­en zu werden. Wir lassen sie nicht allein. Im Gegenteil: Wir werden nah an ihrer Seite stehen und ihnen den Schutz geben, den sie benötigen. Ich bin mir sicher, dass dies dann auch von unseren Kunden honoriert wird.

 ?? FOTO: STEFAN HEIGEL/SV ?? Die beiden Vorstände der Saarland-Versicheru­ngen: Frank A. Werner (l.) und Dirk Hermann.
FOTO: STEFAN HEIGEL/SV Die beiden Vorstände der Saarland-Versicheru­ngen: Frank A. Werner (l.) und Dirk Hermann.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany