Die zweite Kicker-Karriere des Stefan Schmidt
Fußballer, 26, aus St. Arnual streitet nach Verlust eines Unterschenkels um Schadenersatz. Und er kämpfte sich in den Sport zurück.
Lebensfreude und puren Optimismus strahlte Stefan Schmidt aus, als er am Freitag um den Kunstrasen in St. Arnual joggte und danach auf dem Platz noch ein bisschen auf dem linken Fuß einen Ball jonglierte. Die richtig guten Fußballer kicken allerdings mit beiden Füßen abwechselnd. Wie sieht’s damit aus?
Stefan Schmidt hört auf. Und dann fängt er an zu lachen. „Das wird etwas schwierig. Dafür bekomme ich aber in den rechten Fuß keinen Krampf mehr“, sagt der 26-Jährige und lacht wieder.
Im April 2017 schlug das Schicksal bei dem damals 23-jährigen Saarbrücker zu, wie es kaum härter hätte zuschlagen können. Im Entscheidungsspiel um die Kreisliga-Meisterschaft zwischen seinem FC St. Arnual und dem SV Schafbrücke lief Torjäger Stefan Schmidt bereits in der sechsten Minute allein auf das gegnerische Tor zu.
„Der Torhüter kam raus, und ich habe versucht, den Ball an ihm vorbeizulegen. Dann habe ich nur noch gemerkt, dass es krachte. Als ich auf meine Füße schaute, sah ich, dass mein rechter Unterschenkel auf halb acht stand“, blickt der Stürmer zurück.
Schien- und Wadenbeinbruch lautete die Diagnose. „Für mich war das im ersten Moment nichts Dramatisches. Operation, acht Monate Pause, und weiter geht’s. Das waren schon auf dem Platz meine Gedanken“, erinnert sich der St. Arnualer. Doch es kam ganz anders. Es gab nach der OP schwere Komplikationen wie Keime in der Wunde. Schmidt schwebte plötzlich in Lebensgefahr.
„Meine Wade schwoll an, und ich hatte extreme Schmerzen. Ich bekam nur Schmerzmittel. Als sich die Ärzte dann doch zu einer weiteren Operation entschlossen, war es schon zu spät. Das Gewebe war halb abgestorben“, erzählt er.
Nach der Verlegung in ein anderes Krankenhaus folgten die Notoperation und die Amputation. „Ohne die Amputation wäre ich gestorben. Das Bein fühlte sich nicht mehr an wie ein Teil von mir. Ich habe direkt nach der Operation damit begonnen zu recherchieren, welche Möglichkeiten es für Sportler ohne Bein gibt und ob es Fußballmannschaften für solche Sportler gibt“, sagt Junior. So nennen ihn seine Freunde, da er denselben Vornamen wie sein Vater hat.
Was seine Freunde, der FC St. Arnual, andere Vereine und viele Menschen mehr danach unternommen haben, um dem Unfallopfer zu helfen, war unglaublich.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft rollte damals durch ganz Deutschland und noch weit darüber hinaus. Spenden wurden gesammelt, Fußball-Profis meldeten sich von überall. Sogar Weltmeister Toni Kroos von Real Madrid schickte eine Videobotschaft.
„Es war überwältigend. Durch die Spenden konnte ich mir eine besondere Prothese zum Joggen anfertigen lassen. Die kostete 10 000 Euro und wird nicht von der Krankenkasse bezahlt. Mit einer weiteren Prothese kann ich auch Auto fahren. Ich bin ganz vielen Menschen sehr dankbar“, sagt der 26-Jährige.
Er ließ sich nicht unterkriegen und ist heute Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft der Amputierten-Fußballer. Er spielt bei der TSG Hoffenheim Fußball und fährt dafür alle zwei Wochen zu einem Trainingslager in den Kraichgau. Für dieses Jahr stand als Höhepunkt mit der Nationalmannschaft die Europameisterschaft in Polen auf dem Programm. Wegen Corona wurde sie verschoben. Stefan findet das zwar schade, aber genervt ist er davon nicht.
Ihn nerven andere Sachen. „Ich finde es seltsam, dass Menschen direkt geschockt sind, wenn sie sehen, dass mir ein Bein fehlt. Ich brauche keine Sonderbehandlung. Für mich, meine Familie und Freunde ist das alles normal. Wenn ich auf einem Bein durch meine Wohnung hüpfe, ruft meine Mama immer: ,Da kommt mein Flamingo’. Ich mag diese Witze und diese Art von Humor viel lieber als schlimme Reaktionen“, sagt das Fußballtalent.
Auch in Stefans Zukunft soll der Fußball eine große Rolle spielen. Er möchte weiter in der Nationalmannschaft spielen und Trainerscheine machen. Und er hofft, dass das Gericht zu seinen Gunsten entscheiden wird. Wegen des angeblichen Ärztepfusches nach der ersten Operation ist Stefan Schmidt mit seinem Anwalt vor Gericht gezogen. Es geht um mehrere hunderttausend Euro, doch bis zu einer Entscheidung kommt, können bis zu zehn Jahre vergehen.
„Darum kümmert sich mein Anwalt, damit ich mir nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen muss. Ich hoffe nur, dass ich am Ende auch bekomme, was mir zusteht. Es wurden Fehler gemacht, und ich habe deshalb ein Bein verloren“, sagt der 26-Jährige, blickt kurz ernst drein, sagt dann aber: „Komm, wir kicken noch ein bisschen auf dem Platz.“Alles klar. Pressball? „Von mir aus. Mit links oder mit rechts“, entgegnet die St. Arnualer Frohnatur. Und lacht.