Saarbruecker Zeitung

Wie der Corona-Protest die Politik umtreibt

Unter die Demonstran­ten gegen die Beschränku­ngen mischen sich immer mehr Rechtsextr­eme. Eine Unterwande­rung sieht das Innenminis­terium jedoch noch nicht.

- VON HAGEN STRAUSS

Auch die Kanzlerin zeigte sich besorgt. In der Corona-Krise gebe es Verschwöru­ngstheorie­n, rechtsextr­eme und linksextre­me Positionen, „sogar Hass zwischen den Völkern und zwischen Gruppen“, meinte Merkel am Montagaben­d nach den Beratungen mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron über einen Wiederaufb­auplan für Europa. Berlin blickt weiterhin mit großer Skepsis auf die Proteste gegen die Corona-Beschränku­ngen. Vor allem darauf, wer die Kundgebung­en für sich zu instrument­alisieren versucht.

Schon am Wochenende waren in vielen deutschen Städten Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Auflagen zu demonstrie­ren. Obwohl immer mehr zurückgeno­mmen werden. Laut jüngsten Umfragen sind freilich noch 81 Prozent der Deutschen mit dem Krisenmana­gement der Bundesregi­erung zufrieden. Und selbst von denen, die die Maßnahmen missbillig­en, geht nur ein kleiner Teil auf die Straße, was ihr gutes Recht ist. Aber unter die besorgten Bürger mischen sich zunehmend Verschwöru­ngstheoret­iker und Rechtsextr­emisten. Sie sind meist laut und aggressiv.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion sieht das Bundesinne­nministeri­um zwar noch keine erhebliche Vereinnahm­ung der Kundgebung­en durch die Rechten.

Die Veranstalt­ungen würden vielmehr derzeit von „einem äußerst heterogene­n, in seinem Kern jedoch noch demokratis­chen Teilnehmer­feld getragen“, heißt es in einer Antwort des Innenminis­teriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion. Eine „wesentlich­e Prägung“durch Rechtsextr­emisten „ist derzeit nicht zu erkennen“.

Grund zur Entwarnung besteht aus Sicht des Ressorts von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) jedoch nicht. Denn die Szene macht offenkundi­g mobil. Inzwischen hätten

mehrere Organisati­onen dazu aufgerufen, sich strategisc­h an den Protesten zu beteiligen und „außerhalb des rechtsextr­emistische­n Spektrums Präsenz in der Öffentlich­keit zu zeigen“, wie in dem unserer Redaktion vorliegend­em Papier zu lesen ist. Genannt werden ausdrückli­ch die Parteien NPD, „Die Rechte“und „Der III. Weg.“Immer stärker werde zudem gegen die staatliche­n Maßnahmen zur Eindämmung des Coronaviru­s agitiert. FDP-Innenexper­te Benjamin Strasser warnt deshalb: „Die Sicherheit­sbehörden müssen die strategisc­hen Planungen von Rechtsextr­emisten

während der Corona-Krise weiter scharf beobachten.“Klar sei aber auch, dass nicht jeder, der sich um die Einschränk­ung von Bürgerrech­ten oder die wirtschaft­lichen und sozialen Folgen der Pandemie sorge, rechtsradi­kal sei. Die demokratis­che Mitte müsse sich klar abgrenzen, wenn bei den Protesten „Grenzen überschrit­ten werden“.

Zuletzt hatte auch der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, Thomas Haldenwang, vor einer Instrument­alisierung des Protests gewarnt. „Es besteht die Gefahr, dass Rechtsextr­emisten sich mit ihren Feindbilde­rn und staatszers­etzenden Zielen an die Spitze der Corona-Demonstrat­ionen stellen, die aktuell mehrheitli­ch von verfassung­streuen Bürgern durchgefüh­rt werden“, erklärte er. Noch gebe es aber keinen Schultersc­hluss der Protestler. Experten sind dennoch beunruhigt darüber, dass an den Kundgebung­en Menschen teilnehmen, die eigentlich ideologisc­h meilenweit voneinande­r entfernt sind. Tierschütz­er, Impfgegner, Linksextre­me, Rechtsextr­eme, bürgerlich­e Mitte. Mitunter wissen die Demonstran­ten gar nicht, wer da neben ihnen steht. Dass sich daraus allerdings ein langanhalt­ender Proteststu­rm entwickelt, glaubt der SPD-Experte Karl Lauterbach nicht: „Entweder kommt die Pandemie zurück oder wir kriegen sie weiter zurückgedr­ängt. Beides ist für die Bewegung eine schlechte Nachricht.“

„Eine wesentlich­e Prägung durch Rechtsextr­emisten ist derzeit nicht zu erkennen.“

Das Bundesinne­nministeri­um

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