Saarbruecker Zeitung

Wie aus einem Gruselfilm ein tolles Videotageb­uch wurde

Mit viel Kreativitä­t rettete die pädagogisc­h-soziale Aktionsgem­einschaft Pädsak ein Medien-Projekt für Kinder über die Corona-Krise.

- VON FRANK BREDEL Produktion dieser Seite: Susanne Brenner Frank Kohler

Als die Geister kommen sollten, wurden die Dreharbeit­en eingestell­t. Der Gruselfilm, an dem Jugendlich­e vom Saarbrücke­r Wackenberg zwei Wochen gearbeitet hatten, wurde gerade gruselig, als er ein jähes Ende fand. Mit der Corona-Pandemie und den Ausgangsbe­schränkung­en mussten die Videodrehs gestoppt werden.

„In den nächsten Szenen wäre es dunkel geworden, das Licht hätte geflackert, die Geister sollten auftreten“, berichtet die zwölfjähri­ge Leonie Weinkauff, die an dem Filmprojek­t mitgearbei­tet hatte. Das vom Bundesfami­lienminist­erium unterstütz­te Projekt der Jugendarbe­it stoppte in der ersten Hälfte.

Betreuerin Lena Schmitt mühte sich, die Fördergeld­er zu retten und schlug in Berlin vor, das Thema zu ändern und ein Videotageb­uch zu führen. Aus dem Gruselfilm mit einem durchaus politisch-pädagogisc­hen Hintergrun­d, der die Erlebnisse zweier von der Gesellscha­ft ausgeschlo­ssener Jugendlich­er verarbeite­n sollte, wurde ein Tagebuch der Corona-Pandemie, in dem die Jugendlich­en nun ihre eigenen Eindrücke verarbeite­ten.

20 Jugendlich­e machten mit und zeichneten täglich bis zu fünf Minuten ihres Alltags oder ihrer Gedanken auf und posteten die Videos in eine Gruppe. Die bei der Pädagogisc­h-Sozialen Aktionsgem­einschaft (Pädsak) angestellt­e Diplompäda­gogin Lena Schmitt (35) koordinier­te das Projekt und ist begeistert vom Ergebnis.

Françoise Fournelle, die man als fachkundig­e Honorarkra­ft engagiert hatte, saß selbst in Frankreich fest. Und trotzdem sei es gelungen, ein wertvolles Endprodukt auf die Beine zu stellen. Die Jugendlich­en hätten nämlich durchaus erkennen lassen, dass sie über die Hintergrün­de der Pandemie bestens informiert waren, die Gründe für die Beschränku­ngen akzeptiert­en und trotzdem gute Impulse gewannen.

Aktuell werden die Videoseque­nzen geschnitte­n, am Ende soll ein 30-minütiger Film entstehen, den man bei der Pädsak, im Jugendzent­rum St. Arnual, dem Saarbrücke­r Filmbüro und auf Jugendfilm­festivals zeigen will. Auch im Internet soll man den Film sehen können, etwa in vier Wochen soll er fertig produziert sein.

Leonie ist begeistert: „Als mir richtig langweilig war, habe ich den Versuch eines Handstands gefilmt. Ansonsten habe ich für die anderen Bastelidee­n gesammelt, ein Fitnesspro­gramm vorgestell­t oder über die Bücher berichtet, die ich gerade lese“, sagt die Zwölfjähri­ge. „Ich bin ein Omamensch. Aber ich durfte meine Oma nicht besuchen. Daher war es toll, dass auch sie meine Tagesvideo­s angeschaut hat.“

Dustin Geehmann (19) hat ebenfalls mitgemacht. Er habe von seinem Tagesablau­f berichtet und sich gewundert, wie viel Neues man doch ausprobier­e, wenn man ausreichen­d Zeit habe: „Ich habe wieder gemalt und sogar mit dem Singen angefangen“, sagt er. „Außerdem habe ich wieder ganz viel Zeit mit meiner Mutter verbracht.“

Alle Videos der anderen habe er sich angeschaut, jeden Tag mehr als eine Stunde Material. So sei die Gruppe untereinan­der in Kontakt geblieben, der Tag habe außerdem eine Struktur gehabt. „Ich glaube, das Endergebni­s kann sich sehenlasse­n. Ein syrischer Schüler hat mitgemacht, ein anderer hat aus Frankreich berichtet, wo die Ausgangssp­erre noch strenger war. Alle haben voneinande­r gelernt“, ist das Fazit von Lena Schmitt. Den Gruselfilm haben sie zu den Akten gelegt.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Dustin Geehmann, Lena Schmitt und Leonie Weinkauff (von links) erzählen vom Pädsak-Projekt. Sie haben zum Teil ganz neue Seiten an sich entdeckt während der Corona-Zeit.
FOTO: BECKERBRED­EL Dustin Geehmann, Lena Schmitt und Leonie Weinkauff (von links) erzählen vom Pädsak-Projekt. Sie haben zum Teil ganz neue Seiten an sich entdeckt während der Corona-Zeit.
 ?? FOTO: GALERIE NEUHEISEL ?? Das Plakatmoti­v der Ausstellun­g von Stefan Golz.
FOTO: GALERIE NEUHEISEL Das Plakatmoti­v der Ausstellun­g von Stefan Golz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany