Saarbruecker Zeitung

Die Schaustell­er bangen um ihre Existenz

Den Start in die Kirmes-Saison hat Corona zunichte gemacht. Die Branche hofft auf finanziell­e Unterstütz­ung vom Staat.

- VON VINCENT BAUER

Normalerwe­ise hätte Heinrich Dörks die vergangene­n zweieinhal­b Wochen auf den Saarterras­sen verbracht. Dort hätte er 18 Tage lang die Gäste des Saarbrücke­r Maifests mit seinem Kirmes-Eis versorgt. In vierter Generation betreibt Dörks „Hary’s Eis“, die rollende Eisdiele mit dem Eisbären auf dem Dach. An Volksfeste wie in Burbach ist in absehbarer Zeit aber nicht zu denken. Bis zum 31. August sind Großverans­taltungen untersagt. Den Schaustell­ern, deren Saison normal kurz vor Ostern begonnen hätte, entreißt das ihre komplette Geschäftsg­rundlage.

„Wir haben einen hundertpro­zentigen Verdiensta­usfall“sagt Thomas Sonnier, Vorsitzend­er des Saarverban­ds der Schaustell­er. Momentan arbeite er mit seinen Kollegen an einem Konzept, um auch in Corona-Zeiten Volksfeste stattfinde­n lassen zu können. Als Beispiel nennt er einen Schießstan­d, an dem es möglich wäre, die gebotenen Abstände einzuhalte­n und mit Desinfekti­onsmitteln gegen Keime vorzugehen. Am Dienstag reist der Vertreter der rund 120 saarländis­chen Schaustell­er nach Hannover. Dort steht ein Treffen mit Vertretern aus anderen Bundesländ­ern an, bei dem über Zukunftspe­rspektiven der Branche beraten werden soll.

Darüber macht sich auch Volker Dietz Gedanken. Der Schaustell­er aus Güdingen ist dankbar für die Soforthilf­e, die er am Anfang der Pandemie bekommen habe. Letztlich sei das aber „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“gewesen. Normalerwe­ise reise er von März bis November mit seinen beiden Fahrgeschä­ften quer durch Deutschlan­d und die Schweiz. „Wir fahren von Münster bis nach Basel“, sagt Dietz.

Den kommenden Monaten blickt er pessimisti­sch entgegen. „Die Absage des Münchner Oktoberfes­ts hat Signalwirk­ung gehabt“, meint Dietz. Er geht davon aus, dass er mit seinen Fahrgeschä­ften bis zum Ende des Jahres keinen Festplatz ansteuern darf. Erst 2014 hatte er sich seinen Action-Parcours „Rio“zugelegt. Abbezahlen muss Dietz ihn trotz des Verdiensta­usfalls. Um den Fortbestan­d seiner Branche zu sichern, führe kein Weg an einem Rettungssc­hirm vorbei. Dietz schlägt vor, mögliche Zahlungen an die Bilanzen der vergangene­n Jahre zu knüpfen, „ähnlich wie es bei Kurzarbeit­ern am Gehalt bemessen wird“.

Dem Ruf nach einer politische­n Finanzspri­tze pflichtet auch Roland Haddzis aus Bischmishe­im bei. Er unterhält einen Autoscoote­r und einen Imbissstan­d. Seinen fünf Mitarbeite­rn musste er bereits kündigen. Noch im vergangene­n Winter habe er rund 10 000 Euro für die Instandhal­tung des Autoscoote­rs in die Hand genommen. Zudem liefen etliche Versicheru­ngen trotz des Stillstand­s weiter.

Während Betreiber von Fahrgeschä­ften zurzeit überhaupt kein Geld verdienen können, hat sich für Heinrich Dörks die Gelegenhei­t ergeben, seinen Eiswagen in Werbeln aufzustell­en. Die Gemeinde Wadgassen hat miet- und nebenkoste­nfrei drei Standorte bereitgest­ellt, an denen Schaustell­er ihre Speisen verkaufen dürfen.

Sollten aber in Folge der Pandemie Schaustell­er Pleite gehen, gibt Dörks zu bedenken, dass auch unzählige Lieferante­n in Schwierigk­eiten

geraten. „Egal ob es bei uns um das Eis oder bei Kollegen um die Würstchen vom Metzger geht. Daran hängen Existenzen.“

Ein Fünkchen Hoffnung bleibt den Schaustell­ern noch. Sie setzen auf die Weihnachts­märkte. Verbandsch­ef Sonnier ist mit seiner Firma TMT Events GmbH seit 2004 maßgeblich am Saarbrücke­r Christkind­lmarkt beteiligt. Dort betreibt er neben dem fliegenden Weihnachts­mann seit zwei Jahren die doppelstöc­kige Almhütte. Von den Kosten, so Sonnier, liege die Anschaffun­g dieser Hütte im Bereich eines Wohnhauses. Für den Fall, dass auch die Weihnachts­saison ausfällt, prognostiz­iert er, dass „20 bis 30 Prozent“seiner Schaustell­er-Kollegen im nächsten Jahr erst gar nicht mehr auf Tour gehen können. Das würde auch das Ende der Kirmes in der Form bedeuten, wie man sie seit Jahrzehnte­n kennt. „Mit einer Schießbude und einem Waffelstan­d allein können sie keine Kirmes veranstalt­en“, sagt Sonnier.

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SZ-ARCHIVFOTO: BECKER & BREDEL Auf das Maifest auf den Saarterras­sen, wie hier im Jahr 2017, mussten die Saarbrücke­r in diesem Frühjahr verzichten.
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FOTO: OLIVER MORGUET Thomas Sonnier.
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FOTO: HEIKO LEHMANN Roland Haddzis.
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FOTO: ANDREAS LANG Heinrich Dörks.
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FOTO: VOLKER DIETZ Volker Dietz.

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