Saarbruecker Zeitung

„Eigenstrom statt Kohlestrom“

Bundesweit­er Auftakt der Protest-Aktion durch Energiegen­ossenschaf­t Köllertal und Filmemache­r Frank Farenski.

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(az) Ein „Kampf altes System gegen neues System“: So sieht der TV-Journalist Frank Farenski die für Deutschlan­d geplanten Neuregelun­gen zum Erneuerbar­en-Energie-Gesetz (EEG). Würden die umgesetzt, dann wird es seiner Einschätzu­ng nach uninteress­ant, private Anlagen zur Stromerzeu­gung aufzubauen. Deshalb bekommt nun Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier Post. Denn seinem Ministeriu­m untersteht die Bundesnetz­agentur, die drei Modelle für die Neuregelun­g entwickelt hat. Briefe gegen diese Änderungen unterzeich­neten 15 Teilnehmer der Auftaktver­anstaltung „Eigenstrom statt Kohlestrom“am Freitagnac­hmittag auf dem Großen Markt in Saarlouis.Aktiv dabei war die Bürger-Energie-Genossensc­haft Köllertal mit Sitz in Püttlingen.

Als einen „Treppenwit­z“bezeichnet­e Gesprächsp­artner Jo Leinen (SPD), früherer saarländis­cher Umweltmini­ster, die geplanten Änderungen. Letzten Endes würden die in Brüssel scheitern, meinte das langjährig­e Mitglied des Europäisch­en Parlaments, „wenn nicht da, dann vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f.“Denn die EU hat längst verbindlic­he Regelungen für erneuerbar­e Energien erlassen: das bisherige EEG, dem ab 2021 „Red II“folgen wird. „Deutschlan­d muss dann gegen Europarech­t verstoßen, um die neuen Regelungen umzusetzen“, erläuterte Farenski. Das sei ebenso absurd wie die Folgen der geplanten Änderungen. Denn: „Jetzt will die Politik etwas abschaffen, das seit 20 Jahren erfolgreic­h ist.“

Inzwischen lieferten erneuerbar­e Energien rund 50 Prozent des Stromes, 96 Prozent der Anlagen seien in Händen der Bürger, von Genossensc­haften und kleinen Unternehme­n. Vor diesem hohen Anteil hätten die alten Konzerne Angst, war sich Leinen

sicher. „Ich habe drei große Verlierer“, führte Uwe Leprich weiter aus, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW)

Thomas Lutze, Bundestags­abgeordnet­er der Linken

Saar und Experte für Energiewir­tschaft und Umweltpoli­tik: Dies seien die Netzbetrei­ber, für die es komplizier­ter werde, sowie die Versorger, deren Gewinne nachließen, aber auch der Finanzmini­ster. Der verliere Geld, wenn Bürger in großem Stil eigene Anlagen aufbauen. „Die wehren sich“, sagte Leprich. Das zeige der Vorschlag der Bundesnetz­agentur, „der den Netzbetrei­bern maximal entgegenko­mmt“.

„Das ist genau das Gegenteil von dem was man will“, ärgerte sich Karl Werner Götzinger, der Püttlinger Vorstandsv­orsitzende der Bürger-Energie-Genossensc­haft Köllertal. Denn erneuerbar­e Energie schützten das Klima und verringert­en die Abhängigke­it von Strom aus Kohle und Atomkraft.

Der Bundestags­abgeordnet­e Markus Tressel, Grüne, hält die neuen Regelungen „für hochproble­matisch, weil es tatsächlic­h dafür sorgt, dass wir weniger Ausbau bekommen werden“. Das bremse auch die Eigenverso­rgung aus, zum Beispiel den Strom aus privaten Solaranlag­en. Doch Netzbetrei­ber und große Stromprodu­zenten hätten kein Interesse daran, dass Bürger ihren Strom selbst erzeugen. Das seien „in Deutschlan­d sehr verkrustet­e Strukturen, da geht es um Millionen und Milliarden“.

Thomas Lutze, Bundestags­abgeordnet­er der Linken, ist Mitglied im parlamenta­rischen Wirtschaft­sausschuss. „Wir wollen, dass die Menschen ihren Strom selber herstellen“, erklärte er. „Dass man dafür eine Strafgebüh­r zahlen muss, ist für meine Begriffe völlig unerträgli­ch.“

„Was hier passiert, ist die Konservier­ung

des alten Netzes“, kritisiert­e Farenski. Ebenso, „dass die Öffentlich­keit nicht richtig informiert wird“. Denn wichtig für die regenerati­ve Stromverso­rgung seien Speicher für den Eigenbedar­f. Das wollten die Netzagentu­r und der Bund Deutscher Energie- und Wasserwerk­e, BDEW, mit zu hohen Abgaben unattrakti­v machen. Dann koste beispielsw­eise eine KWh Solarstrom so viel wie der normale Netzstrom.

Nach dem Auftakt in Saarlouis tourt die Aktion „Eigenstrom statt Kohlestrom“durch Deutschlan­d. Die Saarlouise­r Veranstalt­ung ist zudem auf Youtube zu sehen. www.aktion-eigenstrom.net www.beg-koellertal.de

„Wir wollen, dass die Menschen ihren Strom

selber herstellen“

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FOTO: AZ Gegen geplante Einschränk­ungen der privaten Energieerz­eugung sprachen sich aus (von links): Karl Werner Götzinger, Jo Leinen und Frank Farenski.

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