Bach ohne Wasser sorgt für Überflutung
Groß angelegte Teil-Renaturierung soll am Lauterbach gegen Fluten fäkalienverseuchten Kanalwassers schützen.
Zurück zur Natur: Das Renaturieren einst in Beton-Kanäle gequetschter Bachläufe wurde im Saarland schon oft erfolgreich praktiziert. Sehr ungewöhnlich wird es allerdings dann, wenn der Bach gar nicht mehr existiert: Der Lauterbach floss einst von seiner Quelle nahe des französischen Carling durch die Völklinger Stadtteile Lauterbach, Ludweiler und Geislautern, wo der Bach in die Rossel mündet, die kurz darauf in Völklingen-Wehrden in die Saar fließt. Doch durch den Bergbau in Frankreich ist der Grundwasserspiegel derart abgesunken, dass die Quelle versiegte. Geblieben sind in Lauterbach alte Verrohrungen und ein verfallender Beton-Kanal, durch den nach Unwettern und Starkregen mit Fäkalien verdrecktes Wasser schießt und die Gärten der Anlieger überschwemmt. Die Dreckbrühe kommt aus überwiegend auf französischer Seite liegenden Mischwasserkanälen, die bei entsprechendem Regen ihre unschöne Fracht in den Ex-Lauterbach schicken.
Das soll nun nach Jahrzehnten immer wieder aufflammender Beschwerden von Anliegern, ein Ende haben – zumindest die Überschwemmungen: Am Donnerstagabend hatte die Stadt Völklingen zur Bürgerversammlung in die Lauterbachhalle geladen, fast alle 80 im „Corona-Abstand“aufgestellten Stühle waren besetzt.
Es ging darum, gemeinsam mit Fachleuten eine Vorplanung vorzustellen – etliche Details müssen noch ausgearbeitet werden –, wie das Hochwasserproblem unter Kontrolle gebracht werden soll. Oberbürgermeisterin Christiane Blatt nannte die Versammlung denn auch den „Startschuss“für das geplante Mammut-Projekt, das sich, einer frühen und vorsichtigen Schätzung zufolge, bei etwa vier bis fünf Millionen Euro bewegen dürfte, umfangreich gefördert durch das Umweltministerium.
Der Startschuss gilt allerdings keinem Sprint, sondern eher einem Langstreckenlauf: Erste Anfänge zur Vorplanung gab es bereits vor elf Jahren. Bis nun für die Ortslage Lauterbach alle Pläne ausgearbeitet, alle baurechtlichen Hürden genommen, alle Grundstücksprobleme geklärt sind und mit allen Anliegern gesprochen wurde – betroffen sind über 300 Grundstückseigentümer
–, werden noch fünf Jahre ins Land gehen, bevor es im Ort zum ersten Spatenstich kommt. Außerhalb der
Ortslage, auf unbebautem Gebiet zwischen Lauterbach und Ludweiler, überwiegend im Besitz der RAG, soll Baubeginn schon im kommenden Jahr sein.
Partner bei der Umsetzung sind die CP Beratende Ingenieure GmbH & Co. KG aus Spiesen-Elversberg und die Landschaftsagentur Plus, ein Tochterunternehmen der RAG Montan Immobilien GmbH, das sich auf Landschaftsplanung, Rekultivierungen, Gewässerplanung und Umwelt-Ausgleichmaßnahmen spezialisiert hat. So sind die im Bereich Lauterbach anstehenden Renaturierungen auch ein Ausgleich für RAG-Maßnahmen an der Halde im Völklinger Stadtteil Luisenthal.
Wie es nun innerorts in Lauterbach weitergehen soll, erklärten CP-Geschäftsführer Roland Desgranges und Martin Strauß, Geschäftsführer der Landschaftsagentur. Desgranges legte es offen auf den Tisch: Einen hundertprozentigen Hochwasserschutz kann es im Ort nicht geben, das scheitere an technischen Hürden, aber auch an der Finanzierbarkeit. Sind alle Arbeiten abgeschlossen, dann sollten Starkregen der Kategorie, wie sie im Schnitt nur alle zehn Jahre vorkommen, kein Problem mehr sein. Die „hundertjährlichen Hochwasserereignisse“würden die Gärten aber nach wie vor treffen, wenn auch deutlich abgemildert. Innerorts ist eine Verlegen und Neugestalten des Bachbettes auch nur bei 60 Prozent – vielleicht etwas mehr – des Bachlaufs möglich. An anderen Stellen werden kritische Punkte entschärft, etwa durch Vertiefungen, größere Querschnitte und das Beseitigen von Hindernissen.
Unterm Strich wurde auch deutlich, dass sich Arbeiten an einem bestimmten Punkt des Bachlaufs eben nicht nur dort auswirken, sondern dass es um ein komplexes Zusammenspiel von Einzel-Planungen geht, die sich auf die Gesamtheit des Projektes auswirken.
Eine zumindest kleine Hoffnung auf einen wieder richtig fließenden Bach machte Ortsvorsteher Dieter Peters, der an eine Studie erinnerte, derzufolge der Grundwasserspiegel im benachbarten Frankreich, da es dort keinen Bergbau mehr gibt, auch wieder steigt. Dadurch könne dann womöglich irgendwann auch die Quelle des Lauterbachs wieder sprudeln.