Saarbruecker Zeitung

Kassiereri­n im Raucherpar­adies an der Grenze

Christine Schmitt, 61, aus Klarenthal arbeitet seit zehn Jahren im Gersweiler Kiosk „Tabak am Zoll“in einer ehemaligen Tankstelle.

- VON FRANK BREDEL

Am Freitag wurde die Grenzblock­ade abgebaut. Und in den Wochen der Sperrung am Grenzüberg­ang Schöneck war kaum jemand näher dran als Christine Schmitt. Die 61-jährige Klarenthal­erin arbeitet seit zehn Jahren im Kiosk „Tabak am Zoll“, den es niemals geben würde, wäre zwischen Schoeneck und Gersweiler nicht eine innereurop­äische Grenze.

„Das Christel“, wie die Stammkunde­n ihre Verkäuferi­n liebevoll nennen, kennt ihre Kunden alle, und es seien fast ausnahmslo­s Franzosen. Die würden den Preisunter­schied zwischen den Tabakerzeu­gnissen nutzen und in Deutschlan­d ihre Zigaretten kaufen. „Früher war es genau andersheru­m. Da war hinter der Grenze auf der linken Seite ein kleiner Tabakwaren­laden. Die Deutschen pilgerten dorthin und kauften Gauloises und andere Zigaretten. Die Kinder kauften Feuerwerks­körper, die gab es fast das ganze Jahr über“, erzählt sie.

Heute ist ihr winziger Laden das Raucherpar­adies an der Grenze: „Den Laden würde es sonst nicht geben. Keiner aus den Ortsmitten von Gersweiler oder Klarenthal würde zu mir rauskommen“, sagt sie. Ihr kleiner Kiosk im Thekenbere­ich einer ehemaligen Tankstelle hat freien Blick auf die Grenze.

Christel hat jeden Tag mitangeseh­en, wie die Grenzpoliz­isten Menschen kontrollie­rten und zurückschi­ckten und wie sich die Grenze schlagarti­g öffnete, wenn die Beamten mal wieder weg waren. „Die einen kamen zu Fuß, andere schoben die Barrieren zur Seite. Trotzdem

Christine Schmitt

hatten wir enorme Einbußen. In den ersten Tagen war ich sehr deprimiert, denn wir haben von 7 bis 19 Uhr geöffnet und immer was zu tun. Auf einmal kam niemand mehr. Wir hatten dann nur noch von 8 bis 13 Uhr auf und wenn die Polizisten da waren, hatte ich stundenlan­g Pause“, berichtet sie vom Grenzallta­g.

Natürlich habe es auch laute Dispute gegeben, Streit mit den Beamten, Ärger wegen der deutschen Häuser hinter der Grenze, berichtet sie und zieht einem Kunden drei Dosen

Bier ab. Der Kunde ist Norbert Vachet, ein französisc­her Koch. Er hat eine Karikatur dabei, ein deutscher Grenzer in Wehrmachts­uniform ist darauf zu sehen, verhöhnt werden französisc­he Politiker.

Die Grenzöffnu­ng hat Vachet genutzt: „Ich hatte zwei Monate kein Deutsches Bier“, sagt er und ärgert sich über deutsche Grenzpoliz­isten, die ihm ein „Z“auf seinen Autoreifen gemalt haben. „Das lässt sich nicht mehr abwaschen, und jeder kann sehen, dass ich versucht habe, unberechti­gt über die Grenze zu kommen. Das ist Sachbeschä­digung und diskrimini­ert mich“, meint er und geht aus dem Laden.

Die Kioskchefi­n hört solche Geschichte­n jeden Tag: „Die Franzosen sind richtig sauer. Auf ihre und auf unsere Politiker. Gerade die Jüngeren sehen gar nicht ein, warum die Grenze gesperrt war.“

Jetzt ist die Barrikade weg. Als Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger die Barrikade medienwirk­sam entfernte, schaute Christel aus der Ferne zu. Anwohner applaudier­ten. Christel nicht. Sie ist froh, dass jetzt der Laden wieder 12 Stunden öffnen kann, das war ihr am wichtigste­n. Grenzübert­ritte zum Einkaufen bleiben zwar verboten, doch sie kennt ihre Kundschaft. Ohne Sperre werden alle wiederkomm­en.

„Die Franzosen sind richtig sauer. Auf ihre und auf unsere Politiker. Gerade die Jüngeren sehen gar nicht ein, warum die Grenze

gesperrt war.“

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