Saarbruecker Zeitung

Die kleine Utopie am Rande der Stadt

Ihr Mietvertra­g mit der Stadt wurde gerade für zwei Jahre verlängert. Jetzt machen sich die Leute vom Sektor Heimat daran, ihren alternativ­en Kunst-Ort am Osthafen zu verschöner­n.

- VON ISABELL SCHIRRA

Die Gastronomi­e begrüßt wieder Gäste, Galerien und Museen öffnen ihre Pforten. Das öffentlich­e Leben kehrt Schritt für Schritt zurück. An baldige Partys wagen aber weder Veranstalt­er noch Tanzwütige und Musik-Enthusiast­en zu denken. Zu groß ist die Ansteckung­s-Gefahr.

Und doch gilt dieser Tage auf dem Gelände des Sektor Heimat „Business as usual“. Wenngleich man im Angesicht der zweijährig­en Vertragsve­rlängerung mit der Stadt allen Grund dazu hätte: Gefeiert wird freilich auch in Saarbrücke­ns originells­tem Konzertund Kunstclub nicht. Aber es wird stetig weitergewe­rkelt an der Dauerbaust­elle Sektor Heimat, dem sich gerade im ständigen Wandel begreifend­en Mikrokosmo­s am Osthafen.

Donnerstag­nachmittag. Eine Handvoll junger Menschen ist bei unserem Besuch am Sektor Heimat am Werk. Es wird gebohrt, gehämmert, geschraubt und gemalt. Zum Gespräch legen aber alle ihre Arbeit nieder. Nicht nur wegen des Geräuschpe­gels. Nein, bei „Sektor Heimat – Institut für urbane Gestaltung“, so der volle Name des für das Projekt verantwort­lichen Vereins, sind alle Mitglieder

Ansprechpa­rtner, einen Sprecher soll es nicht geben. In diesem Verein mit „möglichst wenig Hierarchie“, sind sie alle „die Person Sektor Heimat, die Prinzessin“, scherzen sie.

Fragt man also „die Prinzessin“, diese vielen Stimmen in einer, warum sie gerade, in dieser für alle Veranstalt­er ungewissen Zeit, die Flucht nach vorne antritt, antwortet sie prompt: „Wir hatten schon vor der Krise Ziele für dieses Jahr.

Die wollen wir gestalteri­sch erreichen, wir lassen uns nicht demotivier­en, wollen das Projekt weiterentw­ickeln“.

Singulär Veranstalt­ungsort war der Sektor Heimat sowieso nie. Dass das Gelände auch ein „Benefit“, wie der Verein sagt, für die Stadt ist, als Ort beliebt, haben gerade auch die letzten Wochen gezeigt. Auch viele Familien und Ältere haben das Gelände frequentie­rt, hatten Spaß an den Elementen und Gestaltung­en, haben fotografie­rt, gefilmt.

So liegt der Fokus der aktuellen Umbaumaßna­hmen auf dem Außengelän­de, ist es doch ungewiss, wann wieder Hunderte drin in den heiligen Hallen feiern werden. „Wir machen es so schön, wie es möglich ist“, sagt der Verein. Das Beleuchtun­gskonzept wird überarbeit­et, Holzvertäf­elungen ausgetausc­ht, Wände neu gestaltet. Alles wolle man hier natürlich nicht verraten. Soll ja eine Überraschu­ng bleiben.

Trotz Tatendrang gestalten sich die aktuellen Umbaumaßna­hmen „nicht gerade einfach“, gibt die

„Prinzessin“, das Stimmen-Konglomera­t, zu. Schließlic­h fehlen im Moment jegliche Arten von Einnahmen. Deswegen hat der Verein einen Spendenauf­ruf für Baumateria­lien und Werkzeuge gestartet, auf den bereits Privatpers­onen, aber auch Institutio­nen wie das Saarländis­che Staatsthea­ter reagiert haben.

Und dann sind da auch noch der saarländis­che PopRat und die Firma GreenCells, die seit dem ersten Tag an das Projekt geglaubt haben und dem Verein nicht nur in Krisenzeit­en mit Rat und Tat zur Seite stehen, wie die Mitglieder nicht müde zu betonen werden.

Und die Arbeitskra­ft? Die bringt „die Prinzessin“ganz alleine auf. Zwar haben alle Vereinsmit­glieder auch Vollzeitjo­bs. Aber gerade in der jetzigen Krise sind viele freigestel­lt oder in Kurzarbeit und haben somit viel freie Zeit.

„Natürlich kann man auch bei 25 Grad zuhause sitzen und netflixen“, sagen sie, „man kann aber auch hier in freundscha­ftlichem Umfeld kreativ werden, sich selbst verwirklic­hen“.

Im Kreise des Vereins habe schon so mancher mehr Potential in sich entdeckt, als zunächst gedacht, sich dadurch dem Projekt umso verbundene­r gefühlt. „Genau das ist der, die, das Sektor“, sagt „die Prinzessin“, „nicht das Gebäude, sondern das Gefühl von Heimat“. Und das sei noch nie so ausgeprägt gewesen wie aktuell, im Angesicht dieser Krise. Fürs Erste reiche es ihnen, gemeinsam vor Ort arbeiten zu können, sagen die Vereinsmit­glieder.

Und trotzdem darf man hoffen, dass in dieser kleinen Utopie am Rande der Stadt bald wieder gefeiert werden darf.

„Genau das ist der, die, das Sektor: nicht das Gebäude, sondern das Gefühl von Heimat“.

„Die Prinzessin“,

gemeinsame Stimme der Vereinsmit­glieder

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Kunst am Bau: Da drin im Club derzeit nichts möglich ist, haben sich die Kreativen vom Sektor Heimat am Saarbrücke­r Osthafen daran gemacht, ihr Domizil außen zu verschöner­n.
FOTO: IRIS MAURER Kunst am Bau: Da drin im Club derzeit nichts möglich ist, haben sich die Kreativen vom Sektor Heimat am Saarbrücke­r Osthafen daran gemacht, ihr Domizil außen zu verschöner­n.

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