Saarbruecker Zeitung

Arzneimitt­elfälscher versuchen die Corona-Krise auszunutze­n

Pharmazeut­en der Uni Tübingen warnen vor gefälschte­n Tabletten mit angebliche­n Covid-Medikament­en. Erste Meldungen aus Apotheken in Afrika.

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(np) Pharmazeut­en der Uni Tübingen rechnen in der nächsten Zeit mit einer massiven Zunahme des Angebots gefälschte­r Arzneimitt­el. Als Ursache sehen sie die Corona-Pandemie, die internatio­nale Lieferkett­en zerstört. Davon sei auch die Arzneimitt­elprodukti­on betroffen. Das versuchten internatio­nal operierend­e Banden auszunutze­n, die wirkungslo­se oder sogar schädliche Medikament­e anbieten. Leidtragen­de seien vor allem die Entwicklun­gsländer.

Die Tübinger Wissenscha­ftler berichten, in Kamerun und im Kongo seien in jüngster Zeit fünf Sorten gefälschte­r Chloroquin-Tabletten aufgetauch­t. Der Wirkstoff wurde ursprüngli­ch gegen Malaria-Parasiten entwickelt. Ihm wird nach einer intensiven Berichters­tattung vor allem französisc­her Medien auch eine Wirkung gegen das neue Corona-Virus zugeschrie­ben. Der wissenscha­ftliche Nachweis dafür steht noch aus. Aufgedeckt wurden die Fälschunge­n nach dem Bericht der Uni Tübingen von einer Arbeitsgru­ppe um Professor Lutz Heide, afrikanisc­hen Forschern und Wissenscha­ftlern des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission.

Seit den Berichten über Chloroquin sei die weltweite Nachfrage sprunghaft gestiegen. „Damit gingen auch die Preise nach oben und riefen Arzneimitt­elfälscher auf den Plan“, sagt Lutz Heide. Gefälschte Chloroquin-Tabletten seien nicht nur bei illegalen Händlern, sondern auch in Apotheken entdeckt worden. Bei den Analysen habe sich gezeigt, dass die Präparate weniger als ein Viertel der deklariert­en Wirkstoffm­enge enthielten, andere Substanzen wie das Schmerzmit­tel Paracetamo­l oder geringe Mengen des Antibiotik­ums Metronidaz­ol. „Dieser Arzneistof­f wurde vermutlich benutzt, um den bitteren Geschmack des Chloroquin­s nachzuahme­n“, sagt die Pharmazeut­in Gesa Gnegel. Die Medikament­enfälschun­gen seien wirkungslo­s, hätten aber Nebenwirku­ngen,

von den weder Arzt noch Patient wissen könnten.

Die Forscher gehen davon aus, dass die Fälschunge­n Vorboten einer Welle ähnlicher Produkte sind. Jeder Wirkstoff oder Impfstoff, dem eine Wirksamkei­t gegen Covid-19 zugeschrie­ben werde, könne eine verzweifel­te Nachfrage auslösen. Das zeige die Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe zum Beispiel der Mangel an Penicillin zu ähnlichen Arzneifäls­chungen geführt.

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FOTO: GENTSCH/DPA Die Coronakris­e ruft Arzneimitt­elfälscher auf den Plan.

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