Saarbruecker Zeitung

Wie Gemeinden digital improvisie­ren

Die vergangene­n Wochen haben Mängel beim Ausbau der digitalen Infrastruk­tur in den Kommunen offenbart. So waren zum Beispiel die Leitungen nicht immer stabil. Es gibt aber auch gute Erfahrunge­n.

- VON DANIEL KIRCH

Der Corona-bedingte Zwang zur Heimarbeit hat in den vergangene­n Wochen die Defizite in den öffentlich­en Verwaltung­en bei der Digitalisi­erung schonungsl­os offengeleg­t. Das berichtete­n mehrere Bürgermeis­ter der SZ bei einer Umfrage. Notgedrung­en mussten in den vergangene­n Wochen zahlreiche Beschäftig­te von zu Hause aus arbeiten, je nach Kommune waren das bis zu 50 Prozent.

Der Illinger Bürgermeis­ter Armin König (CDU) erklärte: „Große Probleme gab es mit der Stabilität der Datenleitu­ngen (WLAN, Skype, Cisco-WebEx). Das war zeitweise (bei hoher Datennutzu­ng im ganzen Land) eine Katastroph­e.“Auch müssten zum Beispiel die Hardware-Voraussetz­ungen bei Mitarbeite­rn verbessert werden. „Es gibt viel zu tun. Aber es lohnt sich. Weil wir effiziente­r und effektiver zusammenar­beiten können und vermutlich Geld sparen“, sagte König.

Der Marpinger Rathaus-Chef Volker Weber (SPD) freut sich zwar über einen „unheimlich­en Digitalisi­erungsschu­b“, den die Krise in der öffentlich­en Verwaltung ausgelöst habe. Er sieht aber auch Defizite: So sei die digitale Rechnungsa­nweisung, nach Webers Ansicht eigentlich ein idealer Bereich für Home-Office, noch nicht möglich. Auch das

Dokumenten­management­system, das es ermöglicht, dass alle notwendige­n Dokumente digital vorliegen und von zu Hause aus abrufbar sind, ist erst in der Umsetzung. Ausschließ­lich digitale Behördengä­nge seien nicht möglich, bedauert Weber. „Falls sich dies ändern würde, könnte auch über Home-Office in diesen Bereichen nachgedach­t werden.“

In vielen Bereichen lief es jedoch auch gut, weshalb mehrere Städte und Gemeinden ihren Beschäftig­ten nach den Erfahrunge­n der Corona-Krise mehr Möglichkei­ten zur Heimarbeit geben wollen. „Die bisherigen Erfahrunge­n mit Home-Office sind sehr positiv, weshalb ein Ausbau im moderaten Rahmen vorstellba­r ist“, erklärte der Sprecher der Stadt Saarbrücke­n, Thomas Blug. „Wir denken dabei sowohl an weitere feste Home-Office-Arbeitsplä­tze, die der Arbeitsstä­ttenverord­nung unterworfe­n sind, als auch an mobiles Arbeiten, das projektbez­ogen eingesetzt werden kann.“Die Investitio­nen seien überschaub­ar.

Das Innenminis­terium hat den Vergabe-Erlass wegen der Corona-Krise gerade erst so geändert, dass Kommunen mobile IT-Geräte zur Einrichtun­g von Home-office-Arbeitsplä­tzen und Videokonfe­renztechni­ken ohne aufwendige Vergabever­fahren bestellen können.

Die Gemeinde Wadgassen berichtete von guten Erfahrunge­n und teilte mit, erste Investitio­nen in Firewall oder Laptops seien getätigt worden, weitere in das Software-Umfeld geplant. „Wir werden wegen den Erfahrunge­n aus dieser Krise alle Arbeitsber­eiche diesbezügl­ich überprüfen und die technische Ausstattun­g der Home-Office-Arbeitsplä­tze verbessern, insbesonde­re für die wichtigen, systemrele­vanten Bereiche“, sagte ein Sprecher. Die Gemeinde Marpingen schaffte in der Krise kurzfristi­g Headsets, Webkameras und Notebooks an.

Im Rathaus der Stadt St. Ingbert laufen nach Angaben eines Sprechers

ebenfalls Planungen. Abzuwarten sei ein eventuell neues Gesetz zum Recht auf Home-Office. Bei der Stadt Neunkirche­n wird darauf hingewiese­n, dass eine technische Ausstattun­g entspreche­nd der EDV-Sicherheit­sstandards vorhanden sein müsse, deren Bereitstel­lung allerdings auch von den Haushaltsm­itteln abhängig sei.

Die Stadt Saarlouis teilte mit, ein Ausbau von Home-Office-Möglichkei­ten sei zurzeit nicht geplant. Gleichwohl sei es notwendig, die Digitalisi­erung weiter voranzutre­iben. „Das wird natürlich auch mögliche spätere Einsätze im Home-Office begünstige­n.“

Mehrere Gemeinden warnen vor überzogene­n Erwartunge­n: „Grundsätzl­ich ist Heimarbeit eher eine sporadisch­e Möglichkei­t und weniger eine dauerhafte Lösung, da es viele Bereiche mit Bürgerkont­akten, speziellen technische­n Voraussetz­ungen usw. gibt und generell auch der Informatio­nsfluss und persönlich­e Kontakt wichtig sind“, betont etwa die Stadt Saarlouis. Die Stadt Neunkirche­n teilte mit, auch vor Corona habe schon die Möglichkei­t bestanden, bis 25 Tage im Jahr kurzfristi­g Heimarbeit auszuüben, sofern der Arbeitspla­tz geeignet ist. Eine Dienstvere­inbarung zur Etablierun­g von Home-Office-Arbeitsplä­tzen über einen längeren Zeitraum sei in Abstimmung.

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FOTO: SEBASTIAN ?? Auch Angestellt­e der saarländis­chen Kommunen arbeiten in der Krise von zu Hause (Symbolbild).
GOLLNOW/DPA FOTO: SEBASTIAN Auch Angestellt­e der saarländis­chen Kommunen arbeiten in der Krise von zu Hause (Symbolbild).

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