„Die Angst vor Berufsunfähigkeit nimmt zu“
Die Saarland-Versicherungen beobachten in der Corona-Krise eine gestiegene Nachfrage nach Reiserücktritts- und Krankenversicherungen.
Die beiden Vorständen der Saarland-Versicherungen, Dirk Hermann und Frank A. Werner, sprechen im SZ-Interview über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Branche und das veränderte Kundenverhalten in der Pandemie.
Herr Hermann, wie stark sind die Saarland-Versicherungen mit ihren über 250 000 Kunden und 500 Mitarbeitern in der Region von Anfragen wegen Corona betroffen?
HERRMANN Sehr viele Anfragen kommen im Moment zu einer Reiserücktritts-Versicherung. So lange eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts besteht, haben Reisende ja Anspruch auf eine Rückerstattung. Etwas anderes ist es, wenn der Einzelne wegen Krankheit nicht reisen kann, wegen plötzlicher Arbeitslosigkeit oder Schicksalsschlägen im persönlichen Umfeld. Hier ist die allgemeine Unsicherheit deutlich gestiegen. Viele schließen durch die Eindrücke von Corona auch eine Krankenversicherung ab. Eine große Rolle spielen hier Leistungen wie etwa die Übernahme der Kosten von Impfungen. Außerdem reden wir wegen Corona mittlerweile auch häufiger über Beitragsstundungen. Die ermöglichen wir, zumal zahlreiche unserer Kunden im Schnitt schon 20 Jahre bei uns sind. Aus dem gewerblichen Bereich kommen hier derzeit deutlich mehr Anfragen als von Privatkunden.
Hat Corona auch zu neuen Versicherungsangeboten geführt?
HERRMANN Ja, weil so viele derzeit im Home-Office arbeiten, übrigens auch 90 Prozent unserer Mitarbeiter. Wir wissen aus der Unfallversicherung, dass die größten Risiken zu Hause entstehen, zumal jetzt ja auch die Kinder zu Hause sind. Wir haben deshalb für unsere Kunden eine kostenfreie Kinder-Unfallversicherung eingeführt.
Herr Werner, was wird derzeit generell am häufigsten bei Ihnen versichert?
WERNER Wir haben auffallend viele Anfragen zu einer eventuellen Berufsunfähigkeit. Das beginnt schon bei jüngeren Menschen ab 30, aber auch von vielen Älteren. In Krisenzeiten nehmen Ängste zu. Auch zur Autoversicherung kommen jetzt viele Fragen, weil in Corona-Zeiten weniger gefahren wird. Unsere Kunden können sich derzeit auf eine geringere Kilometerleistung im laufenden Jahr festlegen. Im Gegenzug werden Beiträge, die durch den Tarifunterschied entstehen, zurückerstattet.
Wie sieht es in der Lebensversicherung aus, speziell auch bei Altverträgen. Wegen der dauerhaften Niedrigzinsen wird es ja auch für die Versicherer immer schwerer, sich am Kapitalmarkt entsprechend abzusichern, um die Leistungen erbringen zu können.
WERNER Wir haben schon seit der Finanzkrise 2008/2009 mehr Reserven aufgebaut, auch intern durch finanzielle Umschichtungen in den Bilanzen. Zusätzliche Mittel zur Finanzierung der Lebensversicherung kommen auch aus einem verstärkten Neugeschäft, etwa im Bereich der Altersversorgung, zustande. Unsere Kunden haben zudem die Möglichkeit, weitere, kapitalmarktorientierte Renten- und Kapitalprodukte zu erwerben, die die Erträge ihrer Lebensversicherung zusätzlich erhöhen.
Wie stark wirken sich Sturm- und sonstige Schäden derzeit aus?
HERRMANN Wir bemerken eine Häufung der Wetterphänomene, besonders Sturm- und Starkregen. Alleine in diesem Jahr hat schon der Sturm „Sabine“im Saarland Millionenschäden
angerichtet. Hier greift die Elementarversicherung für den Schutz gegen Ereignisse wie Starkregen und Überflutungen. Früher lag die Versicherungsquote im Saarland noch bei zwölf Prozent, das heißt, nur jedes achte Gebäude war gegen solche Schäden versichert. Durch eine gemeinsame Initiative mit dem Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz konnte die Quote verdreifacht werden und liegt Stand April 2020 bei 36 Prozent. Darüber hinaus wirken sich nach unserer Beobachtung mittlerweile bauliche Veränderungen besonders schadenträchtig aus. So entsprechen zum Beispiel Kanalisationen
in vielen Fällen längst nicht mehr der wahren Größe einer Gemeinde. Da kommen Neubaugebiete hinzu, die zu einer Überforderung der entsprechenden Kanaleinrichtungen führen, was wiederum bei Starkregen schnell zu Überflutungen der Haupttrassen führt. Wir sehen dadurch eine deutliche Häufung der Schadensfälle.
Versichern sich viele auch aus Angst vor einem persönlichen Verlust?
WERNER Sie müssen sehen: Hinter uns liegt eine Phase des wirtschaftlichen Wohlstandes. Deshalb haben viele auch in den Haushalten
und Wohngebäuden mehr private Vermögenswerte angehäuft, die wir versichern. Wir erleben in diesem Bereich eine deutliche Vermehrung des Versicherungsschutzes. Wir sehen allerdings ein Phänomen. Nach unserer Beobachtung wächst mit zunehmendem Lebensalter die Ängstlichkeit, man könne das verlieren, was man sich erarbeitet hat. Hier darf man nicht vergessen, dass gerade im Saarland die Bevölkerung altert.
Wie beurteilen Sie das Versicherungsjahr 2020?
HERRMANN Das aktuelle Jahr wird
natürlich dominiert von der Corona-Pandemie. Deshalb ist es Stand heute noch schwer abschätzbar, welche Auswirkungen diese auf die Wirtschaft und nicht zuletzt auf das Leben von uns allen hat. Für uns als Versicherer ist es wichtig, jetzt als verlässlicher Partner von unseren Kunden wahrgenommen zu werden. Wir lassen sie nicht allein. Im Gegenteil: Wir werden nah an ihrer Seite stehen und ihnen den Schutz geben, den sie benötigen. Ich bin mir sicher, dass dies dann auch von unseren Kunden honoriert wird.