Was die Ophüls-Chefin für das Festival im Januar plant
Das 42. Saarbrücker Filmfestival Max Ophüls Preis findet trotz Corona statt – das wird schwierig, wie die Festivalleiterin erklärt.
Kann das Filmfestival Max Ophüls Preis 2021 stattfinden – oder fällt es Corona zum Opfer? Das Saarbrücker Festival des deutschsprachigen Nachwuchsfilms geht trotz Pandemie über die Bühne – allerdings in anderer Form als gewohnt. Festivalleiterin Svenja Böttger erklärt, was geht und was nicht.
Frau Böttger, wie wird das Filmfestival Max Ophüls Preis 2021 aussehen?
BÖTTGER Die 42. Ausgabe wird in physischer Form stattfinden mit einer Online-Ergänzung. Exakt können wir den Januar 2021 nicht skizzieren, da dies in der aktuellen Situation einfach nicht möglich ist. Mein Team und ich erarbeiten seit Wochen und Monaten eine Handvoll Szenarien, die unterschiedliche Umstände berücksichtigen – auch für den Fall eines regionalen oder sogar eines kompletten Shutdowns – und wollen das Festival unter den aktuell geltenden Sicherheitsund Hygienekonzepten stets auf Sicht fahren. Wir wollen bis zuletzt kurzfristig reagieren können und geltende Regeln wie Mindestabstände und Veranstaltungs-Obergrenzen einhalten. Wir müssen alle Aspekte des physischen Festivals neu denken und neu kalkulieren, unser Festivalkern bleibt aber unverändert bestehen. Noch können wir keine exakte Aussage darüber machen, wie viele Sitzplätze wir letztendlich anbieten, wie viel Programme wir zeigen können, wie Lolas Bistro Corona-konform aussehen kann. Aber auch im Idealfall, bei sinkenden Infektionszahlen und geringerem Risiko für Kulturveranstaltungen, wird das Filmfestival Max Ophüls Preis nicht seine ursprüngliche Form erreichen. Es wird also in jedem Fall keine Ophüls-Ausgabe, wie wir sie kennen und lieben. Auch planen wir mit viel weniger Besucherinnen und Besuchern als in den vergangenen Jahren. 45 000 Besuche sind ganz klar undenkbar und spiegeln auch nicht unseren Anspruch für die kommende Ausgabe. Wir wollen keinen Hotspot kreieren, sondern zeigen, dass Kultur in unsicheren Zeiten stattfinden kann und muss. Hygienemaßnahmen und ein klares Sicherheitskonzept stehen im Vordergrund, damit das Publikum mit viel Neugierde und mit Bedacht bei uns die neuesten Projekte des Filmnachwuchses entdecken kann.
Wird es ein Hybrid-Festival, eine Mischung aus Online und realem Kino?
BÖTTGER Wir möchten vor Ort in Saarbrücken ein Kulturangebot schaffen. Denn ich glaube, von Online-Angeboten sind mittlerweile alle übersättigt. Kultur hat extrem viel zu tun mit Begegnungen, mit Netzwerken, mit Austausch und Feedback – und das geht selbst bei Mindestabstand viel besser physisch als online. Nichtsdestotrotz werden wir ebenso Vorführungen online wie offline anbieten – denn wir wollen niemanden ausgrenzen, der zur Covid-19-Risikogruppe gehört oder einen anderen Grund hat, nicht ins Kino kommen zu können. Wir schließen niemanden aus, möchten aber auch zeigen, dass Kultur in Zeiten einer Pandemie durchaus vor Ort erlebbar ist und nicht alles ins Netz verlagert werden sollte.
Ein reines Online-Festival wäre die schlechteste aller Möglichkeiten?
BÖTTGER Das käme für uns nur direkt im Lockdown infrage. Rein online zu gehen kann für uns nur die Ultima Ratio sein und ist den Projekten und den Filmschaffenden gegenüber, die unglaublich viel Arbeit, Zeit und Muße in ihre Projekte stecken, nur in diesem Fall vertretbar. Auch den Besucherinnen und Besuchern gegenüber: Unser Publikum kommt zu uns, weil es die Filmemacherinnen und Filmemacher kennen lernen will, weil es neue Welten und Lebensentwürfe entdecken will, weil es in den Dialog eintreten möchte und über die Filme und mit den Filmschaffenden sprechen möchte. Online geht die Atmosphäre eines Festivals komplett verloren. So lange wir physisch stattfinden können, haben wir meiner Meinung nach den Auftrag, etwas anzubieten und einen Entwurf für kulturelles Leben in Pandemie-Zeiten zu präsentieren.
