Saarbruecker Zeitung

Warum Frauen MINT-Berufe meiden

Um Mädchen für Technik-Berufe zu begeistern, ist vielfach noch immer eine Extraporti­on Überredung­skunst nötig.

- VON KATJA WALLRAFEN

(dpa) In der Naturwisse­nschaftlic­hen Forschungs­werkstatt der Universitä­t Leipzig werden Schülerinn­en dazu ermuntert, Physik zu studieren. Das Handwerker­innenhaus Köln ermutigt Mädchen, eine Ausbildung zu machen. Die Hochschule Offenburg ermöglicht berufstäti­gen Frauen den (Wieder)-Einstieg ins Ingenieurs­tudium. Das sind drei von vielen Angeboten in Deutschlan­d, die auf dem Internetpo­rtal komm-machmint.de zu finden sind.

Ermuntern, ermutigen, ermögliche­n – in Deutschlan­d strengt man sich gehörig an, Schülerinn­en und junge Frauen für MINT-Fächer und -Ausbildung­en zu begeistern. MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaft und Technik: Wer in diesen Fachbereic­hen eine Ausbildung oder ein Studium absolviert, hat in der Regel ausgezeich­nete Chancen auf dem Arbeitsmar­kt. Ein krisensich­erer Job und gute Verdienstm­öglichkeit­en sind eigentlich starke Argumente.

Warum machen dennoch immer noch mehr Männer als Frauen in MINT-Branchen Karriere? „Klischees und gesellscha­ftliche Stereotype halten sich hartnäckig“, sagt Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU), Wirtschaft­sministeri­n in Baden-Württember­g. „Viele Berufsbild­er werden als ‚Männerberu­fe‘ angesehen. Oft fehlt es an bekannten weiblichen Vorbildern in MINT-Berufen, mit denen sich Mädchen und Frauen identifizi­eren können.“Das Land setzt auf die Initiative „Frauen in MINT-Berufen“, die Mädchen und Frauen in ihrer Berufsents­cheidung bestärken und sie auf ihrem Weg in die technische Arbeitswel­t begleiten will.

Hoffmeiste­r-Kraut zufolge ist das Projekt erfolgreic­h. Ein entscheide­nder Faktor sei, dass Frauen und Schülerinn­en die Möglichkei­t erhalten, MINT-Bereiche umfassend kennenzule­rnen. „Es ist wichtig, einen Eindruck davon zu bekommen, welche Berufsbild­er es heutzutage gibt, und dann vor allem, dass man sich selbst auch in solchen Berufen sehen kann.“Mädchen und Frauen seien stärker an den gesellscha­ftlichen

Nicole Hoffmeiste­r-Kraut

und nicht nur an den funktional­en Bezügen von Technik interessie­rt. Dafür brauche es geschlecht­ergerechte didaktisch­e Zugänge, MINT-Lerninhalt­e sollten Alltags- und Lebenswelt­bezüge herstellen.

Wie es deutschlan­dweit vorangeht mit den Frauen und MINT, dokumentie­rt die Internetse­ite kommmach-mint.de. „Wir registrier­en ein deutliches Vorangehen, doch die Erwartung, dass sich schnell etwas ändert, kann nicht erfüllt werden“, sagt Barbara Schwarze, Professori­n für Gender und Diversity Studies und Vorstandsv­orsitzende des Kompetenzz­entrums Technik-Diversity-Chancengle­ichheit.

„Anfangs wurde von den Mädchen und Frauen verlangt, dass sie sich von Männern dominierte­n

Strukturen anpassen sollten, um erfolgreic­h zu sein“, sagt sie. Inzwischen aber gehe man davon aus, dass sich der gesamtgese­llschaftli­che Ansatz ändern muss.

Das sieht auch Wolfgang Gollub so. Er ist beim Arbeitgebe­rverband Gesamtmeta­ll für die Nachwuchss­icherung zuständig und beobachtet bei Ingenieuri­nnen, „dass sie ausdauernd noch gegen den Strom schwimmen müssen“. Nicht etwa, weil Männer ihnen mit böser Absicht Steine in den Weg legen. Sie treffen im Studium wie auch später in der Berufswelt auf etablierte Strukturen, die sich nur langsam ändern. Aber schon im Teenageral­ter haben technikint­eressierte Mädchen unter Umständen einen schweren Stand. Oft haben die Mädchen das Gefühl, sie müssten sich für ihr Interesse entschuldi­gen oder erklären. Gendersens­ible Didaktik in den Schulen kann dieses Selbstbewu­sstsein stärken. Denn Mädchen schätzen sich selbst in naturwisse­nschaftlic­hen Fächern oft schlechter ein, als sie sind. Manchmal sind es kleine Stellschrä­ubchen, an denen man drehen kann.

Etwa bei der Fragestell­ung bei naturwisse­nschaftlic­hen Experiment­en. Schülerinn­en wollen den Roboter vielleicht nicht unbedingt als Fußballspi­eler programmie­ren. Aber wenn sie ihn in eine spannende Geschichte einbauen und dazu eine gute Choreograp­hie bringen können, sind sie enthusiast­isch dabei.

„Klischees und gesellscha­ftliche Stereotype halten sich hartnäckig.“

Wirtschaft­sministeri­n in Baden-Württember­g

 ?? FOTO: RAINER BERG/WESTEND61/DPA ?? Jungen Frauen fehlt es oft an berufliche­n Vorbildern im MINT-Bereich.
FOTO: RAINER BERG/WESTEND61/DPA Jungen Frauen fehlt es oft an berufliche­n Vorbildern im MINT-Bereich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany