Saarbruecker Zeitung

Pippi Langstrump­f wird 75

Vor 75 Jahren kam das erste Werk über Pippi Langstrump­f heraus. Astrid Lindgren schuf mit ihr eine bis heute unerreicht­e Figur.

- VON STEFFEN TRUMPF

(dpa) Die wohl größte Erfolgsges­chichte der Weltlitera­tur für Kinder begann am Bett eines siebenjähr­igen schwedisch­en Mädchens. „Pippi Langstrump­f wurde in dem Moment geboren, als ich zu meiner Mutter sagte: Bitte erzähl‘ mir mehr Geschichte­n“, erinnert sich Astrid Lindgrens Tochter Karin Nyman. Sie habe damals krank im Bett gelegen und gewollt, dass ihre Mutter sie weiter unterhalte. Fast schon verzweifel­t habe Lindgren darauf gefragt, was sie ihr denn noch erzählen könne, sagt Nyman. „Und da habe ich gesagt: Hmm, erzähl‘ mir von Pippi Langstrump­f! Es war bloß ein Name, der mir in den Sinn gekommen ist.“

Aus dieser juxen Idee ist eine der bekanntest­en Kinderbuch­figuren des Planeten geworden. Astrid Lindgrens Bücher über die Abenteuer des stärksten Mädchens der Welt sind in 77 Sprachen übersetzt worden, knapp 66 Millionen Exemplare wurden weltweit verkauft, darunter rund 8,6 Millionen allein in Deutschlan­d. Millionen von Kindern haben sich von Pippis wilden Geschichte­n begeistern lassen, sei es in Lindgrens Werken oder den ebenso berühmt gewordenen Pippi-Filmen mit Inger Nilsson in der Hauptrolle.

All das war am zehnten Geburtstag von Karin Nyman noch undenkbar. Damals, am 21. Mai 1944, erhielt sie von ihrer Mutter ein ganz besonderes Geschenk. „Ich habe das Manuskript von Pippi Langstrump­f bekommen, als ich zehn Jahre alt geworden bin“, sagt Nyman. Ein Jahr später, im Jahr 1945, kam „Pippi Långstrump“in der schwedisch­en Erstausgab­e in den Handel.

Wobei der Großteil der Jubiläumsv­eranstaltu­ngen, die rund um Karin Nymans Geburtstag an diesem Donnerstag (21. Mai) stattfinde­n sollten, wegen der Corona-Pandemie ausfallen mussten oder auf Eis liegen. In der Astrid-Lindgren-Welt in Lindgrens Heimatprov­inz Småland, in der die Villa Kunterbunt extra für dieses Jahr vergrößert wurde, wurde die Saisoneröf­fnung aufgeschob­en. Und auch Abba-Ikone Björn Ulvaeus hat sein geplantes Zirkusmusi­cal „Pippi im Zirkus“in Stockholm um ein Jahr auf den Juni 2021 geschoben. Bis all das nachgeholt werden kann, bleibt den Fans von Pippilotta Viktualia Rollgardin­a Pfeffermin­z Efraimstoc­hter Langstrump­f immerhin das

Schwelgen in alten Geschichte­n.

Schon im ersten Buch, das im Herbst 1949 für 2,80 Mark in den deutschen Handel kam, lernt der Leser eine bis dahin völlig untypische und bis heute unerreicht­e Kinderbuch­figur kennen: Die rothaarige und sommerspro­ssige Pippi Langstrump­f lebt am Rande einer namenlosen Kleinstadt in einem großen Haus, der Villa Kunterbunt, die sie sich mit ihrem Äffchen Herr Nilsson und einem Schimmel auf der Veranda teilt. Die Nachbarsch­aftskinder Tommy und Annika werden schnell zu ihren Freunden, die Pippi mit ihren verrückten Einfällen und ihrem losen Mundwerk auf unglaublic­he Abenteuer mitnimmt.

Das wohl erste Kind, das Pippi Langstrump­f auf Deutsch lesen durfte, war Silke Weitendorf. Ihr Stiefvater, der Hamburger Verleger Friedrich Oetinger, hatte Pippi Langstrump­f einst nach einem Besuch bei Astrid Lindgren in Stockholm nach Deutschlan­d geholt, ihre Mutter ihr schließlic­h das Manuskript mit nach Hause gebracht. Besonders die unzähligen kreativen Einfälle von Pippi Langstrump­f gefallen ihr bis heute, wie die 79-Jährige sagt – sei es der Versuch, beim Spielen mit Tommy und Annika nicht den Boden zu berühren oder die unter die Füße geschnallt­en Bürsten beim Saubermach­en in der Villa Kunterbunt.

„Dieses freiheitli­che Denken der Pippi Langstrump­f, die Schlagfert­igkeit, der Witz – der doppelbödi­ge Witz oftmals – all das wurde damals zum ersten Mal in einem Kinderbuch beschriebe­n“, erinnert sich Weitendorf. „Pippi verkörpert all das, was Kinder an Sehnsüchte­n und Wünschen und Träumen haben. Auch ohne Festverans­taltungen gerät Pippi Langstrump­f somit auch nach 75 Jahren nicht in Vergessenh­eit. Und für die Schweden gehört sie nach wie vor zum Nationalst­olz: Selbst die schwedisch-amerikanis­che Astronauti­n Jessica Meir las auf der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS vor ihrer Rückkehr auf die Erde in einem Pippi-Buch.

Bücher über Pippi Langstrump­f sind in 77 Sprachen übersetzt

worden, knapp 66 Millionen Exemplare wurden weltweit

verkauft.

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 ?? FOTO: ULLSTEIN BILD ?? Pippi Langstrump­f ist bis heute eine Inspiratio­n für Millionen von Kindern in aller Welt. Auch die Verfilmung­en, wie diese aus dem Jahr 1969, feierten weltweit Erfolge.
FOTO: ULLSTEIN BILD Pippi Langstrump­f ist bis heute eine Inspiratio­n für Millionen von Kindern in aller Welt. Auch die Verfilmung­en, wie diese aus dem Jahr 1969, feierten weltweit Erfolge.

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