Die kleine Utopie am Rande der Stadt
Ihr Mietvertrag mit der Stadt wurde gerade für zwei Jahre verlängert. Jetzt machen sich die Leute vom Sektor Heimat daran, ihren alternativen Kunst-Ort am Osthafen zu verschönern.
Die Gastronomie begrüßt wieder Gäste, Galerien und Museen öffnen ihre Pforten. Das öffentliche Leben kehrt Schritt für Schritt zurück. An baldige Partys wagen aber weder Veranstalter noch Tanzwütige und Musik-Enthusiasten zu denken. Zu groß ist die Ansteckungs-Gefahr.
Und doch gilt dieser Tage auf dem Gelände des Sektor Heimat „Business as usual“. Wenngleich man im Angesicht der zweijährigen Vertragsverlängerung mit der Stadt allen Grund dazu hätte: Gefeiert wird freilich auch in Saarbrückens originellstem Konzertund Kunstclub nicht. Aber es wird stetig weitergewerkelt an der Dauerbaustelle Sektor Heimat, dem sich gerade im ständigen Wandel begreifenden Mikrokosmos am Osthafen.
Donnerstagnachmittag. Eine Handvoll junger Menschen ist bei unserem Besuch am Sektor Heimat am Werk. Es wird gebohrt, gehämmert, geschraubt und gemalt. Zum Gespräch legen aber alle ihre Arbeit nieder. Nicht nur wegen des Geräuschpegels. Nein, bei „Sektor Heimat – Institut für urbane Gestaltung“, so der volle Name des für das Projekt verantwortlichen Vereins, sind alle Mitglieder
Ansprechpartner, einen Sprecher soll es nicht geben. In diesem Verein mit „möglichst wenig Hierarchie“, sind sie alle „die Person Sektor Heimat, die Prinzessin“, scherzen sie.
Fragt man also „die Prinzessin“, diese vielen Stimmen in einer, warum sie gerade, in dieser für alle Veranstalter ungewissen Zeit, die Flucht nach vorne antritt, antwortet sie prompt: „Wir hatten schon vor der Krise Ziele für dieses Jahr.
Die wollen wir gestalterisch erreichen, wir lassen uns nicht demotivieren, wollen das Projekt weiterentwickeln“.
Singulär Veranstaltungsort war der Sektor Heimat sowieso nie. Dass das Gelände auch ein „Benefit“, wie der Verein sagt, für die Stadt ist, als Ort beliebt, haben gerade auch die letzten Wochen gezeigt. Auch viele Familien und Ältere haben das Gelände frequentiert, hatten Spaß an den Elementen und Gestaltungen, haben fotografiert, gefilmt.
So liegt der Fokus der aktuellen Umbaumaßnahmen auf dem Außengelände, ist es doch ungewiss, wann wieder Hunderte drin in den heiligen Hallen feiern werden. „Wir machen es so schön, wie es möglich ist“, sagt der Verein. Das Beleuchtungskonzept wird überarbeitet, Holzvertäfelungen ausgetauscht, Wände neu gestaltet. Alles wolle man hier natürlich nicht verraten. Soll ja eine Überraschung bleiben.
Trotz Tatendrang gestalten sich die aktuellen Umbaumaßnahmen „nicht gerade einfach“, gibt die
„Prinzessin“, das Stimmen-Konglomerat, zu. Schließlich fehlen im Moment jegliche Arten von Einnahmen. Deswegen hat der Verein einen Spendenaufruf für Baumaterialien und Werkzeuge gestartet, auf den bereits Privatpersonen, aber auch Institutionen wie das Saarländische Staatstheater reagiert haben.
Und dann sind da auch noch der saarländische PopRat und die Firma GreenCells, die seit dem ersten Tag an das Projekt geglaubt haben und dem Verein nicht nur in Krisenzeiten mit Rat und Tat zur Seite stehen, wie die Mitglieder nicht müde zu betonen werden.
Und die Arbeitskraft? Die bringt „die Prinzessin“ganz alleine auf. Zwar haben alle Vereinsmitglieder auch Vollzeitjobs. Aber gerade in der jetzigen Krise sind viele freigestellt oder in Kurzarbeit und haben somit viel freie Zeit.
„Natürlich kann man auch bei 25 Grad zuhause sitzen und netflixen“, sagen sie, „man kann aber auch hier in freundschaftlichem Umfeld kreativ werden, sich selbst verwirklichen“.
Im Kreise des Vereins habe schon so mancher mehr Potential in sich entdeckt, als zunächst gedacht, sich dadurch dem Projekt umso verbundener gefühlt. „Genau das ist der, die, das Sektor“, sagt „die Prinzessin“, „nicht das Gebäude, sondern das Gefühl von Heimat“. Und das sei noch nie so ausgeprägt gewesen wie aktuell, im Angesicht dieser Krise. Fürs Erste reiche es ihnen, gemeinsam vor Ort arbeiten zu können, sagen die Vereinsmitglieder.
Und trotzdem darf man hoffen, dass in dieser kleinen Utopie am Rande der Stadt bald wieder gefeiert werden darf.
„Genau das ist der, die, das Sektor: nicht das Gebäude, sondern das Gefühl von Heimat“.
„Die Prinzessin“,
gemeinsame Stimme der Vereinsmitglieder