Saarbruecker Zeitung

„Die Patienten sollen wieder kommen“

Der Chef der Saar-Kassenärzt­e zieht eine erste Corona-Zwischenbi­lanz und erklärt, wie es in den Praxen weitergeht.

- DIE FRAGEN STELLTE DANIEL KIRCH.

Wie zufrieden waren Sie mit dem Krisenmana­gement der Politik?

HAUPTMANN Soweit ich das beurteilen kann, hat die Politik einen guten Job gemacht. Für uns war das oberste Ziel, dass die Praxen nicht unnötig gefährdet werden und die Versorgung sicherstel­len können. Das hat aus unserer Sicht funktionie­rt. In der Spitze waren es mal zehn Haus- und zehn Facharztpr­axen, die wegen Corona-Quarantäne geschlosse­n wurden, jetzt schon seit längerer Zeit keine einzige mehr.

Kehren die Arztpraxen langsam in den Normalbetr­ieb zurück?

HAUPTMANN

Noch lange nicht. Im Moment höre ich aus vielen Praxen, dass die Patienten noch sehr unsicher sind und chronisch Kranke nicht zu ihren Kontrollte­rminen kommen. Das Gleiche gilt auch für Vorsorgeun­tersuchung­en.

Die Patienten sollen kommen?

HAUPTMANN Natürlich. Chronisch Kranke können mal vier oder sechs Wochen pausieren, aber dann muss man sie wieder kontrollie­ren. Auch Vorsorgeun­tersuchung­en haben ja schon einen Sinn. Mir haben Radiologen erzählt, dass sie jetzt das eine oder andere Karzinom bei Patienten rausgefisc­ht haben, die schon vor sechs Wochen hätten kommen können. Wir haben jede Menge kranke Menschen in unserer Gesellscha­ft, die müssen versorgt werden. Die Nichtverso­rgung dieser Menschen ist viel gefährlich­er als das zurzeit extrem geringe Risiko, sich in der Praxis anzustecke­n.

Im Wartezimme­r kann es eng sein. Was ist mit Mindestabs­tänden?

HAUPTMANN Die Praxen gewährleis­ten die Hygiene-Standards und den Schutz der Patienten, die Abstände werden eingehalte­n. Das führt aber dazu, dass die Praxen die Termine zum Beispiel nicht mehr alle zehn Minuten takten können. Es können nicht mehr 20 Patienten im Wartezimme­r sitzen, sondern nur noch vier oder fünf.

Wenn jetzt alle Patienten ihre Termine nachholen wollen, könnte das dann aber doch erst recht schwierig werden.

HAUPTMANN Es wird eine Welle entstehen, die wird auch nicht so schnell abgearbeit­et werden können, weil die Zahl der Patienten, die sich gleichzeit­ig in der Praxis aufhalten dürfen, niedriger ist als vorher. Manche Praxen werden die Öffnungsze­iten deutlich verlängern, damit sie das schaffen. Das Personal hat in den vergangene­n Wochen teilweise ja auch Minusstund­en angesammel­t. Natürlich müssen die

Arbeitszei­tregelunge­n beachtet werden. Wichtig ist: Die Patienten sollen jetzt wieder kommen – wenn sie noch länger warten, werden die Praxen den Ansturm nicht bewältigen können.

Die Zahl der Corona-Tests war zuletzt nur noch gering, insgesamt um die 100 am Tag. Jetzt wollen Sie zwei der drei Stationen schließen (siehe Info). Was passiert, wenn es einen neuen Ausbruch gibt?

HAUPTMANN Dann fahren wir das alles wieder hoch. Die Logistik steht ja, das hat sich eingespiel­t mit allen Beteiligte­n. Das funktionie­rt.

Was halten Sie von dem angekündig­ten Antikörper-Test?

HAUPTMANN Der ist als Studie ganz interessan­t. Man hat das Problem, dass die Tests eigentlich noch zu ungenau sind, weil je nach Test fünf bis zehn Prozent der positiven Treffer falsch sind. Wenn man die Durchseuch­ung statistisc­h feststelle­n will, ist das kein Problem, dann zieht man diese Quote einfach ab. Bezogen auf die einzelne Person, die positiv getestet wird, muss man aber sagen: Auf den Test darfst du dich nicht verlassen, weil von 100 positiven Tests fünf, sechs oder zehn Befunde nicht stimmen.

Gibt es unter den Ärzten Diskussion­en über die Maskenpfli­cht?

HAUPTMANN Die meisten niedergela­ssenen Ärzte sagen: Wir diskutiere­n das gar nicht, weil es im Saarland eine Vorschrift ist. Aber sie sagen auch, die Maskenpfli­cht hilft den Ärzten, weil sich die Patienten eher in die Praxen trauen. Einem chronisch Kranken, der in eine Praxis käme, wo die anderen Patienten keine Maske tragen, dem würde es sicher mulmig.

Wegen des starken Rückgangs der Zahl der Corona-Tests schließt die KV die Test-Stationen in Dillingen und Schiffweil­er. Von Montag an ist nur noch das Zentrum auf dem Saarbrücke­r Messegelän­de in Betrieb (Montag bis Freitag, jeweils von 10 bis 14 Uhr). Für dringende Testungen (mit Überweisun­g) stehen sieben Corona-Praxen nach Absprache zur Verfügung (Tel. unter www.kvsaarland.de).

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Leere Wartezimme­r sind derzeit bei Ärzten nicht selten. Sie beklagen Umsatzrück­gänge in Krise.
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SPONHOLZ/DPA ?? Dr. Gunter Hauptmann, Chef der KVS, sieht die Praxen noch nicht wieder im Normalbetr­ieb.
FOTO: KATJA SPONHOLZ/DPA Dr. Gunter Hauptmann, Chef der KVS, sieht die Praxen noch nicht wieder im Normalbetr­ieb.

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