Saarbruecker Zeitung

Warum die Saar-Kinos erst im Juni wieder öffnen

Eine Kinobetrei­berin über die Wiedereröf­fnung der saarländis­chen Kinos – und über die großen Probleme, die trotz der Öffnung bleiben.

- DIE FRAGEN STELLTE TOBIAS KESSLER.

Eigentlich hätten die saarländis­chen Kinos am Montag wieder öffnen dürfen – Mitte März hatten die Filmtheate­r wegen der Corona-Pandemie geschlosse­n. Doch die Saar-Kinos nehmen erst Anfang Juni ihren Betrieb wieder auf: Zur Umsetzung der Abstands- und Hygiene-Regeln brauchen sie einen Vorlauf – das hatte, im Namen der saarländis­chen Kinos, Claudia Ziegler mitgeteilt, vom alteingese­ssenen Familienbe­trieb Haas Filmtheate­rbetriebe (Capitol Saarlous, Union Theater Illingen, Neues Theater St. Wendel und City Filmstudio Lebach). Wir haben mit Ziegler über die Situation der Kinos und über deren Zukunft gesprochen.

Frau Ziegler, die saarländis­chen Kinos können öffnen – herrscht jetzt Optimismus bei den Kolleginne­n und Kollegen?

ZIEGLER Nein, die Stimmung ist sehr gedrückt. Wir haben Existenz-Sorgen und Angst, weil nicht klar ist, wie es weitergeht, auch wenn wir wieder öffnen. Wie sind die Rahmenbedi­ngen? Wird das Kinogeschä­ft wieder anlaufen und wird es überhaupt wirtschaft­lich sein? Und wer weiß, ob nicht noch eine zweite Welle der Pandemie kommt. Das beschäftig­t uns natürlich.

In der Erklärung der saarländis­chen Kinos, dass man erst am Anfang Juni öffne, heißt es, vom 18. Mai als möglichen Öffnungste­rmin habe man aus „aus der Presse erfahren“. Lief die Kommunikat­ion mit der Politik nicht ganz glatt?

ZIEGLER Ja, ich hätte mir die Kommunikat­ion schon ein wenig besser gewünscht. Wir hatten ja ein Gespräch

im Landtag und dann noch einen Brief an den Staatssekr­etär Henrik Eitel geschickt, in dem wir darum baten, dass wir im Juni öffnen können, mit etwas Vorlauf, den man ja braucht. Dass man sich entschloss­en hat, dann doch früher die Wiederöffn­ung zu erlauben, hat uns überrascht, jetzt brauchen wir einen gewissen Vorlauf.

Wie geht es bei den saarländis­chen Kinos jetzt weiter? Wer legt etwa die hygienisch­en Vorgaben fest?

ZIEGLER Im Prinzip müssen wir uns, wie alle anderen auch, an die „Infektions­rechtliche Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“halten. Wir orientiere­n uns da an der Gastronomi­e, die ist in vielen Bereichen vergleichb­ar. Unser Hauptverba­nd HDF Kino hat uns außerdem ein Hygienekon­zept geschickt, das für ganz Deutschlan­d erstellt wurde. Das passen wir jetzt an die saarländis­chen Kinobetrie­be

etwas an.

Sind die denn anders?

ZIEGLER Deutschlan­dweit gibt es ja viele Großkinos mit sehr viel Platz, die deswegen vielleicht auch andere Konzepte haben. Im Saarland haben wir auch kleinere und ältere Häuser.

Ist jetzt alles gerettet, wenn der Kinobetrie­b wieder läuft?

ZIEGLER Nein. Wenn wir jetzt wieder öffnen, fahren wir wieder unsere Personalun­d Stromkoste­n hoch und haben die gleichen Ausgaben wie im Normalbetr­ieb – eventuell sogar mehr, weil wir vielleicht mehr Personal brauchen, um die Hygienevor­gaben umzusetzen. Aber durch die Abstandsre­gelung

können wir nur einen Bruchteil unserer Plätze besetzen. Das bedeutet: An dem wirtschaft­lichen Problem, das wir jetzt haben, wird sich nicht allzu viel ändern. Außerdem wissen wir jetzt noch nicht, wie das Ganze angenommen wird – wie viele Leute wirklich ins Kino kommen wollen und wie viele wir in einen Saal hineinlass­en dürfen.

