Saarbruecker Zeitung

EU-Wiederaufb­aufonds stößt auf geteiltes Echo

Deutschlan­d und Frankreich wollen Europa mit einem Milliarden­programm aus der Corona-Krise führen. Doch viele haben Zweifel an der Umsetzbark­eit.

- VON STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Robby Lorenz Manuel Görtz, Daniel Bonenberge­r

Der deutsch-französisc­he Plan, wirtschaft­lich angeschlag­ene EU-Staaten durch ein gemeinscha­ftlich getragenes Hilfspaket auf Pump wieder flottzumac­hen, ist in Deutschlan­d auf ein geteiltes Echo gestoßen. Zuspruch kam von Wirtschaft­sexperten. Teile der Opposition gingen auf Distanz. Lange Zeit wurde über sogenannte Eurobonds debattiert, also eine Vergemeins­chaftung von Schulden, um Krisenstaa­ten wie Italien oder Spanien wieder auf die Beine zu helfen. Doch solche gemeinsame Anleihen hatte Deutschlan­d stets abgelehnt. Auch in Zeiten der Corona-Pandemie, als die

Diskussion darüber erneut in Fahrt kam. Nun planen Berlin und Paris einen Wiederaufb­aufonds im Umfang von 500 Milliarden Euro. Dafür soll die EU-Kommission Kredite am Kapitalmar­kt aufnehmen. Die Rückzahlun­g soll über den EU-Haushalt erfolgen. Deutschlan­d als stärkstes EU-Land hätte daran einen Anteil von 27 Prozent. Dem Vorschlag müssten allerdings alle EU-Staaten zustimmen. Doch aus Ländern wie Österreich, Dänemark oder den Niederland­en kam bereits Widerstand.

Für die FDP ist der Vorstoß damit zum Scheitern verurteilt. „Hier soll eine 180-Grad-Kehrtwende gemacht werden, dass plötzlich sich die Europäisch­e Union doch verschulde­n darf“, meinte der Außenexper­te Alexander Graf Lambsdorff. In der EU gebe es nicht genug Unterstütz­ung für die Aufnahme gemeinsame­r

Schulden, prophezeit­e der Liberale. Die konservati­ve Werteunion, eine Gruppierun­g in der CDU, lehnte den Plan als Schritt „in Richtung Schuldenun­ion

und Zentralsta­at“ebenfalls rundweg ab.

Ganz anders die Grünen. „Der deutsch-französisc­he Vorschlag ist in letzter Minute ein Schritt in die richtige Richtung. Nur mit europäisch­en Anleihen kann Europa die globale Pandemie überwinden“, sagte der ehemalige Fraktionsv­orsitzende Jürgen Trittin unserer Redaktion. 500 Milliarden Euro seien zwar weniger, als seine Partei oder das EU-Parlament gefordert hätten. „Aber es ist ein Kompromiss, den durchzuset­zen trotzdem schwierig genug wird. Doch die Alternativ­e dazu wäre das Auseinande­rbrechen der EU“, betonte Trittin. Auch der Fraktionsv­ize der Linken, Fabio de Masi, zeigte sich grundsätzl­ich aufgeschlo­ssen. Er mahnte aber, die Mittel als Zuschüsse zu verteilen, dürfe „auf keinen Fall mit nachfrageh­emmenden Kürzungsau­flagen einhergehe­n“.

Lob bekam die Initiative auch von führenden Ökonomen. „Deutschlan­d und Frankreich gehen in der Krise endlich gemeinsam voran und setzen ein Zeichen des europäisch­en Zusammenha­lts“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW ), Marcel Fratzscher, unserer Redaktion. Beide Länder würden klare Ziele benennen und den Fokus auf die Regionen und Wirtschaft­sbereiche legen, die besonders hart von der Corona-Pandemie betroffen seien. „Auch wenn der Vorschlag viele Fragen offen lässt, ist er ein vielverspr­echender erster Schritt, um nationale Alleingäng­e und die europäisch­e Spaltung in dieser Krise zu überwinden“, betonte Fratzscher. Auch der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sprach von einem wichtigen Signal für die europäisch­e Solidaritä­t. Wichtig sei, dass die Schuldenfi­nanzierung des Fonds einmalig sei und mit einem Tilgungspl­an einhergehe. „Mit der Tilgung sollte man beginnen, nachdem die wirtschaft­liche Erholung erreicht ist.“

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