Saarbruecker Zeitung

Europas Parlament macht Druck bei der Asylreform

„Schande“, „schrecklic­h“, „erschütter­nd“: Die Brüsseler Abgeordnet­en kritisiere­n die Lage in Moria scharf. Für eine tragfähige Lösung seien die Staaten am Zug.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Martin Wittenmeie­r

(dpa) Das Europaparl­ament macht mit Blick auf die seit Jahren blockierte Asylreform Druck auf die EU-Staaten. Nach der Brandkatas­trophe im Flüchtling­slager Moria auf Lesbos forderten die Abgeordnet­en am Donnerstag, dass sich die Länder endlich auf eine langfristi­ge Lösung einigen müssten. EU-Innenkommi­ssarin Ylva Johansson betonte, Situatione­n wie in Moria dürften sich nicht wiederhole­n. „Keine weiteren Morias!“, sagte sie.

Dies sei eines der Ziele der neuen Migrations- und Asylpoliti­k, für die die EU-Kommission am Mittwoch einen neuen Vorschlag vorlegen werde, sagte Johansson. „Wir sollten nicht akzeptiere­n, dass Menschen unter diesen Bedingunge­n leben.“Die EU-Abgeordnet­en forderten mehr langfristi­ge Hilfe für Griechenla­nd. Es könne nicht nur „Ad-hoc-Solidaritä­t“nach dem Brand in Moria geben, sagte Roberta Metsola aus der christdemo­kratischen EVP-Fraktion. Nach Angaben der EU-Kommission hat Griechenla­nd zur Bewältigun­g der Migration seit 2015 bereits mehr als 2,6 Milliarden Euro erhalten.

Der Großteil der Parlamenta­rier zeigte sich bestürzt und entrüstet über die Situation auf Lesbos sowie den anderen griechisch­en Inseln. Sie kritisiert­en außerdem, dass zur Debatte kein Vertreter der EU-Staaten im Plenum war. Normalerwe­ise beteiligt sich die EU-Ratspräsid­entschaft an den Debatten – derzeit ist das Deutschlan­d.

Im Mittelmeer, wo regelmäßig in Seenot geratene Migranten ertrinken, gingen auch das europäisch­e

Projekt und die Würde unter, sagte die Vorsitzend­e der Sozialdemo­kraten, Iratxe García Pérez. Die Liberale Sophia In ’t Veld sagte, Moria sei kein Politikver­sagen, sondern Politik mit dem Ziel der Abschrecku­ng. Terry Reintke (Grüne) trug Worte eines afghanisch­en Mannes aus Moria vor. Diese schilderte­n die unwürdige Situation vor Ort. „Würden Sie hier mit Ihren Lieben auf dem Boden schlafen?“

Johansson betonte, die völlig überfüllte­n Lager auf den griechisch­en Inseln seien in den vergangene­n Monaten bereits entlastet worden. Nach dem Brand der vergangene­n Woche in Moria hätten zwölf EU-Staaten Hilfe in Form von Sanitäranl­agen, medizinisc­her Versorgung oder Unterkünft­en geleistet. Insgesamt seien unter Koordinier­ung der EU-Kommission mehr als 100 000 Gegenständ­e zusammenge­kommen. Zudem würden nun die verbleiben­den unbegleite­ten Minderjähr­igen auf den anderen Inseln in Sicherheit gebracht.

Das Wichtigste sei nun, die Menschen auf Lesbos mit Lebensmitt­eln, Unterkünft­en und Medizin zu versorgen, sagte Johansson. „Ein neues, dauerhafte­s und angemessen­es Center ist die Priorität.“Neue Flüchtling­slager wie Moria dürfe es hingegen nicht geben. „Wir brauchen einen Neustart bei der Migration. Und dies ist der richtige Zeitpunkt.“Denn: „Moria ist nicht normal, aber Migration ist normal. Es ist etwas, das wir bewältigen können.“Dazu müsse jedes EU-Land seinen Beitrag leisten.

Wie diese aussehen könnte, hatte Kommission­schefin Ursula von der Leyen bereits am Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der Europäisch­en Union grob skizziert. Dabei appelliert­e sie auch an die Kompromiss­bereitscha­ft der EU-Staaten, die seit Jahren über eine gemeinsame Migrations­politik streiten. Knackpunkt ist vor allem die Verteilung Schutzsuch­ender.

Die Vorschläge der Kommission, über die EU-Staaten und Europaparl­ament dann noch verhandeln müssen, sollen die Blockade nun lösen. Mit einem neuen „Migrations­pakt“sollen nach Vorstellun­g der EU-Kommission Asyl- und Rückführun­gsverfahre­n enger verknüpft, Schleuser stärker bekämpft und der Schutz der Außengrenz­en verbessert werden. Außerdem soll es engere Partnersch­aften mit Drittlände­rn geben. Von der Leyen und auch Johansson betonten zudem, dass jene Staaten an den Außengrenz­en, die vom derzeitige­n System besonders belastet sind, nicht allein gelassen werden dürften.

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