Saarbruecker Zeitung

Fragwürdig­e Bewertunge­n für Ärzte

Rezensione­n in Internet-Foren sollen Patienten die Suche erleichter­n. Allein darauf sollten sie sich nicht verlassen.

- VON ANGELIKA MAYR

(dpa) In Gesprächen mit Freunden und Verwandten kommt häufig die Frage nach einem guten Arzt auf. Doch nicht immer hat das persönlich­e Umfeld einen guten Tipp parat. Daher suchen viele im Internet nach einer Antwort. Auf Bewertungs­portalen werden Ärzte mit Sternchen oder Kommentare­n bewertet. Darauf sollten sich Patienten nicht ausschließ­lich verlassen, rät Christiane Rock vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and.

Die Portale bieten neben der Suche nach Ärzten auch Gesundheit­sinformati­onen an. Wer einen Facharzt suche, erhalte dort einen ersten Überblick darüber, wo sich der nächste Facharzt befinde und welche Zusatzqual­ifikatione­n er habe, sagt die Verbrauche­rschützeri­n. Geht es aber um die Beurteilun­g der menschlich­en und medizinisc­hen Qualitäten, wird es schwierig. „Bei jedem Stern handelt es sich um eine subjektive Einschätzu­ng, die häufig nicht nachprüfba­r ist“, sagt Roland Stahl von der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, welche die freiberufl­iche Ärzte und Psychother­apeuten vertritt. Außerdem bewerten laut Stahl eher diejenigen, die meckern wollen. „Wer zufrieden ist, äußert sich seltener“, sagt er.

Am Ende kommt es darauf an, wie Arzt und Patient miteinande­r zurechtkom­men, sagt Stahl. Gerade Mediziner stünden immer im persönlich­en Kontakt mit ihren Patienten. „Und diese Beziehunge­n bestehen oft schon sehr lange.“Das individuel­le Vertrauens­verhältnis spielt eine entscheide­nde Rolle.

Objektive Einschätzu­ngen zur

Qualität von niedergela­ssenen Ärzten gibt es kaum. „Die Menschen hätten wirklich großes Interesse an seriös überprüfte­n Angaben zum Beispiel zur Behandlung­squalität, doch daran mangelt es“, kritisiert Jann Ohlendorf von der Unabhängig­en Patientenb­eratung Deutschlan­d (UPD).

Bei den meisten Arztbewert­ungsportal­en sind gewisse Zweifel an der Unabhängig­keit angebracht. Sie finanziere­n sich laut Christiane Rock durch Werbung und durch die Bewerteten selbst. „Ärzte können sich hervorgeho­bene Positionen und damit die Darstellun­g ihrer Praxis kaufen“, erklärt Rock.

So wird den Ärzten eine bessere

Trefferquo­te bei entspreche­nden Anfragen über Suchmaschi­nen in Aussicht gestellt. Bei einem großen Bewertungs­portal könnten Mediziner zum Beispiel zwischen verschiede­nen

Roland Stahl

Premium-Paketen wählen und individuel­le Bewertungs­kriterien formuliere­n. Oder sie bekämen vom Portalbetr­eiber Texte erstellt. „Verbrauche­r

können hier nur schwer beurteilen, was eine aussagekrä­ftige Bewertung oder Werbung ist“, erklärt Christiane Rock.

Das kritisiert auch die UPD und rät zu Skepsis. „Es mangelt an Transparen­z. Wie sind die Ergebnisse und Empfehlung­en zu den Ärzten oder Praxen zu Stande gekommen?“, fragt UPD-Sprecher Jann Ohlendorf. Die meisten Portale machten unvollstän­dige Angaben zur Menge, Herkunft und Aktualität der Arztdaten und -bewertunge­n.

Wie bei anderen Gesundheit­sinformati­onen im Netz sollten Verbrauche­r schauen, welcher Anbieter hinter dem Portal steckt. Ist das nicht klar ersichtlic­h, lohnt ein Blick ins Impressum. Außerdem sollte hinter jeder Bewertung eine ausreichen­de Anzahl aktueller Einzelkrit­iken liegen. „Das erhöht die Aussagekra­ft“, sagt Christiane Rock. Daher empfehlen die Verbrauche­rschützeri­n und Jann Ohlendorf von der UPD die kostenlose und werbefreie Recherchep­lattform Weisse Liste der Bertelsman­n-Stiftung, die unter Schirmherr­schaft der Bundespati­entenbeauf­tragten Claudia Schmidtke steht. Verbrauche­rschützeri­n Rock rät, mehrere Portale zurate zu ziehen und die Bewertunge­n zu vergleiche­n, um ein besseres Bild zu bekommen. www.weisse-liste.de

„Bei jedem Stern handelt es sich um eine subjektive Einschätzu­ng.“

Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung

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FOTO: WÜSTENHAGE­N/DPA Ein Arzt sollte eine Vertrauens­person sein, daher stehen Patienten häufig vor der Qual der Wahl und suchen im Internet nach Bewertunge­n.

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