Die Reihen hinter Infantino sind geschlossen
Beim Fifa-Kongress hat der 50-Jährige trotz eines Strafverfahrens gegen ihn keinen Gegenwind zu erwarten. Die Mitgliedsverbände sind zufrieden.
(sid) Die Tagesordnung lässt vermuten, dass Gianni Infantino jede Menge zu sagen hat. Beim 70. Kongress des Fußball-Weltverbandes Fifa an diesem Freitag, der aufgrund der Corona-Pandemie erstmals virtuell über die Bühne gehen wird, sind zwei Ansprachen des 50-Jährigen geplant. Für die zahlreichen Kritiker stellt sich die Frage, warum der Präsident überhaupt noch bei der Fifa reden darf.
Schließlich läuft in seiner Schweizer Heimat seit Ende Juli ein Strafverfahren gegen den Fußball-Boss. Als die Eidgenossen vor fünf Jahren gegen Joseph S. Blatter ermittelten, war Infantinos Vorgänger binnen weniger Tage vom Sockel gestürzt. Doch dem aktuellen Präsidenten, der seit viereinhalb Jahren im Amt ist, blieb dieses Schicksal erspart.
Das liegt vor allem daran, dass sich Infantino seiner Getreuen aus den eigenen Reihen sicher sein kann.
Zuletzt stellte sich die Regierungsführungs-Kommission des Verbandes hinter ihren Chef. „Ich kann nicht erkennen, dass etwas falsch daran sein sollte, wenn sich der Fifa-Präsident mit dem Staatsanwalt eines Landes trifft“, sagte der stellvertretende Kommissions-Vorsitzende Olli Rehn und bezog sich mit seiner Aussage auf die drei nicht protokollierten Geheimtreffen zwischen Infantino und dem nicht mehr im Amt befindlichen Bundesanwalt Michael Lauber, die 2016 und 2017 stattgefunden haben. Das darauf folgende Strafverfahren beinhaltet die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs, der Verletzung des Amtsgeheimnisses, der Begünstigung und der Anstiftung zu diesen Tatbeständen.
Die Treffen sollen auf Wunsch Infantinos arrangiert worden sein – Lauber hatte zu diesem Zeitpunkt aber mehrere Verfahren im Bereich des Weltfußballs geleitet, darunter auch das um die WM-Vergabe 2006 nach Deutschland, das Ende April wegen Verjährung eingestellt wurde. Laut Infantino sollten die Treffen „zur lückenlosen Aufklärung beitragen“. Diese Argumentation stützte nun Rehn: „Die Fifa will einen Schlussstrich unter die Skandale der Vergangenheit ziehen.“
Schon vor einem Monat war auch die Fifa-Ethikkommission dem Präsidenten zu Seite gesprungen. Das Gremium hatte seine Voruntersuchung aufgrund „mangelnder glaubhafter Beweise“eingestellt.
Und so dürfte der Italo-Schweizer nur dann in die Bredouille geraten, wenn sich die juristische Schlinge fester um seinen Hals ziehen sollte.
Gegenwind auf dem Kongress (ab 15 Uhr), der ursprünglich im Juni in Addis Abeba (Äthiopien) stattfinden sollte, dürfte es für Infantino kaum geben. Das liegt auch daran, dass sich die Fifa gegenüber ihren 211 Mitgliedsverbänden wieder einmal generös präsentiert. Der milliardenschwere Corona-Hilfsplan kommt bei den Mitgliedern gut an. Bereits 150 Verbände haben einen Antrag auf die üppigen Hilfsgelder gestellt, insgesamt sollen 1,3 Milliarden Euro ausgeschüttet werden.