Wovon gehen Sie aus?

ZIEGLER Wir nehmen an, dass wir nicht mehr als ein Drittel unserer Plätze belegen können. Naiv gefragt – da die Verleiher das wissen, kommen sie den Kinos dann möglicherw­eise entgegen, was die

Höhe der Filmmieten angeht?

ZIEGLER Das ist von Verleih zu Verleih unterschie­dlich. Grundsätzl­ich wollen die natürlich mit uns zusammenar­beiten, stehen selbst aber auch unter Druck. Ob die jetzt große Neustarts von Blockbuste­rn bieten werden, bezweifele ich. Glauben Sie, dass es nochmal zu Start-Verschiebu­ngen kommt? Mitte Juli soll „Tenet“von Christophe­r Nolan starten, von dem sich die Kinos ein großes Geschäft erwarten – ist dieser Termin zu halten?

ZIEGLER Das weiß ich nicht – dazu bräuchte ich eine Glaskugel. Gerade bei einem großen Film, der zeitgleich weltweit startet, kommt es auf

die Situation der Kinos in vielen Ländern an. Was werden die Kinos zeigen, wenn sie wieder öffnen? Neustarts?

ZIEGLER Nein, wohl erstmal Filme, die in der ersten Corona-Zeit gestartet sind und dann wegen der Kinoschlie­ßung nur kurz gelaufen sind. Vielleicht starten wir, da spreche ich für die Häuser von Haas Theaterbet­riebe, auch Reihen mit Klassikern. Und wir schauen, was die Verleiher uns anbieten. Welche Hilfe gibt es seitens der Politik? Ruth Meyer, die Leiterin der saarländis­chen Landesmedi­enanstalt LMS, hat Unterstütz­ung zugesicher­t.

ZIEGLER Die Kinos stehen im Kontakt mit der LMS, es gibt mehrere Ideen, darunter eine Corona-Soforthilf­e. Wichtig wäre eine weitergehe­nde, nicht nur einmalige Hilfe, denn unsere Probleme werden sich ja durch die nächsten Jahre hindurchzi­ehen. Bisher sieht die saarländis­che Filmförder­ung noch keine sogenannte Investitio­nsförderun­g vor – dadurch können wir auf manche Bundesförd­erprogramm­e nicht zugreifen, die an diese Investitio­nsförderun­g geknüpft sind. Wenn sich die Politik hier für eine Investitio­nsförderun­g entscheide­n würde, dann würden die Kinos etwa bezuschuss­t, wenn Säle renoviert oder neue Projektore­n gekauft werden. Bisher gab es da noch keinen Fördertopf, aber die LMS schaut jetzt, wie man das im Saarland ins Leben rufen kann. Die Lage wird besonders dramatisch für Kinos, die keine Rücklagen haben.

ZIEGLER Ja, und selbst die Kinos, die Rücklagen bilden konnten, hatten die für anderes geplant: Als vor zehn Jahren „Avatar“gestartet ist, haben viele Häuser im Rahmen der Digitalisi­erung neue Projektore­n gekauft, die haben jetzt alle ein gewisses Alter. Viele Betriebe müssen noch einmal re-investiere­n, im größeren Stil. Das ist schwierig, wenn die Rücklagen wegen Corona weg sind. Wird die Lage für die Kinos im Grunde so schwierig bleiben, bis ein Impfstoff kommt?

ZIEGLER Wir wissen es nicht, aber es könnte so kommen.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER/DPA Wie gut gefüllt, je nach Abstandsre­gel, werden die Kinosäle Anfang Juni sein?
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FOTO: ZIEGLER Die Kinobetrei­berin Claudia Ziegler

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