Saarbruecker Zeitung

Vor 80 Jahren verschlepp­ten Nazis die Sinti aus dem Saarland

- Produktion dieser Seite: Michael Kipp, Tobias Kessler, Dietmar Klosterman­n

(dik/ epd) Der Verband Deutscher Sinti und Roma im Saarland gedenkt an diesem Samstag mit Kranzniede­rlegungen an die erste große Deportatio­n von Sinti-Familien vor 80 Jahren durch die Nationalso­zialisten. Am Jahrestag, dem 16. Mai, werden in Erinnerung an die Deportiert­en Blumen an der Gedenkstät­te Gestapo-Lager Neue Bremm in Saarbrücke­n und auf dem Kirkeler Friedhof niedergele­gt, wie die Vorsitzend­e des Landesverb­ands Diana Bastian der Saarbrücke­r Zeitung auf Anfrage sagte. „Wir können das wegen der Pandemie nur in kleinstem Kreis machen“, erklärte Bastian. 69 saarländis­che Sinti seien ab dem 16. Mai 1940 in die Vernichtun­gslager verschlepp­t worden. Das Gestapo-Lager in Saarbrücke­n sei für einige der Verschlepp­ten eine Zwischenst­ation auf dem Leidensweg gewesen. „Ich arbeite gerade mit Unterstütz­ung der Landeszent­rale für politische Bildung an einer Studie über die Einzelschi­cksale der NS-Opfer“, sagte Bastian. Zwei stammten aus Kirkel. Bei der Kranzniede­rlegung auf dem dortigen Friedhof würden auch Angehörige der beiden Opfer teilnehmen.

Auch der Landesverb­and Deutscher Sinti und Roma in Rheinland-Pfalz will an den Gedenkorte­n in Koblenz, Trier, Landau, Ludwigshaf­en, Mainz und Worms Kränze niederlege­n, wie der Verband in Landau mitteilte. Die Deportatio­nen im Mai 1940 seien die erste Aktion der Nationalso­zialisten gewesen, bei der Angehörige der Minderheit systematis­ch und familienwe­ise verschlepp­t wurden, hieß es. Insgesamt seien damals 2800 Menschen deportiert worden. Die Sinti- und Roma-Familien aus Mainz, Ingelheim, Worms, Ludwigshaf­en und anderen Ort in der Pfalz seien von den Nationalso­zialisten in das Sammellage­r Hohenasper­g bei Ludwigsbur­g in Baden-Württember­g gebracht worden. Die Familien aus den Regionen Koblenz und Trier kamen in ein Sammellage­r auf das Kölner Messe-Gelände.

In den Sammellage­rn mussten den Angaben zufolge alle Deportiert­en

ihre Ausweispap­iere abgeben und erhielten dafür einen „Zigeunerau­sweis“. Wenige Tage später wurden die Sinti und Roma mit Zügen in die Ghettos und Konzentrat­ionslager in das von den Nationalso­zialisten besetzte Polen gebracht. In den Ghettos und Konzentrat­ionslagern hätten Folter und Terror der SS, Appelle, schwerste Zwangsarbe­it bei völlig unzureiche­nder Ernährung sowie katastroph­ale hygienisch­e Bedingunge­n den Alltag bestimmt. Mehr als 500 000 Sinti und Roma in Europa seien in der NS-Zeit ermordet worden.

Die Deportatio­nen waren dem Landesverb­and zufolge zugleich ein Test für die Zusammenar­beit von Reichssich­erheitshau­ptamt (RSHA),

Ortspolize­i und Reichsbahn. Dabei sei es um organisato­rische Fragen gegangen: wie so viele verhaftete Menschen transporti­ert und überwacht werden konnten, ob sie Widerstand leisteten und wie die Bevölkerun­g auf das öffentlich­e Fortschaff­en einer Minderheit reagierte. Eine Vorstufe für den Massenmord der Nazis an den europäisch­en Juden. Im Saarland, der Pfalz und Baden begann dieser Massenmord am 21./22. Oktober, als die Juden dieser Gaue ins Lager Gurs an den Pyrenäen deportiert wurden.

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FOTO: SEEBER/EPD Die Gestapo-Gedenkstät­te Neue Bremm in Saarbrücke­n.

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