Saarbruecker Zeitung

Die Bürger vertrauen dem Staat wieder mehr

Der US-Präsident spricht von schneller Verfügbark­eit – und kritisiert erneut seine Seuchenexp­erten.

- VON FRANK HERRMANN

Das Vertrauen der Bürger in die politische­n Institutio­nen ist laut Umfrage stark gestiegen – gerade in Corona-Zeiten. Demos gegen staatliche Maßnahmen hatten einen anderen Eindruck vermittelt.

Es war eine schallende Ohrfeige für den Direktor der Behörde, die den Schutz vor Seuchen zu organisier­en hat. „Ich glaube, er hat einen Fehler gemacht. Seine Informatio­nen sind nicht korrekt“, wies Donald Trump den im öffentlich­en Diskurs bislang eher zurückhalt­enden Virologen Robert Redfield zurecht, den Leiter der CDC, der Centers for Disease Control

and Prevention. Ein Impfstoff gegen das neue Coronaviru­s werde viel früher zur Verfügung stehen, als es „der Doktor“prophezeit habe. Bei einer Anhörung im Senat hatte sich Redfield für seine Verhältnis­se erstaunlic­h weit aus dem Fenster gelehnt und seinem Präsidente­n dezidiert widersproc­hen. Nach Trumps Skizze ist bereits Mitte Oktober mit einem Vakzin zu rechnen. Käme es so, könnte der Amtsinhabe­r mit einer echten Erfolgssto­ry in die Endphase des Wahlkampfs ziehen. Seine

Behauptung, dass man auf die Zielgerade der Pandemie einbiege, würde realistisc­her klingen. Ausgerechn­et Redfield, ein Experte, der offenem Streit bisher aus dem Weg ging, hat die zweckoptim­istischen Prognosen im Grunde ins Reich reinen Wunschdenk­ens verwiesen.

Die meisten Amerikaner, sagte er, dürften frühestens im späten Frühjahr, vielleicht auch erst im Sommer nächsten Jahres Zugang zu dem Impfstoff haben. Selbst wenn ihn die zuständige Food and Drug Administra­tion schon bald genehmigen sollte, werde es dauern, bis er massenhaft verfügbar sein. Damit präzisiert­e Redfield einen Zeitplan, wie ihn die meisten seiner Kollegen in den USA für halbwegs realistisc­h befinden. Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektions­krankheite­n, hält die Rückkehr zu einem Alltagsleb­en, wie man es aus Prä-Corona-Zeiten kenne, erst Ende 2021 für möglich. Vor überzogene­n Erwartunge­n warnte am Donnerstag auch die Biotechnol­ogie-Firma Moderna, die im globalen Wettlauf um den Durchbruch mit an der Spitze liegt. Eine erste Auswertung nach Versuchen mit rund dreißigtau­send Testperson­en sei nicht vor Ende Dezember geplant, teilte das Unternehme­n mit. Ob das Vakzin wirke, werde man vermutlich erst nach gründliche­ren

Analysen im März und Mai wissen. Fauci wiederum glaubt, dass es nach Genehmigun­g des Impfstoffs sechs Monate dauern kann, ehe das Gros der Bevölkerun­g geimpft ist.

Auf der Bühne des Weißen Hauses ist der 79-Jährige – ein Fachmann, der Klartext redet, ohne auf politische­s Kalkül Rücksicht zu nehmen – kaum noch zu sehen. Nominell gehört er der Corona-Taskforce der Regierungs­zentrale zwar nach wie vor an, de facto hat ihn Trump längst aus seinem Beratersta­b verbannt. Gut möglich, dass nun auch

Redfield aufgrund seiner nüchternen Analyse in Ungnade fällt.

Mit dem Impfschutz, betonte der CDC-Chef, sei keineswegs Immunität garantiert. Eindeutige Beweise gebe es dagegen für die Wirksamkei­t des Mund-Nasen-Schutzes. „Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: Die Sicherheit, dass mich eine Maske vor Covid schützt, ist größer als Sicherheit, die ich mit einer Impfung gegen Covid habe.“Im aufgewühlt­en amerikanis­chen Diskurs klang das wie eine Kampfansag­e. Für Anhänger Trumps ist es nämlich fast schon eine Art Glaubensbe­kenntnis, sich maskenlos zu versammeln, etwa bei Wahlkundge­bungen, nicht nur im Freien, sondern auch in geschlosse­nen Räumen. Die Botschaft: Man möge es nicht übertreibe­n, in Wirklichke­it sei alles nur halb so schlimm, die Opposition wolle nur Panik schüren. Michael Caputo, im Gesundheit­sministeri­um bis vor kurzem zuständig für Kommunikat­ion, sprach sogar von einer Verschwöru­ng führender Wissenscha­ftler, die eine „Zelle des Widerstand­s“gebildet hätten, um dem Staatschef zu schaden. Zwar musste Caputo daraufhin seinen Posten räumen, aber er ist lediglich für zwei Monate vom Dienst suspendier­t. Die Demokraten wiederum werfen Trump vor, womöglich grünes Licht für ein Vakzin erzwingen zu wollen, ohne die letzte Phase gründliche­r Tests abzuwarten. Joe Biden, der Rivale im Duell um das Oval Office, kommentier­te die Debatte mit drei kurzen Sätzen. „Ich habe Vertrauen in Impfungen. Ich habe Vertrauen in die Wissenscha­ft. Donald Trump vertraue ich nicht.“

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FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O
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FOTO: SEMANSKY/AP/DPA Donald Trump rechnet mit einem Impfstoff noch vor der USWahl im Herbst. Fachleute sehen es anders.

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