Wird das Programm 2021 notgedrungen kleiner sein?
BÖTTGER Wir reduzieren das Filmprogramm in erster Linie, um Möglichkeiten zu schaffen, die ausgewählten Filme öfter wiederholen und so auf die drastisch reduzierte Saalkapazität reagieren zu können. Das Herzstück unseres Filmfestivals, die vier Wettbewerbe, versuchen wir möglichst wenig zu kürzen.
Was wäre denn die ideale OphülsForm in Corona-Zeiten?
BÖTTGER Eine durch kleine Online-Elemente ergänzte physische Ausgabe, die durch ihr dezentrales Angebot so viele Leute wie möglich ins Kino bringen kann, ohne große Veranstaltungen mit über 100 Leuten anzubieten. Klare Online-Angebote und dennoch kein klassisches Hybrid-Festival sein. Unser Hauptfokus liegt auf einer dezentralen Vor-Ort-Lösung, die vor allem im Branchenbereich um Online-Elemente ergänzt wird. Als Premierenfestival halten wir es für unsere Aufgabe, den Filmen eine breite Präsentationsund Verwertungskette zu ermöglichen, weshalb ein seitens Abrufen und Verfügbarkeit unbegrenztes Online-Angebot für uns gar nicht infrage kommt. Filme im Premierenstatus unbegrenzt online verfügbar zu machen, hieße, ihre Reichweite und Laufzeit zu gefährden. Außerdem lieben wir das Kino, und die Präsentation in den Kinos ist unglaublich wichtig.
Denen es denkbar schlecht geht, oder?
BÖTTGER Die Lage der Kinos ist dramatisch. Kleine Saalkapazitäten nach monatelanger Schließung und kaum Geld oder Hilfe, um die Hygienemaßnahmen umzusetzen, um Verluste auszugleichen oder jetzt aktiv Werbung zu machen, dass man wieder Pandemie-konform Filme schauen kann. Dazu kaum neue Filme, weil viele große Kinostarts verschoben werden, und ein Publikum, das in Teilen noch sehr vorsichtig ist, zu kommen, oder sich nicht an die Regeln vor Ort halten will, weil es mit der Solidarität manchmal leider nicht sehr weit her ist. Das sind unglaublich widrige Bedingungen, in denen sich die Kinos befinden, und vor allem wirtschaftlich rentabel ist das nicht ansatzweise. Dabei muss man immer mahnen: Wenn wir unsere Kinos verlieren, dann fehlt uns nicht nur im Saarland ein ganz großes Stück Kultur. Wir versuchen, als Festival unser Bestes zu geben, physisch stattzufinden und einen Anreiz für Stammgäste und Publikum zu bieten, wieder vermehrt das Kinoangebot wahrzunehmen, denn ohne unsere Kinos sind wir nichts: ohne Kinos kein Festival.
Wie sieht es finanziell für 2021 aus?
Das Festival wird mit weniger Zuschauern weniger Geld einnehmen, und die Corona-Maßnahmen werden zusätzliches Geld kosten.
BÖTTGER Wir suchen händeringend nach zusätzlichen Geldern für die Corona-Mehrmaßnahmen. Bei den bestehenden Geldgebern sieht es aktuell gut aus, wir haben tolle Unterstützer, die uns die Treue halten und gemeinsam mit uns die nächste Ausgabe ausrichten und stemmen wollen. Im Bereich der Veranstaltungswirtschaft allerdings mache ich mir große Sorgen um unsere Partner, die uns seit langen Jahren zur Seite stehen. Sie überleben gerade nur, weil sie in Kurzarbeit gegangen sind und ihre Rücklagen aufbrauchen. Wir wissen nicht, ob uns alle Technikpartner, Hotels, Gastronomen und Ausstatter erhalten bleiben. Ich wünsche es mir sehr, befürchte aber, dass wir hier mit Verlusten planen müssen. Im Veranstaltungsbereich beispielsweise gibt es kein Licht am Ende des Tunnels. Die Hotels haben mit Stornierungswellen zu kämpfen, und keiner weiß, was uns im Herbst und im Winter noch erwartet.
Wird die Kreativwirtschaft da zu wenig unterstützt?
