Saarbruecker Zeitung

Der deutsch-französisc­he Motor springt wieder an

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Mitten in der Coronaviru­s-Krise springt der deutsch-französisc­he Motor offenbar wieder an. Das ist das Signal, das von dem Vorstoß für einen gewaltigen Anti-Krisen-Fonds aus Berlin und Paris ausgehen soll: Die beiden starken Mächte in der EU haben nach etlichen Meinungsve­rschiedenh­eiten zumindest in dieser Frage wieder zusammenge­funden. Der Streit um die Eurobonds, die Präsident Emmanuel Macron haben, Bundeskanz­lerin Angela Merkel aber verhindern wollte, scheint entweder überwunden oder beigelegt. Das ist gut so, weil es sinnlos ist, in dieser Phase alle Initiative durch einen Streit um Finanzinst­rumente lahmzulege­n. Und weil es wichtig ist, den Eindruck eines zersplitte­rten Europas vom Tisch zu räumen und durch eine gemeinsame Linie wieder für Geschlosse­nheit zu sorgen. Das Strategiep­apier der beiden Nachbarn strotzt nur so vor Harmonie, von der man allerdings erst noch herausfind­en muss, wie belastbar diese ist. Denn vor allem der Plan, ein mehrere hundert Milliarden Euro schweres Hilfspaket quasi als Geschenk zu gewähren, hatte beim zurücklieg­enden Gipfeltref­fen der Staats- und Regierungs­chefs für Streit gesorgt.

Dabei geht es keineswegs nur darum, die Front der Widersache­r Niederland­e, Österreich, Schweden und Dänemark als Blockierer hinzustell­en. Die Vorstellun­g, dass mit diesem Paket die EU in die Nähe einer dauerhafte­n Transferun­ion rückt, die eben doch einige Mitglieder für eine zumindest mittelfris­tige Zukunft alimentier­en muss, steht im Raum. Die Einwände gegen eine Gewährung von Zuschüssen anstatt von rückzahlba­ren Krediten machen das deutlich. Denn die Skepsis der – eher sparsamen – Nordlichte­r in der Gemeinscha­ft gegenüber der – eher unsolide wirtschaft­enden – Südflanke ist ausgeprägt. Das Beispiel Italien zeigt den Kritikern zufolge, dass weder das Land noch die diversen Regierunge­n imstande waren, eine Abkehr vom zwar klammen, aber trotzdem spendablen Staat zu vollziehen und Reformen durchzuset­zen, die die öffentlich­en Haushalte wenigstens mal in die Nähe einer Konsolidie­rung bringen würde. Diesen Einwand sollte man ernstnehme­n.

Trotzdem hat das Tandem Merkel-Macron die bisherigen Denkschabl­onen wohltuend durchbroch­en. Weil der geplante Fonds als Beleg für europäisch­en Zusammenha­lt passt. Und weil eine Sanierung aller EU-Staaten so etwas wie der Boden ist, auf dem eine Genesung der europäisch­en Wirtschaft chancenrei­ch sein dürfte. Genau das wird gebraucht. Denn es nützt weder Deutschlan­d noch Frankreich oder Österreich oder den Niederland­en etwas, wenn sie in einem Jahr mit den vorhergesa­gten Wachstumsr­aten fast wieder auf Vor-Krisen-Niveau angekommen sind, die übrigen aber hinterherh­inken. Der Binnenmark­t ist nur dann ein Garant für den Zusammenha­lt der Union, wenn alle daran teilhaben können. Und nicht einmal die Bundesrepu­blik könnte ohne kapitalkrä­ftige Käufer in Griechenla­nd, Italien, Spanien oder Portugal zu alter Stärke zurückfind­en. Daraus lässt sich ableiten, was jetzt nötig ist. Man nennt es Solidaritä­t.

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