Im Pott steigt das erste Derby unter Laborbedingungen
Borussia Dortmund und Schalke 04 stehen sich an diesem Samstag ohne Zuschauer gegenüber. Was von der Partie zu erwarten ist, weiß keiner so recht.
(sid) Vor dem frustrierendsten aller Revierderbys leidet auch der Rekordsieger. „Mir blutet das Herz“, sagt Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc, Schalke-Trainer David Wagner fühlt sich gar wie vor einem Testspiel. In 177 Auflagen des Ruhrpott-Klassikers hat es vom Hundebiss ins Hinterteil über das Torhüter-Kopfballtor bis zu einem 4:4 nach einer Dortmunder 4:0-Führung fast jedes denkbare Drama gegeben – aber kein Geisterderby unter Laborbedingungen.
„Es wird das ungewöhnlichste Derby der Geschichte“, sagt BVB-Lizenzspieler-Chef Sebastian Kehl vor dem kurios-bitteren Treffen
der Erzrivalen im verwaisten Signal-Iduna-Park an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky): „Dieses Spiel lebt von den Fans, ihren Emotionen, von der Begeisterung im Stadion. Das alles werden wir nicht erleben.“
Zorc hat für den BVB als Spieler zehn Derbys gewonnen, kein anderer siegte im ewig jungen Duell zwischen Schwarz-Gelb und Blau-Weiß häufiger. Die innere Hitze und Aggression ergibt sich für ihn üblicherweise aus der Brisanz im brodelnden Hexenkessel: „Wir brauchen diesmal ohne die Fans, ohne die Südtribüne ein höheres Maß an Eigendynamik und Eigenmotivation.“
Das Spiel wird wohl im Kopf entschieden – und die Schalker wittern ihre große Chance. Im März, da wären sie angesichts von sieben Spielen in Serie ohne Sieg klarer Außenseiter gewesen. Aber so? „Die Dortmunder sind genauso im Nebel wie wir“, sagt Wagner, der gegen das Gefühl der „Vorbereitung auf das erste Testspiel der Saison“ zu kämpfen hat. Keiner weiß, wo er steht, alles scheint möglich. Ohnehin hat Schalke nur eines der vergangenen acht Ligaderbys verloren.
Dem BVB wäre das Duell vor der zweimonatigen Corona-Zwangspause mit Sicherheit lieber gewesen. Mit sieben Siegen in acht Rückrundenspielen hatte die Mannschaft von Trainer Lucien Favre einen schönen Lauf. Kapitän Marco Reus (Adduktorenverletzung) wäre zwar auch vor zwei Monaten ausgefallen, doch nun muss Favre im defensiven Mittelfeld Emre Can und Axel Witsel (beide muskuläre Probleme) sowie Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou (Knieverletzung) ersetzen.
Vier Punkte beträgt der Rückstand des BVB auf Spitzenreiter Bayern München, ein erneuter Ausrutscher gegen Schalke (wie im Vorjahr beim 2:4 am 27. April) könnte bereits das Ende aller Titelträume bedeuten. Für Zorc allerdings ist angesichts der diffusen Lage „jetzt nicht der Moment, um über die deutsche Meisterschaft zu reden“.
Einig sind sich alle darüber, dass wohl kein Fußball höchster Güteklasse zu erwarten ist. „In der Regel sieht das erste Spiel nach einer längeren Pause in der Vorbereitung nicht so prickelnd aus“, sagt Wagner. In Abwesenheit von Omar Mascarell und Benjamin Stambouli könnte Daniel
Caligiuri Kapitän der Schalker sein.
Die Fans indes sollen sich hüten, sich zu versammeln, ansonsten „können sie oder andere vielleicht nie wieder ein Derby gucken“, sagte Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau: „Wir wollen dafür sorgen, dass die Null steht – die Null bei der Infektionskette.“Die Null stand bei beiden Teams allerdings auch im Hinspiel.
Die DFL hat am Freitag die Maskenpflicht für Trainer aufgehoben. Diese wären in ihrer Arbeit „bei der Erteilung von Anweisungen sowie angewandter Mimik und Gestik erheblich eingeschränkt“, sagte DFL-Direktor Ansgar Schwenken.