BÖTTGER Ja, ich glaube, es wird das falsche Signal gegeben, wer gerettet wird mit Milliardenhilfen und wer weniger oder gar nichts erhält. Die Unterscheidung in die verschiedenen Sektoren von Kultur über Kreativwirtschaft bis hin zur Wirtschaft ist ein Fehler meiner Meinung nach – wir sind alle im selben Boot. Wir bieten gesellschaftlich und kulturell einen großen Mehrwert. Kultur und die Kreativszene werden immer wieder als Wirtschaftsfaktor unterschätzt. Wenn jemand ins Kino oder ins Theater geht, dann trinkt er vorher etwas, geht danach ins Restaurant, parkt irgendwo, geht noch kurz einkaufen – das wird gerne vergessen. Ich hatte neulich meine Familie zu Besuch – wir waren drei Tage hier unterwegs: am Saarpolygon, in der Völklinger Hütte, mit dem Rad an der Saar entlang bis nach Saargemünd, in Saarlouis und Saarbrücken – so etwas trägt ja auch dazu bei, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Auch die ganzen Arbeitsplätze, die in diesem Bereich vorhanden sind, werden oft nicht gesehen. Natürlich sind wir als Festival und oder Kultureinrichtung keine aktiven Lebensretter, das sind ganz klar andere Berufsgruppen. Die Pflege beispielsweise oder natürlich das Ärztepersonal, die nicht angemessen bezahlt werden und beklatscht werden für ihren Einsatz. Schon Monate später will niemand mehr etwas hören über den zuvor hoch gelobten Einsatz und dies in ein monetäres Dankeschön verwandeln.
Wie ist da die Lage der Kommunen?
BÖTTGER Die Kommunen können nicht viel mehr machen, als sie ohnehin schon tun – außer vielleicht Kultur und die Kreativarbeit nicht mehr als freiwillige Leistung einer Kommune anzusehen und hier jetzt direkt zuallererst den Rotstift anzusetzen. Die Kulturausgaben der Kommunen sind zum Teil so gering, das Gros wird hier sowieso nicht eingespart werden können. Um aber auch etwas Positives zu berichten aus den Kommunen: Dass Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt einen Rettungsfonds aufgelegt hat, war schon erstaunlich, das haben sich viele andere Kommunen nicht getraut oder hatten nicht die Möglichkeit dazu. Ein gutes Signal.
Und das Land?
BÖTTGER Auch das Land hat Mechanismen entwickelt und versucht zu helfen. Den Bund und die Länder sehe ich da verstärkt in der Verantwortung. Wenn man die Wirtschaft ankurbeln will, dann funktioniert das auch über die Kultur. Aber viel wichtiger ist, glaube ich, vor allem, dass wir miteinander reden und arbeiten und dabei bedenken: Wir stecken alle das erste Mal in so einer Krise und sollten nicht vom Gegenüber erwarten, dass er sofort weiß, was er exakt zu tun hat und welche Mechanismen die richtigen sind. Es gibt niemanden, der ein Verhinderer ist oder wenig machen will. Eigentlich im Gegenteil. Es geht darum, den richtigen Ansatz zu finden, wie es zusammen funktionieren kann. Und es muss deutlicher werden, dass Kultur und Kreativwirtschaft ein Wirtschaftsfaktor sind und dass es nicht reicht, nur die großen Industrien zu retten. Wer kam in der Corona-Zeit auch nur eine Stunde ohne Nachrichten aus? Ohne Musik, ohne Radio, ohne Filme, Fernsehen, Bücher, Podcasts? Wie groß waren die Diskussionen über den Sport im Allgemeinen und den Fußball im Speziellen. Auch das ist Kultur. Klar muss aber auch sein, dass nicht einfach alles vom Bund und Land bezahlt werden kann und exakt so erhalten werden kann. Jeder muss dazu beitragen! Ich wünsche mir weniger Entscheidungen durch starke Lobbyisten und mehr Entscheidungen durch ein gesundes Augenmaß und Erfahrungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit Jahren bei den einzelnen Stellen arbeiten und Expertise mitbringen.
Wie könnte der Festivalclub Lolas Bistro im nächsten Jahr aussehen?
BÖTTGER Die Frage ist tatsächlich im Moment schwer zu beantworten, und wir müssen abwarten, wie die Regeln im Herbst aussehen werden und welche Erfahrungen gemacht werden, sobald wetterbedingt keine Aktivitäten
Das Festival findet vom 18. bis 24. Januar in Saarbrücken statt. Der Schwerpunkt liegt trotz Corona „auf der Filmpräsentation in den Saarbrücker Kinos“. Das Programm wird reduziert, aber der Wettbewerb (Lang- und Kurzfilm, Doku und mittellanger Film) bleibt erhalten. Es wird laut MOP für „Festivalstammgäste aus den Covid-19-Risikogruppen begleitende Online-Screenings ermöglicht“. Details zum Programm und den Orten will das Festival im Laufe des Herbstes bekannt geben. Infos: www.ffmop.de mehr draußen stattfinden können. Was ich sagen kann ist, dass wir uns dazu entschieden haben, in diesem Jahr keinen Leerstand zu bespielen, sondern es hier wichtig finden, mit bestehenden Kultureinrichtungen und Veranstaltungsorten gemeinsam zu arbeiten. Jetzt ist nicht die Zeit, neue Orte zu schaffen, sondern wir müssen die bestehenden Veranstaltungsorte unterstützen.
Gab es die Idee, mit Ophüls in den Sommer zu gehen und dann OpenAir-Kino zu bieten?
BÖTTGER Wenn wir in den Sommer 2021 gehen würden, kämen wir uns mit vielen anderen bestehenden Veranstaltungen in die Quere, die ihrerseits schon 2020 absagen mussten. Auch der eng getaktete Filmfestivalkalender in Deutschland und in Europa ermöglicht kaum zu verschieben, ohne auch hier einer Kollegin oder einem Kollegen in die Parade zu fahren. Ein Open-Air-Festival ist außerdem sehr vom Wetter abhängig – und ziemlich teuer, was den technischen Aufwand angeht. Das kann ein Extra-Angebot sein, so wie wir es in diesem Jahr als Gast beim Silo erleben durften. Außerdem sind für uns unsere Kino-Partner wichtig, und wir möchten gemeinsam das Festival ausrichten. Denn das habe ich bei den Autokinos im Saarland vermisst: die Solidarität mit den Kinobetreibern. Die konnten im Lockdown nicht spielen. Plötzlich schossen Autokinos aus dem Boden – da hätte ich mir gewünscht, dass es einen Solidaritätsbeitrag gibt, wie es etwa das dok.fest München bei seiner Online-Ausgabe gemacht hat oder beim Dokumentarfilm von Fynn Kliemann, der fast eine halbe Million Euro an Kino-Spenden ausgeben konnte.
Was sind die Signale aus der Stadt Saarbrücken? Drohen da coronabedingt Mittelkürzungen?
BÖTTGER Nein, das stand zu keinem Zeitpunkt zur Debatte. Der Stadt ist sehr wichtig, dass Kultur stattfindet, und sie unterstützt uns, so gut sie kann. Was aber auch Jedem klar sein muss: Die Kommunen werden ab nächstem Jahr weniger Einnahmen haben und ihre Budgets und den Kultur-Etat nicht hochfahren können. Es wäre aber wünschenswert, wenn die Etats deutschlandweit gleich blieben. Darauf gilt es jetzt zu achten, dass an der Kultur in den nächsten Jahren nicht gespart wird und Budgets gekürzt werden.
„Das Herzstück unseres
Filmfestivals, die vier Wettbewerbe, versuchen wir möglichst
wenig zu kürzen.“
Svenja Böttger
Leiterin Filmfestival Max Ophüls Preis
Und der Bund? Es ist ja klar, dass das Festival diesmal weniger Geld einnehmen wird.
BÖTTGER Auch der Bund streicht nicht, wir kämpfen aber gerade dafür, die Corona-Mehrkosten finanziert zu bekommen.
Wie hat sich Corona auf die Filmproduktion ausgewirkt – und damit auch auf das Filmangebot für das Festival?
BÖTTGER Wir sind noch mitten in unserer Einreichungsphase, sodass sich das noch nicht ganz abschätzen lässt. Ich gehe davon aus, dass es weniger Filme werden. Durch Corona haben alle mehr Kosten, nicht nur Festivals. Drehs mussten unterbrochen werden, die Postproduktion stand zum Teil still. Eine Filmproduktion muss durch die Pandemie für eine Produktion etwa 30 Prozent mehr aufwenden. Finanzierungsmöglichkeiten werden knapper, und das Risiko am Set und während des Drehs ist hoch. Das dicke Ende kommt, denke ich, verzögert 2021 und 2022. 2020 wurden ja noch viele Filme gefördert, weil die Fördersummen schon bewilligt sind. Für freie Produktionen, die uns sehr wichtig sind, wird es noch schwieriger werden. Und generell wird es für den Nachwuchs noch einmal schwieriger, ein Debüt zu drehen – vom zweiten oder dritten Film ganz zu schweigen. Jetzt freuen wir uns erst einmal auf die anstehende Ausgabe und sind gespannt auf die Filme, die uns erreichen werden.